In der Ankündigung lasen wir über die sommerliche Jazztour: „Die Trinkhallen-Tour-Ruhr im „Wohnzimmer des Ruhrgebiets“: Wir erzählen Geschichten dort, wo sonst die Leute ihre eigenen Geschichten erzählen. Mit diesem Motto ist „Die Verwechslung“ 2010 angetreten und schafft es Jahr für Jahr, die Menschen vor Ort für eine Musik zu begeistern, von der vielerorts behauptet wird, keiner wolle sie hören: zu sperrig, zu kompliziert, zu sehr „Hochkultur“. Bei mittlerweile über 70 Auftritten konnte das Gegenteil bewiesen werden: Die Menschen wollen die Konfrontation mit unbekannter Kunst, die Auseinandersetzung, das Abenteuer, das Suchen und das Finden. Und manchmal auch das Nicht-Verstehen-Müssen, immerhin sei Musik keine Mathe-Aufgabe, wie es ein Zuschauer in Bottrop auf den Punkt brachte.“
Der Feierabendverkehr schien noch nicht vorüber. Autos zischten am Kiosk vorbei, Motorräder ließen ihre Motoren lautstark knattern. Vor Beginn des Konzerts standen einige Besucher und Musiker vor dem Kiosk, der in seinen Namen einen Teil der Postleitzahl von Mülheim aufgenommen hat. Dickswall 84 lautet die Adresse des Geschehens, das in den Händen der Formation „Die Verwechslung“ lag. Dahinter verbergen sich die Bassklarinettisten Felix Fritsche, Florian Walter und Lutz Streun, die sich für den frühen, sommerlichen Abend die Vokalistinnen Marie Daniels und Hannah Schörken eingeladen hatten. Im Kiosk herrschten von Anbeginn beinahe Hochofentemperaturen. Das schreckte die Anwesenden nicht, die sich kühle Getränke im Kiosk besorgt hatten. Dicht gedrängt standen die Zuhörer, die schon auf den Beginn des Konzerts gewartet hatten. Ein Blick auf die Uhr und Florian Walter begrüßte die Gäste. Nach dem obligatorischen Gruppenfoto ging es bei laufendem Kioskbetrieb los.
Draußen standen etwa 40 Zuhörer. Der eine oder andere dicht am geöffneten Kioskfenster. Neben der Musik wurde das eine oder andere Schwätzchen gehalten. Mancher ließ sich ein Bierchen schmecken und eine E-Zigarette. Handys wurden für Fotos gezückt. Mütter mit Kinderwagen bahnten sich den Weg durch die Umstehenden. Kommentierend zur Musik verfiel eine Gruppe junger Männer in die Rolle von Tarzan und Co.. Zwei Frauen hielten kurz an und kommentierten: „Nee, dat tu isch mir nich an“. So schnell, wie sie gekommen waren, gingen sie auch wieder.
Im Lautschwall von Bassklarinetten, Gesprächsfetzen der Umstehenden und dem mehr oder minder gleichbleibend sonoren Klang vorbeifahrender Autos vernahm man die Ansagen, bruchstückhaft nur, wenn man vor dem Kiosk stand. Eröffnet wurde mit einer Hymne auf den Stahl – liegt ja im Pott nahe -, wenn der Berichterstatter, die Ansage von Florian Walter akustisch richtig verstanden hat. Man hörte es von Anbeginn an rasseln, sirren, surren, rattern – und der Reifenabrieb der vorbeifahrenden Autos ergänzte diesen Klangeindruck. A und E, AE, AE, AA, E – das kam im Wechselspiel aus den Kehlen von Marie Daniels und Hannah Schörken, während sich die drei Bassklarinettisten eher bedeckt hielten. Klang- und Lautschwall gaben sich ein Stelldichein. Hö und Äah, ein Gackern und ein Ooh drangen auch an die Ohren der Anwesenden. „Eiskalt“ wurde es anschließend – gesanglich, derweil im Kiosk das Klima einer finnischen Feuchtsauna herrschte. „Jetzt, eiskalt, jetzt“ … waren Wortfetzen, die man wahrnahm. „Ssss – jetzt eiskalt“ hörten wir, ohne dass dies eine suggestive Wirkung hatte. Zu Drdr, Grr und Drr vernahm man die brummig gestimmten Klarinetten. Es folgten Aach, Ahaha, Tttt, Grr, Grr und all diese Laute schienen sich irgendwann wie die Geräusche des tropischen Dschungels anzuhören. Zugleich lauschte man auch Gesangsfragmenten, die an die Songs nordamerikanischer Ureinwohner angelehnt zu sein schienen. Dieser Eindruck drängte sich jedenfalls dem Berichterstatter auf, der sich beim Zuhören an einen Pow Wow erinnert fühlte. Klagende Klarinetten meldeten sich auch zu Wort, so gar nicht zu den „exotischen Gesängen“ passend.
Bisweilen hatte man den Eindruck, dass im weiteren Verlauf des Konzerts ein Widerstreit zwischen menschlichen Stimmen und den Klängen der tieftönigen Atemrohre angezettelt wurde. Es klang wie Soso und Oho und Aaha im Wechselspiel zu dem Schnalzen und Rollen der Klarinetten. Noch ein Brr, drr und ein Ah, ah – dann war auch dieser musikalische Büdchenzauber bei tropischen Temperaturen vorbei. Herzlicher Beifall war allen Beteiligten gewiss.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
http://trinkhallentour.ruhr/
Florian Walter
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/w/wellness-und-tobias-herold/
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/k/knu-my-horse-doesnt-give-a-shit/
http://www.jazzhalo.be/articles/die-verwechslung-trinkhallen-tour-ruhr-2016/
Felix Fritsche
http://www.jazzhalo.be/interviews/felix-carlos-fritsche-interview-mit-dem-essener-altsaxofonisten-und-klarinettisten-u-a-the-dorf-fc-fritsche/
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/f/fc-fritsche-raum/
Marie Daniels
http://mariedaniels.de/
Lutz Streun
https://www.facebook.com/people/Lutz-Streun/100004781537641
Hannah Schörken
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