FREE IDIOTS - Parapaddam Grzn Pss
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alessa records ALR 1041
Die Band besteht aus Alexander Loewenstein (Alto Sax), Markus W. Schneider (Guitar) und Lukas Aichinger (Drums). „Eins Punkt Punkt“, der Song, mit dem das Album eröffnet, stammt aus der Feder des Altsaxofonisten Alexander Loewenstein. Hingegen sind für Kompositionen wie „Frage Nicht“, „Nackter Ast“ und weitere der Schlagzeuger Lukas Aichinger verantwortlich. Schließlich sind zusätzlich noch fünf Kompositionen vom Gitarristen Markus W. Schneider zu hören, so „Parappadam Grzn Pss“„68“, „Pan Spermie“ und als Schlussakkord des Albums „Freeselling“.
Um sich „Freie Idioten“ zu nennen, muss man wohl schon eine Menge Ironie und Sarkasmus besitzen. Der Wortkern bedeutet, aus dem Griechischen kommend, zunächst Privatperson in Abgrenzung zum Gemeinwesen. Die negative Bedeutung wie Narr, Vollpfosten, Stümper oder Pfuscher kam später auf. Ähnliches gilt für die Nutzung des Begriffs für einen Menschen mit geringem Bildungsgrad. Angesichts dieses Bedeutungswandels fragt man sich schon, in welchem Sinne eigentlich die drei Wiener Musiker ihren Bandnamen verstehen wollen.
„Free Idiots sind ein eklektisches Jazztrio aus Wien - in etwas ungewöhnlicher Besetzung. Eine Konstellation, die ein hohes Maß an Verantwortung von jedem einzelnen Musiker fordert. Die aber mehr Offenheit zulässt. Da klassische Funktionszuweisungen der Instrumente so nicht gelten und gewisse Erwartungshaltungen gar nicht erst entstehen.“ Das ist die Beschreibung der Band durch den Jazzmusiker Christoph Cech.
Nicht „Punkt, Punkt, Komma, Strich“ lautet der Eröffnungstitel des Albums, sondern „Eins Punkt Punkt“: Mit Crescendo wird der Song eröffnet. Da brüllt und schnarrt das Saxofon gemeinsam mit der Gitarre, die in starken Vibrationen die Luft zum schwirren bringt. Ist das Rock oder Jazz? Das mag jeder selbst entscheiden.
Nach der anfänglichen musikalischen Eruption verfolgen wir im Weiteren eine Abschwunglinie, bei der der Drummer seine Sticks über die Bleche zieht, sodass der Zuhörer Gänsehaut bekommt. Einschmeichelnd gibt sich der Gitarrist Markus W. Schneider, derweil der Saxofonist Alexander Loewenstein sein Atemrohr Wellenschlägen und Springfluten gleich ertönen lässt.
Fürwahr die Titel des Albums sind alle gewöhnungsbedürftig, so auch „Nackter Ast“. Da fragt man sich, ob man denn wohl auch von einem „bekleideten Ast“ im Sinne eines belaubten Astes sprechen kann? Ein Schnalzen und ein tieftöniges Saitenschnarren paaren sich mit einem kurz gehaltenen Schlagwerk. Im Weiteren gelingt dem Saxofonisten ein Aufbäumen, dem dumpfer Saitenklang beigegeben ist. Nach und nach löst sich der Saxofonist Alexander Loewenstein aus einer tonalen Befangenheit und enteilt Schritt für Schritt in einen eigenen Klangraum. Kommentierend dazu scheint sich der Gitarrist Markus W. Schneider zu verhalten. Dabei steht er im Schatten des Saxofonisten, dessen Altsaxofon sich in tonale Eskapaden verliert, um dann nach und nach in ruhige Fahrwasser zu gelangen.
Auch eine „richtige Puppe“ („Real Doll“) steht auf dem Programm des Wiener Trios: Sehr rockig und bisweilen auch ein wenig mit einer Mischung aus Chicago und Blood Sweat Tears kommt dieser Song daher. Doch in den Phasen der Paraphrasierung des Saxofons verbunden mit dem „anarchistischen Gitarrenschlag“ hat dieser Song so gar nichts mehr mit dem Rock der 70er und 80er Jahre zu tun. Nein, vielmehr muss man an Free Jazz vom Feinsten denken. Dabei röhrt es in diesem Stück gewaltig. Nicht Hightech steht auf dem Zettel, sondern Handgemachtes. Verfremdeter Maschinenlärm ist zu vernehmen. Wo aber ist das Mädchenspielzeug, die Puppe, abgeblieben?
Neben „Schwarzem Holler“ wurde auch „Roter Holler“ von der Wiener Band vertont. Holler ist ein anderer Begriff für Holunder – das sollte man doch schon wissen. Ob man wirklich Fruchtiges zu hören bekommt, muss man selbst herausfinden. Über weite Strecken – das ist dem Saxofonisten zu verdanken – entwickelt sich eine durchaus dem Ohr schmeichelnde Melodielinie.
Titelgebend für das Album ist der Song „Parappadam Grzn Pss“, was immer das auch bedeuten mag. Alarm, Alarm signalisiert das Saxofon zu Beginn des Songs, dabei ganz auf sich gestellt, ehe sich dann das Saiteninstrument auch mal hören lässt. Im Weiteren drängt sich der Eindruck verzögerter Sequenzen auf.
Zum Schluss präsentiert das Dreigespann eine Art Ausverkauf: „Freeselling“. Dabei erweist sich das Saxofon als „Gegenläufer“ zu den steten auf und ab bewegenden Melodiewellen, die der Gitarrist mit seinen schwingenden Saiten erzeugt. Zwischenzeitlich steht auch mal das ganz und gar Melodische im Fokus, auf das sich Gitarrist und Saxofonist verständigen können. Sphärische Anmutungen hat das Trio in diesen Song gleichfalls verwebt. Bisweilen meint man, atmosphärische Störungen im Kurzwellenbereich zu vernehmen. Zu hören ist außerdem das Heulen des Windes, mit dem dann der Song sein Ende findet.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
alessa records
http://www.alessarecords.at/jazz-art
Musiker
https://free-idiots.com
https://free-idiots.com/audio/