FUNDAMENT - FUNDAMENT
F
el NEGOCITO Records
Wie schafft man ein Fundament, eine Grundlage, eine Basis, etwas, worauf man gründen kann, aufbauen kann, auch und gerade musikalisch, mit Tubax, Tubas, Posaune, Bass, Stimmen, Baritonsaxofon? Das Fundament Ensemble vereint vor allem Tieftöner mit kehligen Stimmen. Ach ja und einen ideengebenden „Baumeister“ gibt es auch: Das ist der Bildhauer und Musiker Peter Jacquemyn (double bass, voice, concept). Ihm zur Seite stehen Eric Sleichim (tubax), Yannick Peeters (double bass), Kristof Roseeuw (double bass), Lode Leire (double bass), Pieter Lenaerts (double bass, voice), Jan Pillaert (tuba, voice), Carl-Ludwich Hübsch (tuba, voice), Matthias Muche (Trombone), Gregoire Tirtiaux (baritone saxophone, voice), Mathieu Lilin (baritone saxophone) und Peter Verdonck (bass saxophone, voice).
In den Liner Notes von Gerd Borms und Hugo de Craen lesen wir unter anderem: „Fundament aims to create a sound environment like a star system. A series of events hang across space, a series of moments with no development, a form of dialogue in which extended improvisation is not primary.“ Lassen wir das mal mitschwingen, wenn wir uns dem musikalischen Fundament annähern und es zu umschreiben versuchen. Schaut man auf das zahlreich vorhandene „Gebläse“, so werden gleich von Anbeginn Assoziationen an Wind, an heulenden Wind, an Luftzüge, an Wirbel, an Windhosen, an Sturm, an Orkan, an Unwetter geweckt. Doch was hören wir tatsächlich?
Ein Schlag und ein Knarren, ein Klacken und ein Brummen, das verstreicht, ein Schnurren und ein Quieken, ein erneuter Schlag, ein Klack und ein Klick, ein dunkles Schwirren, hochtönige Verirrungen im Meer des Dunklen – das vernimmt man bei „Fundament A“. Wer schon mal im Dschungelhaus eines Zoos unterwegs war, fühlt sich bei den Klangformen, die zu vernehmen sind, an einen solchen Besuch erinnert.
Hier und da scheinen Neubauten einzustürzen. Lang anhaltende dumpfe Klangfäden werden gesponnen und von anderen Klanggemälden übertüncht. An das Tröten von erregten Elefanten erinnern manche Klangsequenzen. Irgendwo schnurrt ein Generator. Martialisches dringt an unsere Ohren, oder? Sind es Stalinorgeln oder niedergehende Kampfflieger, die in Klangbildern eingefangen werden? Unheil kündigt sich an, wenn fünf Bässe unter hektisch gesetzten Bögen vibrieren. Wer ist eigentlich für den sonoren Flugzeugmotorenklang verantwortlich, der sich aufdrängt? Motorsägen scheinen obendrein imitiert zu werden. Die industrielle Geräuschwelt abseits von Robotereinsatz und CAD wird lebendig. Sind wir zeitweilig auch in einem Sägewerk zu Gast? Man muss es angesichts des Geräuschteppichs, dem wir ausgesetzt sind, annehmen.
Unablässig scheint ein Luftstrom im Raum zu sein, jeden Winkel einzunehmen, mit auf- und absteigenden Luftbahnen. Gleichförmigkeit scheint durchaus mit im Spiel zu sein, also eine angenommene Entwicklung von leichtem Windzug zum Orkan nicht vorhanden zu sein. Gibt es also gar keine Entwicklung, sondern nur ein Kontinuum ohne Höhepunkt?
Oh, da scheint auch kurz mal Hochtöniges wahrnehmbar, aber das wird von dem tieftönigen Schwirren, Schnarren, Gurren und Flirren verdrängt. Gebläse trifft auf Gebläse, Motorengesurre auf Motorengesurre. Unterbrechungen gibt es nicht. Unablässig ist der naheliegende Begriff für das, was wir hören. Und dann ist da auch noch Obertonsingen Teil der klanglichen Inszenierung.
Würde man statt der musikalischen Inszenierung zu „Fundament A“ Farbe auf einer Leinwand aufbringen, so müsste man dies wie die „Jungen Wilden“ tun: gestisch, mit großen Bewegungen, die auch dem Informel eigen sind, denkt man zum Beispiel an K. O. Götz.
Nur als kurzes Intermezzo wird „blow“ gespielt, ehe das zweite Fundament gegossen wird: „Fundament B“. Didgeridoo oder nicht? – das ist anfänglich die Frage. Doch die Instrumentierung macht deutlich, dass ein ausgehöhlter Eukalyptus-Ast nicht dazugehört. Möglicherweise ist es Matthias Muche, der mittels seiner Posaune Didgeridoo-Klänge erzeugt. Im weiteren dringen „gequetschte“ Tonsequenzen ans Ohr des Zuhörers, vereinen sich gestrichene Bässe zu einer ganz eigenen Klangwelt der Erregungen. Wie auch bei „Fundament A“ tauchen wir des weiteren in ein Klangkontinuum ein, das weniger Improvisation als Geräuschmusik umfasst. Würde man begleitend zu Fundament B einen Spachtel in Farbe tauchen und diese auf Malgrund verteilen, dann müsste man tiefes Blau, Petrolgrün und Umbra mischend ein bewegtes Farbmeer schaffen.
Rotierendes Gebläse trifft im weiteren musikalischen Geschehen auf Zischen, Atemrauschen, Flirren, Rülpsen, Gurren, Gurgeln … Das Tieftönige ist für den Moment weitgehend ausgeblendet. „Stakkatosetzungen“ sind vernehmbar. Fanfarenrufe erklingen kurz, ehe die nachfolgenden Passagen an einen ratternden Zug denken lassen. Hier und da denkt man auch an das Geräusch eines rotierenden Betonmischers. Immer wieder hört man „ätzende“ Posaunenintermezzos. Klangliche Walzen werden in Bewegung gesetzt. Klopfgeräusche sind Beimischungen genauso wie ein kurzes Schwirren. So erscheint dann auch „Fundament B“ als ein Geräuschfuriosum von A bis Z.
Zum Schluss heißt es dann: „earth“. Bodenständigkeit scheint angesagt, oder?
Text: © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht public commons!
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