Recklinghausen 21.06.2018
„Die Band des heutigen Abends trägt Caspar van Meels Originalkompositionen in einem traditionellen Quintett-Setting mit zwei Bläsern und einer Rhythmus Sektion vor. Lyrische Balladen, Rock-Grooves, ostinate Basspatterns und energetischer Swing im Kontext mehrstimmiger Bläserarrangements wechseln sich ab. Einflüsse sowohl aus der Hard-Bop-Tradition als auch aus Funk und Rock verschmelzen mit zeitgemäßer harmonischer Experimentierfreude und sich überlagernden Rhythmen & Patterns.“ So hieß es in der Vorankündigung zum Konzert.
Die Band bestand aus dem Kontrabassisten Caspar van Meel, dem Tenorsaxofonisten Denis Gäbel, dem Posaunisten Tobias Wember, dem Pianisten Sebastian Scobel, der den etatmäßig am Flügel agierenden Pianisten des Ensembles, Roman Babik, ersetzte, und dem Schlagzeuger Niklas Walter.
Gut besucht war die Altstadtschmiede, obgleich einige eher wohl auf ein Schwätzchen gekommen waren. Dadurch fehlte es hier und da an konzentriertem Zuhören, was die Musiker gewiss verdient gehabt hätten, stellten sie doch im Rahmen des Konzerts Kompositionen vor, die Anfang Juli im Studio eingespielt werden sollen. Für die CD-Produktion warb Caspar van Meel während des Konzerts, da ohne Crowdfunding ein Album nicht zu finanzieren ist.
Im Gespräch mit Caspar van Meel
In einem Gespräch vor dem Konzert hatte ich Gelegenheit mit dem studierten Kulturwissenschaftler und diplomierten Musiker zu sprechen, auch über den Termin der CD-Erscheinung wohl Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres.
Das Quintett, so Caspar van Meel, sei, so sinngemäß die Aussage des Kontrabassisten und Komponisten, sein Baby. Im Gegensatz zu anderen Bands, in denen er auftrete, gehe es ausschließlich um seine eigenen Kompositionen und Arrangements. Sie zeichnen sich, so van Meel nicht nur durch krumme Takte, sondern auch viel Kontrapunktisches aus. Unterschiedliche Rhythmik und Polyfonie seien auch ein wichtiger Bestandteil der Musik. Dabei sei es nicht nur an Niklas Walter, der durchaus einen traditionellen Stil mit Swingbeigaben pflegt, sondern auch an den Bläsern für Erdigkeit, Swing und Grooves zu sorgen. Vor allem gehe es aber um Energie, so van Meel auf die Frage nach dem Charakter der Musik und der Band. Vom Gestus gebe es da auch Hard Bop, jedoch nicht im eigentlich Sinne des Begriffs, der ja eine Stilrichtung beschreibt.
Holland und Mingus
Neben Charles Mingus sei es vor allem Dave Holland, der ihn, Caspar van Meel, inspiriert habe, auch und gerade in Hinblick auf die Zweistimmigkeit.
Narratives spiele für die Kompositionen eine sehr geringe Rolle. Zumeist entstünden diese aus einer Melodie heraus, aus Stimmungen und nur selten aus einem unmittelbaren äußeren Anlass heraus. Auch wenn er sich als Kulturwissenschaftler mit Musik und Nietzsche befasst habe, bedeute das nun nicht, das er Musik und Philosophie verquicke. Es gebe eine Ausnahme und das sei die Komposition „Haeccity“. Hierbei handele sich um die Eigenschaft eines Dings, das dieses zu dem und zu keinem anderen Ding mache. Zu vergleichen sei dies mit dem Unterschied von dasselbe und das Gleiche.
Doch nach diesem kurzen „Einführungsgespräch“ gleich mal zum Konzert, bei dem sieben Kompositionen vorgestellt wurden, in einem langen Set, was sehr angenehm war, weil dadurch der Hörfluss nicht nachhaltig unterbrochen wurde.
Von Boca Abaco und einer kleinen Raupe
Aufgemacht wurde mit „Boca Abajo“ und einer sehr nachhaltigen Einführung durch den Posaunisten Tobias Wember, der u. a. auch nicht unwesentlichen Anteil am Subway Jazz Orchester hat. Ein rauschendes Nass war dank des Tastenspiels von Sebastian Scobel zu vernehmen. Über Stock und Stein schien uns hingegen Tobias Wember zu geleiten. Auch Wolkenfetzen konnte man, würde man eine Bildsprache für das Gehörte suchen, vernehmen. Und dann fokussierte sich die Musik auch auf die Zweisamkeit von Posaune und Tenorsaxofon. Zwischenräume füllte Caspar van Meel mit seinem Bass. Lauschte man den langen Duett-Passagen von Tobias Wember und Denis Gäbel, so meinte man, es werde gerade der Tagesanbruch musikalisch eingefangen. Das entwickelte sich dann zu einem urbanen Rausch, zum organisierten Chaos im Stadtgewirr. Eskapaden des Alltags fing, so der Eindruck, Sebastian Scobel durch Tastenüberschläge ein. Für die notwendige Erdung sorgte stets der Tieftöner von Caspar van Meel. Gelegentlich war auch nur die Rhythmusgruppe klanglich präsent. Doch auch Momente von Big-Band-Anmutungen machten das erste Stück des Abends aus.
Mit ein bisschen kubanisch-brasilianischem Flair kam der Song über eine Raupe daher. Vielleicht waren auch zwei Raupen im Spiel, folgte man den sich „streitenden“ und „widersprechenden Bläsern“ in ihrem Lauf. Basslinien wurden mit Snare und Tastenklang verpaart. Saitenklänge wurden aufgefädelt und aufgefächert. Nicht so sehr an eine Raupe, sondern an einen Tausendfüßler musste man bei diesen Klangbildern denken. Caspar van Meel hingegen hatte ein anderes Bild im Kopf: den „Überschlag“ der Raupe bei der Fortbewegung und das Nachziehen des „Hinterleibs“ und dann wieder ein „Überschlag“ und … Gerade bei diesem Stück wurde doch eine Geschichte erzählt, oder? Oder war es nur ein Bild, das da vor unseren Augen entstand?
Kein Weltuntergang
Der Titel „Cataclysm“ sei ihm, so van Meel in einer Zwischenansage, eigentlich ohne Grund eingefallen. Es handele sich, so der Bandleader des Quintetts um ein apokalyptisches Stück. Doch Untergangsstimmung wurde nicht verbreitet. Eher heiter wirkten die Klangstimmungen, die von Denis Gäbel und Tobias Wember heraufbeschworen wurden. Tragische Momente wurden nicht vorgetragen. Es war eher ein bewegtes Auf und Ab, das den Anwesenden zu Gehör gebracht wurde. So ergossen sich gleichsam klangliche Wellengänge in der ehemaligen alten Schmiede. Dabei „schwirrte“ das Tenorsaxofon über der eher tieftönig ausgerichteten Posaune einher. In einigen Spielphasen schien auch Cannonball Adderley für eine Weile zugegen zu sein. Wie ein Donnerhall zeigte sich in diesem Stück auch ein Schlagwerksolo, dank sei Niklas Walter.
Den Weg, ein Profimusiker zu werden, beschreibt „The Journey“, ein Stück, das van Meel vor seinem Diplomexamen geschrieben hatte, wie er den Anwesenden verriet. Sehr hörenswert war das freie Bassspiel als große Einleitung. Im weiteren Verlauf schien man auf Reise durch eine Herbstlandschaft mit tief hängendem Nebel mitgenommen zu werden.
Tanzbares traf auf afrikanische Rhythmik
„On The Edge“ war aus meiner Sicht musikalisch die Aufforderung zu „Shake your body“, aber alle Zuhörer verharrten auf ihren Stühlen. Nach dieser flotten Nummer folgte mit „Creole“ ein sehr getragener Titel, der auch von dezenten afrikanischen Rhythmen durchzogen war. Zeitweilig bewegte sich die Komposition auch in konzertanten Fahrwassern. Mit „Haeccity“ war nicht Schluss, wenn sich auch der Eindruck einstellte, dass die Musiker eigentlich keine Zugabe mehr spielen wollten. Als „Alternative“ zu den vermeintlichen „Giants of Jazz“ hatte sich Caspar van Meel überlegt, wie es denn klingen müsste, wenn Zwerge jazzen. Und dann „swingte“ es am Ende des Abends auch, dank sei Denis Gäbel am Tenorsaxofon.
Mehr vom Caspar van Meel 5tet am 1. Juli 2018, ab 18 Uhr, Villa Rü, Essen, Martinstraße, gegenüber vom Katakombentheater,
Text und Fotos © ferdinand dupuis-panther – Text und Fotos sind nicht public commons!
Informationen
Altstadtschmiede Recklinghausen
http://www.altstadtschmiede.de/kultur-details/events/6480.html
Caspar van Meel
http://casparvanmeel.com/en/
Tobias Wember
http://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/t/tobias-wember-subway-jazz-orchestra-state-of-mind/
http://www.jazzhalo.be/interviews/tobias-wember-interview-mit-dem-wdr-jazzpreistraeger-und-koelner-posaunisten/
Denis Gäbel
http://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/d/denis-gaebel-the-good-spirits/
http://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/d/dirk-schaadt-organ-trio-time-to-change/
http://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/a/axel-fischbacher-quintet-plays-charlie-parker-five-birds/
Roman Babik
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Niklas Walter
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