Filippa Gojo 4tet: Nahaufnahme
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Ajazz
Für ihre „Nahaufnahme“ hat die aus Vorarlberg stammende und in Köln beheimatete Vokalistin Filippa Gojo sich die folgenden Musiker ausgesucht: Sebastian Scobel (piano, fender rhodes), David Andres (double bass, el. Bass) und Lukas Meile (percussion).
Schon ein Blick auf die einzelnen Kompositionen verrät, dass wir eher Fernsichten zu Gehör bekommen als denn Nahaufnahmen, entführt uns doch das Quartett unschwer an „O Pássaro Amarelo“ oder „Confusão“ auszumachen, an den Zuckerhut, jedenfalls musikalisch. Filippa Gojo präsentiert in „Saga“ auch Mundartliches und lässt uns die „Rush Hour“ erleben, ehe sie uns in den „Train Of Thought“ einsteigen lässt.
Es gibt, das ist heute recht selten geworden, ein Booklet mit den Texten, die die Gewinnerin des NEUEN DEUTSCHEN JAZZPREISES 2015 Filippa Gojo stimmlich punktgenau umsetzt. So kann man nachlesen und besser verstehen, worum es der Kölner Vokalistin im Kern geht. Keine Sorge, Portugiesisch-Leistungskurs ist nicht erforderlich. Der überwiegende Teil der abgedruckten Texte ist in Englisch, einer in Vorarlberger Mundart!
„O Pássaro Amarelo“ beginnt mit dem spezifischen Klang der aus Nigeria geläufigen, tonigen Udu, deren Klang durch den ganzen Körper geht. In diesen Farbklang fällt Sebastian Scobel mit einem aufrührerischen Spiel auf den weißen und schwarzen Tasten ein, ehe Filippa Gojo ihren Gesangspart eröffnet, auf Portugiesisch, aber abseits von „The Girl From Ipanema“. Stattdessen hören wir die Geschichte eines gelben Vogels mit sehr schönem Gefieder, der auf Brautschau ist und gerne freigelassen werden möchte. Tänzelnd und voller Unruhe ist der gefiederte Freund, so erläutert es der Bass mit seiner verhaltenen Tiefsinnigkeit. Darüber hinaus mischt sich am Klavier Sebastian Scobel ein, der für eine heitere Note sorgt. Im Verlauf denkt man, Scobel sei die musikalische Rolle zugefallen, den Vogel fliegen zu lassen. Was wir hören, hört sich nämlich wie der Flügelschlag des Piepmatzes an.
Ja, Bossa gibt es auch, als Balsam für die Seele: „ Confusão“ – und das ist keine „Konfusion“, wenn – so der Songtext – „ich deine Hand auf meiner fühle und deine Stimme aus der Dunkelheit dringt“. Irritiert ist man eher über den Gesang von Filippa Gojo über ein Megafon. Über dieses taucht sie auch in Scat Vocal ein mit Wouwoudadajababado und anderen Lautmalereien, die sich dramatisch zuspitzen. Bisweilen hat man gar das Klangerlebnis einer wimmernden E-Gitarre. Das liegt aber gewiss auch an den Verzerrungen, die dem Megafon geschuldet sind.
Jazz Vocal vom Feinsten präsentiert uns die Kölner Vokalistin mit „The Curtain“. Dabei zeigt sie sich mit einer tragenden Stimme. Ja, da liegt wirklich Volumen in der Stimme. Es gibt keine Unsicherheiten, Töne können gehalten werden und brechen nicht ab. Auch wenn man wie ich nicht unbedingt auf Jazzgesang steht, muss man neidlos die Leistung Gojos anerkennen. Sie ist in der Lage, Höhen und Tiefen zu liefern und den Vortrag zu dramatisieren, wenn es heißt: „Looks turn into hunting eyes / You can't trust anyone now / if not even yourself. / The guard you had turned into a cloud of wind and ice ...“. Dabei verschränkt sich Poesie mit bitterer Erkenntnis.
Mit einer Basseinleitung wird die „Saga“ erzählt. Mundartlich vergleicht Filippa Gojo einen See mit ihrer Seele, entführt uns in einen Märchenwald, der die Sicht versperrt. Begleitet wird sie dabei vom Bass und vom Rhodes, die sehr lyrisch daherkommen. Verhalten und im Hintergrund sind Udus zu hören. Vom Tempo und den Harmonien her ist der Song sehr geeignet, sich einer Tiefenentspannung hinzugeben.
Das Gegenteil signalisiert „Rush Hour“: „I don't have the time / to free up my mind ...“. Der Gesang erscheint zu Beginn eine Art Stakkatoduktus zu haben, ehe es dann in einen „langsamen Walzer“ übergeht. Wir besteigen mit Filippa Gojo einen Heißluftballon, der uns nach Australien, Brasilien und Andalusien bringt. Derweil hören wir Anlehnungen an Jazz Rock und „Latin-Swing“, gerade dann, wenn Lukas Meile mit seinen Händen auf die Congas schlägt und Sebastian Scobel die Heimorgel sehr rotzig-rockig ertönen lässt.
Klatschen und Heidodidein – gesungen von Filippa Gojo – stehen am Anfang von „Train of Thoughts“. Zwei- und dreistimmig geht es weiter – Loops machen es wohl möglich. Irgendwie muss man dabei auch an das Rattern eines Zuges über Gleise denken, zumal Udu und Piano auch ins Rattern mit einfallen. Darüber singt Gojo die Lyrik des Songs wie „Season pass, a spiral accelerating the roller-coster ride ...“ - dabei zwischen Jazzgesang und Singer/Songwriter balancierend.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Ajazz
https://jazzworks.bandcamp.com/
http://ajazz.de/start/artists-2/
Filippa Gojo
http://www.filippagojo.de/
https://www.facebook.com/Filippa-Gojo-Quartett-203701406327406/