Franco Ambrosetti - Lost Within You
F
Unit Records
Die vorliegenden Aufnahmen sind dem Franco Ambrosetti Quintett geschuldet. Zur Band des Flügelhornisten Franco Ambrosetti gehören Jack DeJohnette am Schlagzeug, Scott Colley am Bass, Uri Caine am Klavier und John Scofield an der Gitarre. Das aktuelle Album entstand an drei Aufnahmetagen in den New Yorker Sear Sound Studios in der oben genannten Besetzung; lediglich am Piano nahm für vier von neun Tracks alternierend Renee Rosnes Platz. Was nunmehr vorliegt ist ein reines Balladen-Album, mit einem in warmen Klängen und fließenden Tongebungen eingebundenen Flügelhornisten. Neben Eigenkompositionen wurde auch der Johnny- Green-Standard „Body and Soul“ eingespielt. In diesem mit Paraphrasierungen über elf Minuten dauernden Stück zeigt sich wie auch in anderen Stücken des Albums, dass Ambrosetti im Be-and-beyond-Bop tief verwurzelt ist. Dabei schafft es das Ensemble flächige Begleitungen mit Swing-Mustern anzureichen. Na ja, wer sehr aufmerksam der Adaptation von „Peace“ aus der Feder von Horace Silver lauscht, der wird hier und da auch sogenannte „Monkismen“ erleben.
Übrigens, Ambrosetti gilt als Doyen des europäischen Jazz und wurde als „Chevalier des Arts et des Lettres“ ausgezeichnet. Zu seinen Wegbegleitern zählten und zählen u.a. Kenny Clarke, Cannonball Adderley, Dexter Gordon, Phil Woods, Michael Brecker, Steve Coleman, John Scofield, Greg Osby, Geri Allen und Kenny Barron. Ambrosetti ist außerdem die Existenz des Jazzfests von Lugano zu verdanken.
Mit „Peace“ wird die Welt des Jazz der 1950er Jahre eröffnet. Zu hören sind zudem “Silli In The Sky”, “Love Like Ours”, “Dreams Of A Butterfly” sowie “Body and Soul”. Mit “Flamenco Sketches” und “You Taught My Heart to Sing” wird das Album abgerundet.
Zu Beginn des Albums hören wir kristalline Klänge, die an Lichtreflexionen auf der Wasseroberfläche denken lassen oder das Bild von feinsten, auf das Wasser niedergehenden Regentropfen beschwört. Der Pianist Uri Caine setzt nachfolgende von Pausen gebrochene Akkorde, die eine gewisse Schwere zum Ausdruck bringen. Und dann, ja dann erhebt Ambrosetti seine Stimme für den „Frieden“, getragen, samten, mit langem Atem vorgetragen und an eine Hymne für das fragile Gut Friede erinnernd. Begleitet wird er dabei von Caine an den schwarzen und weißen Tasten. Und auch John Scofield zeigt sich am Beginn des Albums solistisch, paraphrasiert das, was Ambrosetti zuvor in großen Bögen entwickelt hat. Scofield entwickelt dabei ein klangliches Fadengewirr, dem man aber einfach folgen kann, auch dann, wenn der Bass für Bodenhaftung sorgt. Der Wechsel von Solopartien und „Duetten“ macht nicht nur den Reiz der Interpretation des Stücks von Horace Silver aus, sondern durchzieht das gesamte Album.
Bauschige Klangwolken erleben wir bei “Silli In The Sky”. Dabei ist Franco Ambrosetti die ganz entscheidende Stimme, aber auch der Pianist verführt durch sein dahin rinnendes Spiel auf den Tasten, das von Leichtigkeit erzählt. Mit schmeichelndem Klang zeigt sich danach John Scofield. Wieder einmal wird das Quartett in seine einzelnen Segmente aufgespalten, erhalten Ambrosettis Mitmusiker Raum der Entfaltung, auch wenn die fein ziselierten Klangmuster des Flügelhornisten den einen oder anderen Hörer berauschen und in Gänze einnehmen. Dunkle Klangfärbungen, die auf perlendes Tastenspiel stoßen, sind für Momente in “Love Like Ours” auszumachen. Getragen ist das Spiel des Flügelhornisten. Beinahe möchte man sogar von wehmütig und melancholisch reden, auch wenn es um Liebe geht.
Mit einem Drumming-Solo eröffnet „Body and Soul“ , ehe dann Franco Ambrosetti in Begleitung des Pianisten zu erleben ist, sich ganz und gar dem Duktus einer Ballade verschreibend. Perlendes Tastenspiel gepaart mit einem bisschen Pling und Plong vernehmen wir und dazu weitgehend weiches Drumming. Doch auch weite Bögen werden durch den Pianisten gespannt. Im Verlauf lauschen wir zudem harten Tastensetzungen neben diskanter Verspieltheit. In diese mischt sich dann der Bassist auf seine ganz eigene Weise ein. Ein Bild zu dieser Musik wäre ein verrauchtes Kellergewölbe mit späten Gästen, die bei einem Jam zugegen sind, dabei die sogenannte blaue Stunde erlebend. Zum Schluss noch eine Bemerkung zu „Flamenco Sketches“: Nein, einen feurigen Beginn und das Klacken von Absätzen auf Dielenbrettern hören wir nicht. Statt dessen stimmt Ambrosetti auf seinem Horn einen ganz eigenen Gesang an, der so gar nicht an Flamenco-Rhythmik angelehnt ist. Erst nach und nach vernimmt man den typischen Rhythmus von Flamencotanz und - gesang. Dabei scheint sich die Stimme des Flügelhornisten zu überschlagen, scheint gebrochen, ehe der Pianist in kaskadierende Muster verfällt und die übrige Rhythmusgruppe das Stampfen der Flamencotänzer imitiert. Olé!
© ferdinand dupuis-panther
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