Fabiana Striffler - Sweet And So Solitary
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Traumton Rec.
Die Violine ist im Jazz und im Rock eher eine Außenseiterin. Ja man kann einwerfen, dass mit Didier Lockwood oder Jean-Luc Ponty die Violine auch im Jazz in den Fokus gerückt wurde und dass mit The Flock auch in der Rockmusik eine Geige zur Instrumentierung gehört. Doch im Gegensatz zur klassischen Musik wird sie in den genannten Genres mehr als nur stiefmütterlich behandelt oder aber Jazzensembles vereinen sich wie im Falle von Stephan Mattner mit einem Streichensemble und auch der belgische Gitarrist Philip Catherine hat für sein Spätwerk die Nähe zu einem Streichorchester gesucht. Wie gesagt, all das sind Ausnahmen.
Es verwundert also nicht, dass die Violinistin Fabiana Striffler zunächst in klassischen Ensembles und Orchestern gespielt hat, ehe sie sich dem Jazz zuwandte. Sie gehört zum grandiosen, durch unterschiedliche Stile wildernden Andromeda Mega Express Orchestra. Daneben spielt die 30-jährige Wahl-Berlinerin seit Jahren regelmäßig Seite an Seite mit Greg Cohen (Tom Waits, John Zorn u.a.). Außerdem hat sie mit John Hollenbeck und Kurt Rosenwinkel, Kwabs und Awa Ly, Sarah Connor und der Afrobeat-Band Polyversal Souls zusammengearbeitet. „Sweet And So Solitary“ ist das Debütalbum ihres Trios, zu dem die Sängerin Friederike Merz und der Pianist Johannes von Ballestrem gehören. Merz und Ballestrem sind ebenfalls tief in der Klassik verwurzelt, wenn sie mittlerweile auch Fuß im Jazz gefasst haben. Friede Merz war zum Beispiel Bestandteil des Chors von Max Andrzejewskis Hütte, Ballestrem an der Seite von Anna-Lena Schnabel und mit seiner eigenen Band zu hören.
Die vorgestellten Kompositionen tragen Titel wie „Milchstraße“, „Morgenstern“ oder „Sennerglück“, aber auch „Eigensinnig“ oder „Abend“. Nicht minder ungewöhnlich sind Kompositionstitel wie „Hemme nicht deiner Seele Flug“ und „Raumschiff über Nusa Penida“. Ungewöhnlich sind auch die Klangfärbungen, so kamen im Arrangement zu „Abend“ zehn Keramikschalen, an anderen Stellen Mandoline, E-Gitarre oder Synthesizer zum Einsatz. „Obwohl wir in unserem Leben viel an der Perfektionierung unseres Spiels gearbeitet haben, wollte ich bewusst auch die unakademische Seite jedes Einzelnen mit einbeziehen.“, so Striffler in einer Kommentierung. Und noch etwas stellt die Bandleaderin heraus, nämlich die Rolle des Gesangs: „Die Stimme ist vielleicht das unmittelbarste Instrument, und ich wollte sie in ihrer Ursprünglichkeit einsetzen“.
Dichtkunst von Sören Kierkegaards und von Diego L. Monachelli wurde ebenso vertont wie Verse aus Strifflers Feder. Den Song „Black & Purple“ am Ende des Albums singt Striffler selbst. Nun ja, die Verbindung von Poesie und Musik im Jazz gilt auch eher als Außenseiter, unabhängig von dem legendären Gespann Schlüter-Naura-Rühmkorf, das über Jahrzehnte eben den Spagat zwischen Wort und Ton suchte.
Klangschalen oder was? Das ist die Frage, sobald „Milchstraße“ erklingt. Oder sind es Klangstäbe oder gar ein präparierter Flügel? Kurz ist die Komposition und gleichsam die Intro zu „Morgenstern“, einer Komposition , die auch und gerade von der Kraft der Rezitation Friederike Merz‘ lebt. „Am frühen Morgen sah ich einen winzig kleinen ...“ so beginnt die Vokalistin ihren Vortrag. Im Hintergrund hört man Mandolinen- und Gitarrenklang. Der Vortrag erinnert im Übrigen stark an Weillsche und Eislersche Vertonungen. „Sennerglück“ kommt hingegen ohne Lyrik aus. Die Stimme von Merz wird zum lautmalerischen Instrument. Dabei scheint der Charakter eines Chansons bzw. Volkslieds nicht von der Hand zu weisen, insbesondere sobald Fabiana Striffler die Saiten der Geige mit dem Bogen zum Klingen bringt. Dabei wechselt der Charakter der Komposition, die bisweilen auch melancholische Momente aufweist und Sehnsüchte zum Ausdruck zu bringen scheint.
„Tollheit einer Vollmondnacht“ kommt sehr getragen daher. Von Ausgelassenheit ist überhaupt nicht die Rede, auch nicht im Gesang. Irgendwie wohnt dem „Lied“ eine gewisse „nordische Schwere“ im Sinne von Grieg und Sibelius inne, oder? Nachfolgend jedoch scheint es so, als sei alles in der Schwebe, werde ein Hohelied auf die Ungebundenheit, auf die Freiheit und das Losgelöstsein gesungen: „Eigensinnig“. Wie in anderen Stücken ist nicht zu überhören, dass die drei Musiker des Trios stark in der Klassik verwurzelt sind. Das gilt auch für das perlende Pianospiel. Sobald Fabiana Striffler das musikalische Geschehen mit ihrer Klangfärbung belebt, hat man nachhaltig diesen Eindruck. Die musikalischen Linien scheinen dann aber zeitweilig obendrein Tragik und Schicksalhaftigkeit zu vermitteln. Doch kaum hat sich der Hörer auf diese Klangfacetten eingelassen, scheint nachfolgend der Tanz auf dem Vulkan angesagt. Entfesselter „Stimm-Gesang“ trifft hierbei auf basslastiges Tastenspiel und lang gestrichene Geigensequenzen.
Dramatik und eher ungebundene Formen als in den „liedhaften Kompositionen“ scheint „Sweet And So Solitary“ aufzuweisen, mit und ohne Glockenschlag. Zugleich scheinen dem Stück auch Singer/Songwriter, Blues und Gospel beigemischt worden zu sein. Im Geiste scheint ein wenig „Riders in the Storm“ eine Rolle zu spielen, oder? Beim Hören mag der eine oder andere auch an Songs von und mit Marianne Faithful denken, auch wenn die Stimme von Friederike Merz weniger rauchig ist.
Kristalliner Klang vereint mit dem Bogenstrich auf den Geigensaiten machen das Stück „Der Mensch“ aus. Im weiteren Verlauf ergießen sich klangliche Rinnsale, vor allem dank von Ballestrem. Konzentrische Klangkreise werden außerdem präsentiert. All dies erscheint in einem sehr klassisch definierten Gerüst. Ob man nun dabei an Bartok oder Dvorak denken muss, sei dahingestellt.
Der „Abend“ wird mit Glockenklang eingeläutet. Klangstäbe werden ins Schwirren versetzt. Klangschalen werden angestoßen, so hat es den Anschein. „Black & Purple“, zugleich der Ausklang des Albums, vertraut hingegen auf den Klang einer E-Gitarre und hat eine gewisse Blues-Einfärbung.
Vielfach gewinnt man den Eindruck eines gänzlich strukturierten Albums ohne Raum für eigenwilliges Zipp und Zapp. Die Konturen scheinen vorgegeben; das Liedhafte scheint dominant. Die klassischen Konnotationen lassen sich dabei nie gänzlich wegwischen. Das ist gewiss nichts für Jazz-Puristen und Liebhaber von improvisierter, freier Musik!
Text © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht public commons!
Informationen
Fabiana Striffler: violin
http://www.fabianastriffler.com
Friederike Merz: vocals
https://de.wikipedia.org/wiki/Friederike_Merz
Johannes von Ballestrem: piano
http://www.johannesballestrem.de/