Federica Colangelo Acquaphonica - Endless Tail
F
Folderol Records
Zu hören ist auf dem Album ein klassisches Jazz-Quartett bestehend aus: Federica Colangelo (piano), Michele Tino (saxophones), Marco Zenini (double bass) und Ermanno Baron (drums). Sie präsentieren uns „Spigoli“, „Frammenti“ und „Dancing Figure“ sowie „Spazi pieni e vuoti“, „Studio n. 1“ und am Schluss „Aftermath“.
Vor der Besprechung noch ein paar Worte zum Cover des Albums. Es handelt sich um ein Aquarell und zeigt einen in wässriges Blau getauchten Flügel, an dem ein „Schattenwesen“ sitzt. Gehalten wird der Flügel von einer Hand. Es scheint so, als würde der Flügel aus den Fluten des Meeres gehoben. Insgesamt erscheint das Cover zum Bandnamen passend. Muss man jetzt etwa „Wassermusik“ jenseits von Händel erwarten?
„Spigoli“ (dt. Kanten, Ecken, scharfe Kanten) macht den Anfang der musikalischen Präsentation. Diese Komposition verleitet aufgrund des Titels schon dazu, genau die Ecken und Kanten des Stücks auszuloten, oder? Die Frage der Linienführung ergibt sich zwischen Pianistin und Saxofonist. Die Wortgewalt des Saxofons ist offensichtlich, auch wenn Michele Tino durchaus einen sanften Klangschlag an den Tag legt. Dabei schwirrt das Saxofon über den behäbig gesetzten Basslinien. Für Wirbel sorgt außerdem Ermanno Baron. Derweil schweigt die Pianistin und überlässt dem Saxofonisten das Feld und die Klangfärbung. Ecken und Kanten sind wirklich nicht auszumachen, auch nicht im Solo der Pianistin. Da ist eher ein sehr lyrisch angelegtes Spiel im Distant zu hören, immer nahe an brechenden Kristallstrukturen.
Wie fragmentiert kommt eigentlich „Frammenti“ (dt. Fragment) daher? Vorab: Brüche sind nicht auszumachen. Schwebende Klangmodule des Saxofonisten liegen über dem teilweise redundanten Tastenspiel von Federica Colangelo. Sobald deren Solo zu hören ist, setzen sich fortlaufende Klanglinien durch. Dabei erinnern diese bildlich gesprochen an leicht zu umschiffende Stromschnellen. Wie tanzende Blätter im Wind muten die Sequenzen des Saxofonisten im Anschluss an das Piano-Solo an. In der Bewegtheit dieser durchaus weichen Holzbläserpassagen kann man auch an das Getanze von Papierdrachen in der Thermik denken.
Bei „Dancing Figure“ muss man eher an die jungen Tänzerinnen in den Gemälden von Edgar Degas denken, also an Pirouetten drehende grazile Tänzerinnen, auch wenn das Tempo in der Mitte der Komposition zunimmt. Doch die melodischen Linien wecken keine Assoziationen an wilde Tänzer auf dem Parkett. Vielleicht ist noch an modernen Ausdruckstanz mit langsamen Bewegungen bzw. in Zeitlupe zu denken, insbesondere beim Bass-Solo von Marco Zenini. Unter Umständen kommt dem einen oder anderen Zuhörer außerdem die sich drehende Tanzfigur einer Spieluhr in den Sinn.
„Spazi pieni e vuoti“ (dt. volle und leere Räume) steht nachfolgend auf dem Programm. Auch in diesem Stück wird deutlich, dass die Stimme des Saxofons dominant ist, den Raum füllt, teilweise abgelöst von tiefen Basslinien, die die Pianistin anspielt. Diese ergeht sich zudem in tänzelnden Figuren, über die sich der Klang des Holzblasinstrumentes schiebt. Im Hintergrund agiert zeitweilig der Bassist, immer im Schatten von Piano und Saxofon stehend. Die im Bass gegründete Stimmlage ergreift ab und an die Pianistin, die sich in diesem Stück auch in Klangkaskaden zuhause weiß. Selten genug ist der Bassist deutlich wahrnehmbar. Immer wieder wird er durch die Klangwiederholungen verdrängt, die dem Piano entspringen. Klangliche Springfluten entwickelt die Pianistin obendrein, mal mehr und mal weniger in den Vordergrund gestellt.
Und zum Schluss heißt es „Aftermath“ (dt. Nachwehen): Vorab: Es ist die von der Dauer her kürzeste Komposition des Albums. Ausgangspunkt sind bedrohlich klingende Klavierpassagen im Bass, begleitet von einem nervös gestrickten Schlagwerkmuster. Daraus entwickelt sich eine ansatzweise Wagnersche Dramatik. In dieses Stück ist auch ein kurzes Schlagwerksolo eingebettet, ehe sich die Pianistin in ihrem Spiel auf eine Art wiederkehrendes Meeresgrollen versteigt. Nur selten vernimmt man hinfort klangliche Aufheiterungen.
Text: © ferdinand dupuis-panther
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