Zum vierzehnten Mal veranstaltet Jazzzolder nunmehr dieses feine Festival, das in diesem Jahr zeitgleich mit Jazz in‘t Park (Gent) stattfand – welche Konkurrenz, bedenkt man die bekannten Namen der belgischen Jazzszene wie Aka Moon und MikMääk, die in Gent auftraten. Nun gut, diese Zeitüberschneidung gab es. Das tat aber der Qualität des Mechelner Festivals überhaupt keinen Abbruch. Diesmal lautete das Motto von jazzathome: „Raum für das Piano“. Zu diesem Programmschwerpunkt bemerkte der Vorsitzende der Vereinigung Jazzzolder, dass mindestens die Hälfte aller ausgewählter Spielorte ein Piano haben und der Rest zumindest Raum für ein Piano.
Spotlight 1:
The winner takes it all - The AwkWords
Mechelen 7.9.2018
Im Breckpot fand das Eröffnungskonzert des Festivals statt. Dabei stand ein Trio auf der Bühne, das im letzten Jahr den JazzContest Mechelen gewonnen hatte. Der Gewinner gestaltet im Folgejahr dann stets das Eröffnungskonzert, so wie Baz Trio in 2019.
The AwkWords – das ist kein Schreibfehler, sondern Wortspielerei – ist ein klassisches Jazz-Trio. Zu diesem gehört der aus Brügge gebürtige Pianist Hendrik Lasure, der auch im Duo SCHNTZL die Jazzwelt in Europa aufmischte und 2015 den Wettbewerb von Vrijstaat O (Oostende) gewonnen hat.
Im gleichen Jahr wurde Lasure während des internationalen Jazz Concours in Avignon (Frankreich) als bester Jazzkomponist ausgezeichnet. Lasure studiert zurzeit am Königlichen Konservatorium in Brüssel bei dem Pianisten Diederik Wissels, dem Vokalisten und Komponisten David Lynx und dem Drummer Stéphane Galland (Aka Moon).
An der gleichen Musikhochschule ist auch der aus Italien stammende Bassist Federico Stocchi als Student eingeschrieben, mit dem Lasure zusammen das Trio The AwkWords aus der Taufe gehoben hat. Dritter im Bunde ist der aus Lyon stammende Paul Berne am Schlagzeug. Wie die zuvor Genannten war er Student am Brüsseler Konservatorium und lebt zurzeit in Paris.
Gut besucht war das Konzert, wenn auch leider nicht ausverkauft wie das Eröffnungskonzert im Vorjahr. Die, die gekommen waren, bereuten es gewiss nicht, denn „Piano-Jazz vom Feinsten“ wurde auf der Bühne des Festsaals im Breckpot zelebriert.
Kurz ein Wort zum Spielort – bei jazzathome sind es überwiegend historische Spielorte, die man besucht: Der Gildensaal mit dem Ambiente des 18. Jahrhunderts und dem Blick auf den Korenmarkt ist der größte Saal des Hauses und Konzertspielstätte. Der Kern des historischen Bauwerks, über Jahrhunderte von Kaufmannsfamilien genutzt, stammt allerdings aus dem 14. Jahrhundert.
Was es am Eröffnungsabend zu hören gab, war frischer Jazz mit Kompositionen aus der Feder von Frederico Stocchi, ob „Creamy“, „Party Stuff“ (allerdings rückwärts geschrieben!) oder „Lily 2.0“. Die Titel der Stücke schienen dabei mit Ironie und mit Augenzwinkern gewählt worden zu sein.
Zwei Sets spielte das Trio, das am Ende, wie schon versteckt angekündigt, auch eine Zugabe gab und sich bei allen Anwesenden, aber auch bei den „guten Geistern von Jazzzolder“ bedankte. Spielfreude und Spielwitz hatten die Drei mit nach Mechelen gebracht, was man während des gesamten Abends verspürte.
Ohne viel Worte ging es los, auch ohne Bandvorstellung – die folgte während der Sets. Allerdings wurde das jüngste Album „angepriesen“. Geschickt verstand es Frederico Stocchi dabei, den Preis offen zu lassen. Jeder möge das geben, was er geben wolle – so das Motto. Und das führte dann auch während der Pause zu einem wahren Run auf das Album.
Schlägel klopften zu Beginn des Abends stetig auf Felle. Gezupfte Saiten schwirrten und ließen Klangfolgen im Raum ertönen. Spielte Hendrik Lasure gar Clavichord? Mitnichten, aber er verstand es, durch geschicktes Zupfen der Flügelsaiten ein entsprechendes Klangbild heraufzubeschwören. Doch in der Folgezeit „verwandelte“ der Pianist des Trios den Flügel wieder in einen wahren Flügel: Tropfende Passagen vereinten sich mit Verwirbelungen. Hörte man da nicht gar ein Geläut? Im Pianissimo verharrte der Bassist, der die Saiten des Tieftöners zart zum Schwingen brachte. Wie feinster Nieselregen erschienen die Tonfolgen im hohen Register des Tastenmöbels. Schloss man die Augen, so konnte man sich Bilder von sprudelnden Quellen und Wasserrinnen vorstellen, lauschte man der Musik.
Lyrische Klangmuster erfüllten den Raum. An klirrendes, zerspringendes Eis musste man angesichts der Texturen denken, die die drei Musiker entwickelten. Es gab im weiteren ein Vor und ein Zurück, ein Hin und ein her, ein Suchen nach dem Weg. Man tauchte in Klangwasser ein, ließ sich mitnehmen und mitreißen, entdeckte das Grundthema hier und da und realisierte Tempo-Varianzen bis zum Schluss.
Wie ein Glasperlenspiel klang das, was nachfolgend zu hören war. Kristalline Tropfen trafen auf dunkles Geprassel. Beckengezitter und Bassverzagheit vereinten sich harmonisch. Klanglinien wurden entwickelt, auch und gerade durch den Pianisten des Trios.
Mit „Kind of Easy“ wurde schließlich der erste Set des Abends beschlossen. Dabei faszinierte das eine ums andere Mal die Spielfreude des Bassisten, der sich solistisch zeigte, behäbig, aber auch dezent. Lebenslust war im Verlauf der Komposition zu verspüren. Allerdings gab es kein losgelöstes Tralala zu hören. Kommentierend zeigte sich der Pianist in seinen Phrasierungen zu denen von Frederico Stocchi am Bass. Ein wenig New Age schwebte durch den Festsaal, als harfenähnliche Klangformen zu vernehmen waren, dank an das Fingerspiel von Hendrik Lasure.
Mit „Armless“ wurde der zweite Konzertteil eröffnet. Die Ausgelassenheit, die bei diesem Stück zum Ausdruck kam, war diszipliniert. Ausschweifungen gab es keine, aber dafür ein Blinkblink ab und an. Insgesamt schien das Stück an eine Ballade zu erinnern, jedenfalls den Berichterstatter.
Arschgeweih und Pogo waren angesagt, als „Party Stuff“ auf dem Programm stand. Die musikalischen Konturen waren in Bewegung. Tanzbares auf dem Plattenteller war zu vernehmen. Nur ein Vorwärts war angesagt. Engtanz gab es ebenso wie Small Talks – so jedenfalls konnte man das „plappernde Piano“ begreifen. Durch die Tiefen der Nacht trieb der Drummer Paul Berne seine Mitmusiker und auch das Publikum. Waren da nicht auch Anlehnungen an moderne Popsongs in die Komposition eingebunden worden?
Das vorletzte Stück des Abends namens „Where do I will go now“ schien wie ein Abgesang, wie der Abschiedssong in die Nacht. Doch mit „Creamy“ drehte das Trio nochmals auf, ließ Rock und Rock ´n Roll aufblitzen. Da arbeitete Paul Berne an Fellen und am Blech, so als gäbe es kein Morgen. Energielast entlud sich, und das Publikum zeigte sich begeistert, durch Zwischenrufe und Beifallspfiffe eindeutig zu vernehmen. Herzlicher Schlussbeifall war keine Frage, sodass die Zugabe kommen musste. Die Contest-Winner des letzten Jahres hatten voll und ganz überzeugt.
Weitere Informationen
Hendrik Lasure
https://lasurehendrik.wordpress.com/
https://www.jazzhalo.be/interviews/schntzl-interview-with-hendrik-lasure-and-casper-van-de-velde/
CD review
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/t/the-awkwords/
Paul Berne
https://www.facebook.com/paulbernedrummer/
Frederico Stocchi
https://www.facebook.com/federico.stocchi.77
Jazzathome Spotlight 2:
JazzTatort Predikherenklooster - Tutu Puoane Quartett
Mechelen 8.9.2018
Das vierflügelige Kloster und die Kirche, in der das heutige Konzert stattfand, wurden im 17. Jahrhundert errichtet. Im Zuge der Französischen Revolution wurde das Kloster aufgelöst und die Gebäude verkauft. Zeitweilig diente es als Militärhospital und die Kirche als Arsenal. Mit dem Ende des I. WK wurde der ehemalige Klosterkomplex in Kaserne Generaal Delobbe umbenannt und behielt bis 1977 seine militärische Funktion. Nach der Restaurierung des Komplexes in den vergangenen Jahren wird im ehemaligen Kloster die Stadtbibliothek ihre Bleibe finden. Geplante Eröffnung ist zurzeit Ende 2019!
In diesem Ambiente trat, wie im Vorwege zum Konzert kommuniziert, die „als eine der talentiertesten Jazzsängerinnen Flanderns und der Niederlande angesehene Sängerin“ Tutu Puoane auf, die aus Capetown (Südafrika) stammt, aber schon lange Zeit in Europa heimisch geworden ist.
Vier Alben brachte Tutu Puoane bisher heraus, zuletzt ‘iLanga’ (2014). Regelmäßig tritt die Sängerin mit dem Brussels Jazz Orchestra auf. Das Album ‘Mama Africa’, eine Hymne auf die Musik von Miriam Makeba, wurde mit dem South African Music Award (SAMA) ausgezeichnet. Bei dem Auftritt in Mechelen wurde Puoane von dem Pianisten Ewout Pierreux, dem Bassisten Clemens Van der Feen und dem Drummer Dré Pallemaerts begleitet.
Bei lauen Temperaturen hatte sich der Innenhof des Predikherenkloosters beinahe bis auf den letzten Platz gefüllt. Es war das zweite Konzert an diesem Abend, das das Quartett um die Sängerin Tutu Puoane gab. Das war gewiss schon eine Leistung an sich, galt es doch erneut das Publikum für sich zu gewinnen.
Mit dem Standard „All Or Nothing At All“ machte das Quartett den Abend auf. Frank Sinatra landete mit diesem von Arthur Altman geschriebenen Song, Text von Jack Lawrence, im Jahr 1943 einen Hit. Auch wenn der Berichterstatter eingestehen muss, dass Jazz Vocals nicht seine Sache sind, so überzeugte ihn doch das Timbre und die Varianz der Stimme, von kehlig-rau bis in die Höhe des Soprans, die da ans Ohr drangen. Nein, Tutu Puoane gehört nicht zu den Vokalistinnen, die die Töne nicht bis zum letzten Atem ausformen und halten können.
Bei ihr brach auch im Konzert das Tonvolumen nicht ab, sondern wurde abgerundet, stets durch Körpersprache unterstützt. Die Tiefen der Stimme wurden von einem „Kniefall“ begleitet, die Höhen von einem stufig sich nach oben bewegenden Arm, gleichsam die Tonleiter erklimmend. Voll war die Stimme, auch bisweilen geerdet. Kein Stimmkick im Sinne von Shakira war zu vernehmen. Eher schienen Billy Holiday, Ella Fitzgerald und Nina Simon im Geiste dabei zu sein, wenn Tutu Puone sang. Stets war da das Eigene, nicht die Kopie oder das Imitat. Es war eine mit Verlaub „schwarze Stimme“ zu hören, eine Stimme mit Blues und Swing.
Ein Hochgenuss waren die Scat Vocals, die zu hören waren. Ella hätte wohl ihre wahre Freude gehabt, weilte sie noch unter uns. Dedododononododä
und Bonobobobaba oder so ähnlich klang es. Dabei bildete die Stimme und die lautmalerischen Varianzen eine eigene instrumentale Komponente innerhalb des Quartetts, ergänzten Bass, Flügel und Drums. Die Stimme war Stimme, präsent, verwurzelt und bodenständig, nicht belangloses Stimmchen. Die Stimme war Teil des Gesamtwerks, wesentlich, aber eben auch nur ein Teil.
Dré Pallemaerts war ein dezenter Begleiter. Er überdrehte nie, auch nicht bei einem Solo, bei dem sich ein Stick selbständig machte, was Lacher auf der Bühne und im Publikum auslöste. Doch Dré zeigte, dass auch ein Stick und ein Schlägel ihre Dienste tun konnten. Nicht nur für den angesprochenen Standard galt, dass Ewout Pierreux in seinem Tastenspiel die Nuancen ausreizte, sich nicht im hohen Register verlor, sondern auch immer in die Basslinien fand. Auch bluesige Fäden webte er in den einen oder anderen Song ein.
Zwischen Balladenhaftigkeit und Blueslast bewegte sich der zweite präsentierte Song, bei dem Tutu Puoane erneut bewies, was Seele in der Musik bedeutet. Soul als Begriff wäre hier fehl am Platz, aber Seele schon passend. Ewout Pierreux, der Vergleich sei gestattet, bewegte sich zwischen Erroll Garner und Oscar Peterson, suchte und fand dabei eigene Tastenfäden. Was an Lyrik an das Ohr der Zuhörer drang, schien auch ein wenig Satire über das Leben im Chippendale-Ambiente zu sein. Nein, in ein Couplet verwandelte Tutu Puoane den Song nicht, sondern zeigte mit gekonnten stimmlichen Akzentuierungen den Tiefgang des Wortes auf.
Die Sängerin des Quartetts ließ es sich auch nicht nehmen, Songs in ihrer südafrikanischen Muttersprache zu singen. Nein, das war kein Afrikaans, sondern eine der im Süden Afrikas gesprochenen lokalen Sprachen, deren Gehalt allerdings nicht erläutert wurde. Daher konnte man als Zuhörer die Lyrik nur als eine Art Kunstsprache wahrnehmen, ohne den Inhalt des „gesprochenen Wortes“ verstehen zu können. Da hätte man sich wohl die eine oder andere erklärende Fußnote gewünscht. Nun gut, die Musik sollte wirken, so Tutu in einer ihrer Ansagen.
Dass sie wirkte, merkte man, als das Publikum zum Mitsingen aufgefordert wurde. Das muss man mögen. Doch mit dem Vor- und Nachgesang war dann auch traditionelle afrikanische Musik ganz nahe. Dabei darf man nicht außer acht lassen, dass der Begriff afrikanische Musik eigentlich in die Irre führt, gibt es doch so viele Facetten, angefangen von Gnawa bis Griot.
Im Laufe des Konzerts gestand Tutu, dass sie einer der größten Fans von Joni Mitchell ist. Sie sang daher einen der wohl bekanntesten Songs der us-amerikanischen Sängerin: „Both Sides“.
In diesem Falle agierte Tutu über weite Strecken solistisch, auch bei Zeilen wie „Bows and flows of angel hair/And ice cream castles in the air/And feather canyons everywhere/I've looked at clouds that way ...“. Ganz so verträumt und süßlich wie das Original kam Tutus Version nicht daher, kein Wunder, denn Streicher gab es als Begleitung nicht. Es war auch gut, dass Tutu Puoane dem Song eine weniger verträumte Linie einhauchte.
Noch ein Wort zum Bassisten Clemens Van der Feen: Wie viele Bassisten, so war auch er eher introvertiert eingestellt, war keine Rampensau, sondern zelebrierte die fein gedrechselten Saitenkonturen. Das fügte sich aber ähnlich wie Drés unaufdringliche Wirbel an Becken und Fellen wunderbar ins Gesamtgefüge Quartett ein.
Dass eine Stimme mehr als Scat Vocals und Lyrik sein kann, unterstrich Tuto Puoane an diesem Abend obendrein. Vogelgezwitscher, Hauch nach Hauch, tiefe Atemzüge und sanftes Ächzen streute Puoane in den Vortrag ein, der sich an die „Ode an Joni Mitchell“ anschloss.
Mit dem gemeinsamen Singen endete der Abend, bei dem es keine Zugabe gab, angesichts der fortgeschrittenen Zeit und des Doppelkonzerts im Predikherenklooster verständlich.
Weitere Informationen
https://www.tutupuoanemusic.com/
http://www.drepallemaerts.com/
http://clemensvanderfeen.com/
https://www.facebook.com/ewoutpierreuxmusic
Jazzathome Spotlight 3:
Jazz hinter historischem Gemäuer
Mechelen 9.9.2018
Leider konnte man nur drei Konzerte aus der Gesamtheit des Angebots von 25 Konzerten an 25 Orten auswählen. Die Wahl des Berichterstatters fiel auf das Boogaleo Trio, GLITS und Izvora.
Dabei spielten auch die „historischen Spielorte“, angefangen beim Kolveniershuis bis hin zum „Fluchthaus“ von Grimbergen, bei der getroffenen Auswahl eine Rolle. Schließlich bekommt man nicht jeden Tag die Gelegenheit, einen Blick hinter historische Mauern zu werfen.
Nicht nur Boogaloo, sondern auch „Hit The Road Jack“ im Kolveniershuis
Wie im letzten Jahr so waren Marc und Grete Goovaerts-Smekens wieder bereit, ihr Haus für jazzathome zu öffnen. Dabei handelt es sich um ein historisches Haus einer Schützengilde, das baugeschichtlich auf das 13. Jahrhundert zurückgeht und im 15. Jahrhundert ins Eigentum der Schützengilde überging.
In diesem historischen Ambiente fand das Konzert des Boogaleo Trios statt. „Spiritus Rector“ des Ensembles ist der Mechelner Jazzmusiker Leo Teughels, den eine besondere Passion für Boogaloo auszeichnet. Boogaloo kann man als eine Melange von Jazz, Soul und lateinamerikanischen Rhythmen beschreiben. Teughels ist sowohl ein Meister auf dem Saxofon, von Sopran bis Bariton, aber auch ein versierter Flötist und neuerdings auch Mundharmonikaspieler. Letzteres stellte er allerdings beim Konzert nicht unter Beweis. Zur Band gehören zudem der Pianist und Hammondorgel-Spieler Brandon Saeyvoet und der Drummer Patrick Wante.
Zum Aufgalopp gab es nicht Boogaloo, sondern Santanas „Oye como va“ zu hören, allerdings ohne Gesang und in einer Bearbeitung mit dem Schwergewicht Querflöte als führendes Instrument. Wie nicht anders zu erwarten, vereinten sich bei dem Boogaleo Trio – geschickt ist Leo Teughels Name in den Bandnamen eingeflossen – flirrende Flötenklänge mit dem untergründigen Wabern der Hammondorgel. Zurückhaltend agierte Patrick Wante an Becken und Fellen. Der Fokus lag eindeutig auf dem Flötisten, der dem Song von Santana seinen ganz eigenen Stempel aufdrückte. Eigentlich hätte man noch einen Perkussionisten gebraucht, der rhythmisch mit Congas und Bongos einheizte.
Nachfolgend wechselte Leo Teughels das Instrument und spielte Tenorsaxofon. Mit typischen Schemen für eine Hammondorgel wartete der Keyboarder und Orgelspieler auf. Anflüge von Hard Bop waren zu vernehmen. Rotzig, frech, keck und kein bisschen leise agierte das Saxofon. „Shake your body“ schien das Motto des Stücks zu sein. Satte Tastenklänge und ein flinkes Fußspiel für die Basslinie waren zu konstatieren, ein Gegengewicht zu den fetzigen Klängen des Saxofons.
Für einen Blues im Boogaloo-Stil erhielt das Altsaxofon als „Kerninstrument“ den Vorzug. Bei den vorhandenen Klangfärbungen war es ein Leichtes, sich eine Freitagnacht in einem Club in Downtown New York City vorzustellen. Auch das Baritonsaxofon hatte im weiteren Verlauf seine Chancen, stellte die Tieftönigkeit heraus, stets dabei von der Basslinie der Hammond-Orgel gestützt. Ein bisschen Bop wurde als besondere Würze beigefügt.
Mit „Chan Chan“ wurde der legendäre Buena Vista Social Club gewürdigt. Latin Jazz und Pop standen im Mittelpunkt. Feinste Flötenklänge verteilten in der guten Stube des Kolveniershauses. Noch ein anderer Hit erklang an diesem Nachmittag im ehemaligen Haus der Schützengilde: „Hit The Road Jack“. Man mussten dabei natürlich an Ray Charles denken, auch wenn es keine Vokal-, sondern eine Instrumentalversion zu hören gab. Welches Feuer in Patrick Wante steckt, bewies dieser bei seinem Schlagzeugsolo. Da kreiselten die Sticks, zitterten die Becken, schepperte das Hi-Hat, gab es Tamtam und mehr. Im Flug war die dreiviertel Stunde vergangen, die für das Konzert eingeplant war.
Die nächsten Gäste warteten schon ungeduldig auf die zweite Präsentation des Boogaleo Trios. Ob dann „Tequila“, „Molienda Café“ oder „Take Five“ zu hören waren, weiß der Berichterstatter nicht zu berichten, denn er machte sich auf den Weg zur Galerie Duende unweit des Turms der Romboutskathedrale. Auf der Setliste von Leo Teughels standen die oben genannten Titel jedenfalls. Nun gut, es hieß halt für uns „Hit The Road Jack“.
GLITS in der Galerie Duende: Erinnerung an Fluxus.
G.L.I.T.S. (Getting Lost In Tiny Spaces) so lautet der Namen des Duos bestehend aus Peter Vandenberghe (piano, rhodes, moog) und Bart Maris (trompet, effects). Beide Musiker haben in den letzten Jahrzehnten in unterschiedlichen Formationen gespielt, so bei X-Legged Sally und Flat Earth Society. Bart Maris ist zudem nicht selten Gast in Nordrhein-Westfalen und der dortigen Impro- und Avantgarde-Szene um Jan Klare.
Durchaus strukturierte Musik, vor allem aber freie Improvisationen sind es, die das Spiel des Duos ausmachen. Dabei ist die Musik auf Dichte und Dynamik, auf unterschiedliche tonale Färbungen, Texturen und Rhythmen fixiert. Gebündelt findet man dieses musikalische Konzept auf dem Album „Getting Lost in Tiny Spaces“. Die Aufnahmen entstanden im Konzertsaal von Bijloke (Gent) und im Salon August Debouck van Quatre Mains, einem Geschäft für Pianos. Zusammenkam Material von sieben Stunden, weitgehend akustisches Material ohne überbordenden elektronischen Firlefanz.
Raum und Klang jenseits von Post-Bop und Boogaloo war in Mechelen an diesem Nachmittag in einer Kunstgalerie angesagt. Auf der ersten Etage gab es zwei kleine Räume, die als Spielstätte genutzt wurden. Begonnen wurde von Bart Maris solistisch in dem linken Raum, in dem er eine Installation mit 13 alten Tonbandmaschinen aufgebaut hatte. Fluxus ließ grüßen. Nur Josef Beuys und Nam June Paik fehlten. Vom Charakter her war allerdings sonst alles Fluxus.
Das magnetische Bandmaterial rotierte wie die ledernen Transmissionsriemen alter Drehmaschinen und Fräsen kreuz und quer durch den Raum. Knarren und Brummen war zu vernehmen. Gab es da nicht auch Glockenschläge zu hören? Dazu gesellte sich gedämpfter Trompetenschwall. Angesäuert klang das, was zu hören war. Hier und da wurde aus der Trompete ein reines Atmungsrohr, ein Resonanzboden für Geräusche. Hintergründig war auch das Rhodes zu hören, an dem Peter Vandenberghe agierte.
Spitzzüngig gab sich das Horn. Tätäratä war nicht angesagt, doch hohes Registerspiel schon. Dramatische Klagen entsprangen dem Rhodes. Tonale Schraffuren und Schummerungen entwickelten beide Musiker, jeder auf seine Weise. Nachklänge machten sich breit. Elektronische Effekte verbreiteten sich, dank ans Moog, aber dezent. Bisweilen ließen auch Weill und Eisler grüßen, meinte man, Passagen aus dem Film „Kuhle Wampe“ musikalisch zu erleben.
Durchtrieben war das Spiel der beiden Musiker von Assoziationen und Vorahnungen, von freien Konturen und Ansätzen von Melodielinien, die abrupt endeten. Offene Formen wurden gelebt. Hier und da gab es Redundanzen als Teil des Klangerlebnisses.
Aber auch das gab es aufzunehmen: Urbanes Getriebe breitete sich aus. Schritt für Schritt bahnte sich der Tag seinen Lauf, so konnte man das Spiel von Vandenberghe deuten.
Böen und Stürme auf dem Flügelhorn erlebten die Anwesenden, die einem Konzert beiwohnten, das keine Wiederholung kennt, das im Moment für den Moment und aus dem Moment heraus entstand. Unwiederbringlich war das Gehörte, das nicht reproduzierbar war. Schmatzen, Prusten, Schnalzen waren einmalig, jetzt und dann nicht wieder.
Erlebbar wurde ein Unikat von Geräuschen, Akkorden, Klangfolgen. Das war fern von Mainstream, experimentell, gewagt und Avantgarde, halt Musik des 21. Jahrhunderts mit Reminiszenzen an provokante Kunst des 20. Jahrhundert, an Fluxus.
Refugie van Grimbergen: Izvora oder was?
Izvora – das ist unter anderem der Akkordeonist Christophe Delporte, der, so die Vorankündigung, in der Musik von Astor Piazzolla geerdet ist und sich zwischen klassischer Musik, Jazz und Weltmusik bewegt. Diese Leidenschaft für eine gelungene Genre-Melange teilt Delporte mit dem Ex-Pianist der Frivole Framboos, Yves Gourmeur, der keine Probleme mit musikalischem Eklektizismus an den Tag legt. Zur Formation gehört auch der Saxofonist Rhonny Ventat, der die Klaviatur des Melodischen ebenso beherrscht wie ausdrucksstarke Improvisationen. Vervollständigt wurde das Ensemble durch den Drummer Jérome Baudart. Ob der angekündigte Bassist Adrien Tyberghein tatsächlich mit vom Spiel war oder ein anderer Bassist, konnte der Berichterstatter nicht verifizieren.
Und wo trafen sich diese Musiker für jazzathome ? Im „Fluchthaus“ von Grimbergen! Dieses „Exilhaus“ gehörte einst zur Abtei von Grimbergen und wurde zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert erbaut. Es diente u. a. als Quartier für reisende Klostermitglieder. Während der Französischen Revolution wurde der Besitz privatisiert und später als Schule genutzt. Ursprünglich als Vierflügelanlage konzipiert blieben nur zwei Flügel erhalten. Das mächtige Eingangsportal an der Onze-Lieve-Vrouwestraat stammt aus dem Jahr 1777.
Um gleich zu Beginn mit der Legendenbildung aufzuräumen, die Musik Piazzollas habe den Klangrahmen des Ensembles beeinflusst, sei gesagt, dass nur ein Tango auf dem spätnachmittäglichen Programm stand. Zudem ist das klassische Instrument Piazzollas das Bandoneon und nicht das Akkorden, das Christophe Delporte mit viel Sensibilität und in ziselierten Nuancen spielte.
Ein bisschen Musette war zu hören, starke Rhythmen allemal, auch und gerade dank der Cajon, die der Schlagzeuger der Band zeitweilig nutzte. Manouche schien außerdem von Einfluss zu sein. Gezupfe traf auch Sopransaxofonüberschwang. Triller und Trällern waren Teil des musikalischen Vortrags. Becken tanzten, Felle swingten, im übertragenen Sinn.
Altsaxofon und Akkordeon paarten sich harmonisch. Ein wenig Balkanova kam auf, ehe dann die musikalische Reise nach Frankreich angetreten wurde. Eingestreut wurde hier und da ein sehr lyrisch angelegtes Piano-Solo, als das zweite Stück des Konzertes seinen Lauf nahm. Tempowechsel waren nicht nur bei diesem Stück keine Ausnahme, und auch ein Hauch von Hard Bop schien mitzuschwingen.
Dass man ein Ensemble nicht nur aufbrechen kann, wenn man Raum für Solos lässt, unterstrich Izvora mehrfach. So traf das Akkordeon auf den gestrichenen Bass. Beide tasteten die Klangräume aus und besetzten sie. Nachfolgend vereinten sich der Tieftöner und das Tastenmöbel. Fragil klang, was dem Akkordeon abgerungen wurde. Ein weichgezeichnetes Altsaxofon traf bei anderer Gelegenheit auf das auf Akzente fokussierte Piano.
Mit der Accordina, einer Melodica nicht unähnlich, führte Christoph Delporte ein Instrument ein, das in seiner Färbung ein wenig an eine Mundharmonika erinnert, jedoch geblasen wird, während die Finger die Knöpfe bedienen, so wie bei einem Knopfakkordeon. Bisweilen samten klingt dieses Instrument, ganz im Gegensatz zu den Saxofonen, die eher marktschreierisch und besserwisserisch daherkommen.
Wie gesagt zum Abschluss und als Zugabe anzusehen, spielte das Ensemble einen Tango, wenn auch nicht der klassischen Art. jazzathome 2018 war dann Geschichte. Und was wird 2019 mit der 15. Ausgabe dieses intimen Jazzfestivals bringen?
Informationen
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