FC Fritsche: Raum
F
Hey Music
Der FC Fritsche ist eine feste Größe in der Szene des Ruhrgebiets. Felix Carlos Fritsche (alto sax, clarinet, composition), der Bandleader, ist nicht nur mit seiner eigenen Band unterwegs, sondern auch Mitglied von „The Dorf“ und dem „Essener Jazzorchester“. Gemeinsam mit Simon Camatta (drums), Johannes Nebel (e-bass), Jakob Helling (rhodes) und Sebastian Gerhartz (alto sax, clarinet) hat er die vorliegende CD eingespielt. Alle Musiker sind Absolventen der legendären Folkwang Universität. Unterdessen hat die Band zwar einen anderen Mann am Rhodes, aber noch stets tritt sie im Ruhrgebiet, wie beim JOE Festival 2016, aber auch an anderen Orten auf.
Sechs Titel wurden aufgenommen, angefangen von „Fluchtpunkte“ über „Phasen“ und „Torkl“ – wohl in Erinnerung an einen Heimweg nach durchzechter Nacht – sowie am Schluss „Das alte Problem“. Nicht auf der CD vorhanden ist „Das ist wirklich das Letzte“, ein Titel, der als Zugabe besonders geeignet erscheint und häufig vom 5tet bei Live-Konzerten gespielt wird.
Was erwartet man bei einem Titel wie „Fluchtpunkte“, mit dem das Album aufmacht? Der Begriff bezieht sich auf Bildwirkung und Bildaufbau. Schaut man in den Duden, dann erfährt man als Definition: „Punkt eines perspektivischen Bildes, in dem solche Linien zusammenlaufen, die in der Wirklichkeit parallelen Linien entsprechen.“ Wie also setzt man diesen Begriff musikalisch um? Sucht man dazu verschiedene Ebenen durch die jeweiligen Instrumente nachzuzeichnen? Muss man eine lineare oder sich kreuzende Struktur spielen? Muss das Spiel offen sein, um es dann in einem Punkt zu bündeln?
Was wir zu Beginn hören, ist der „Gleichklang“ der beiden Altsaxofone und ein deutliches Klickklick des Schlagwerks im Hintergrund. Danach rührt sich der Mann am Bass, brummend und vom Rhodes begleitet. Tickticktick und Klickklick – so hört sich das Tun des Schlagzeugers an. Über einen Basston legt der Mann am Rhodes seine Phrasierungen, die irgendwie ausufernd scheinen. Die nachfolgenden Saxofonphrasierungen sind so gestaltet, dass sie mehr und mehr ausschweifen, als sich auf einen Punkt zuzubewegen. Doch dann ist das Thema präsent. Also ist das 5tet dann doch auf den Punkt gekommen.
Mit „Phasen“ geht es weiter. Ist dabei von Phasen von Schwingungen und Wellen auszugehen? Meint der Begriff vielleicht auch nur Zeitabschnitte, worauf sich dann der Titel der Komposition bezieht, die aus der Feder von Felix Carlos Fritsche stammt? Ginge es um Schwingungen und Wellen, dann müsste man wohl unterschiedliche Phrasierungen von Saxofon und Rhodes oder Bass hören, gleichsam als die Umsetzung von Wellen unterschiedlicher Frequenz.
Beinahe aus dem Off rührt sich das Saxofon. Es scheint so, als würde mit einem sanften und durch Pausen unterbrochenen Spiel, also aus einer Mischung von Stille und Nicht-Stelle, ein Schema geboren werden. Die tonalen Ausschläge sind schwach. Es hört sich an wie ein Auf und ein Ab. Bisweilen hört man den Atem des Saxofonisten, der ins Rohr bläst. Einen „Dreiklang-Teppich“ fügt das Rhodes dem Auf und Ab hinzu. Die beiden Saxofone scheinen sich im weiteren Verlauf in ihren tonalen Äußerungen zu verschränken. Das Bild von Vor- und Nachlauf stellt sich beim Hören ein. Außerdem nimmt die Intensität zu, mit der die beiden Altsaxofonisten zur Sache gehen. Zugleich vereinen sie sich mehr und mehr in ihrem Spiel und schwimmen nicht mehr auf zwei Wellen, sondern auf einer, so der Eindruck.
„Torkl“ legt die Assoziation nahe, es ginge ums Nachhausetorkeln mit dickem Kopf, jedenfalls, wenn man nur auf die Begrifflichkeit schaut. Hört man sich die Komposition an, erscheint diese Assoziation m. E. eher fern. Kein Stolpern, kein Festhalten, kein unsicherer Gang ist der Musik zu entnehmen, die eher sehr lyrisch gefasst ist. Man könnte vielleicht von einem Schleichen über nächtliche Straßen sprechen, folgt man den Saxofonen. Lallt da das eine Saxofon? Das muss wohl ein Hörfehler sein. Irgendwie hat man den Eindruck, wenn man der Musik folgt, dass der Nachhauseweg immer länger und länger ausfällt. Eile sieht gewiss anders aus.
Nach „ENG“ und „MD“ – wofür steht das Kürzel eigentlich? – folgt dann zum Schluss „Das alte Problem“, überaus melodiös angelegt. Beschwert sich da das eine Saxofon? Irgendwie scheint Aufregung im Spiel, so mein Eindruck. Unterstellt man eine Beziehung von menschlicher Stimme und Saxofonklang – das ist durchaus angezeigt -, so meint man, im Verlauf der Komposition Tiraden mitzubekommen. Weder Bass noch Rhodes bringt das außer Fassung. Danach erfolgt eine Art Gegenrede. Sie klingt auch nach „Ist doch alles nicht so schlimm!“ und nach „Mach mal halblang“.
Mit dieser frischen Nummer endet das sehr hörenswerte Album, das im Rahmen des Studienabschlusses von Felix Carlos Fritsche entstanden ist.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Musiker
Felix Carlos Fritsche
http://www.felixfritsche.de/
http://www.felixfritsche.de/kapellen/
http://www.felixfritsche.de/heisse-streifen/
http://www.nrwjazz.net/anfrage/jazzdatenbank/musikerportrait.php?musiker=241
Interview
http://www.jazzhalo.be/interviews/felix-carlos-fritsche-interview-mit-dem-essener-altsaxofonisten-und-klarinettisten-u-a-the-dorf-fc-fritsche/
Simon Camatta
http://simoncamatta.de
https://soundcloud.com/simoncamatta
http://www.dasgrosseding.yolasite.com/
http://simoncamatta.de/solo.php
http://simoncamatta.de/knu.php
http://simoncamatta.de/vinyl-cd-dvd-download.php
Interview
http://www.jazzhalo.be/interviews/simon-camatta-im-gespraech-mit-dem-aus-essen-stammenden-schlagzeuger/
Joe Festival 2016
http://www.jazzhalo.be/reviews/concert-reviews/20-joe-festival-tag-2-vom-fc-fritsche-in-die-koelner-subway/