Eine Reise kreuz und quer durch den Orient und Okzident im Essener Schloss Borbeck
Gut besucht war das Konzert des zwölfköpfigen Ensembles namens Transorient Orchestra. Als Gast des Orchesters hatte sich der bekannte, aus Dortmund stammende Tenorsaxofonist Matthias Nadolny eingefunden.
Santur, Ney und ...
Die Klangfarben des Transorient Orchestra wurden nicht nur durch die rasant agierenden Schlagwerker bestimmt, die sich gegenseitig antrieben, sondern auch durch das persische Hackbrett, genannt Santur, die arabische Laute (Oud) und Schilfrohrflöten unterschiedlicher Dimensionen, die Ney genannt werden. Big-Band-Bläsersätze wurden mit Balkanova, Sambaverwandtem und einem Hauch von Klezmer sowie auch ein wenig Free Jazz und fein gearbeiteten Jazz-Improvisationen verwoben.
Das Orchester, das die einen unter Fusion, andere unter Weltmusik subsumieren würden, erhielt 2017 den renommierten „WDR-Jazzpreis in der Kategorie Musikkulturen“. Multikulti im besten Sinne war auf Schloss Borbeck, der ehemaligen Residenz von Fürst-Äbtissinnen, zu hören; kein Wunder, spielten doch Musiker/innen zusammen, deren kulturelle Wurzeln in Deutschland, der Türkei, dem Iran und Syrien zu suchen sind.
Der Veranstalter hatte leider darauf verzichtet, die Band in einem Flyer namentlich vorzustellen. Das sei an dieser Stelle nachgeholt. Zur Besetzung gehören: Andreas Heuser - Gitarre, Violine, Leitung / Nikola Seegers - Sopransaxofon, Gesang / Ammar Alia - Ney / Yavuz Duman - Trompete, Flügelhorn / Ina Möllerherm - Posaune / Sahbi Amara - Oud, Gesang / Kioomars Musayyebi - Santur / Antje Vetter - Violine / Jens Pollheide – Bass / Fethi Ak - Darbuka, Rahmentrommel / Benny Mokross - Schlagzeug, Percussion – und Bernhard Spiess - Schlagzeug, Percussion. Von einem Saz-Spieler, wie im Flyer zum Konzert aufgeführt, war im Schloss Borbeck weit und breit nichts zu sehen und zu hören! Das tat dem Hörgenuss aber überhaupt keinen Abbruch.
Auf Transformation kommt es an
Ich konnte im Kontext des Konzerts einige Worte mit Andreas Heuser wechseln und fragte ihn unter anderem danach, was denn Transorient eigentlich bedeute: „Für uns bedeutet das, dass wir durch den Orient reisen und das aufnehmen, was uns interessiert, was wir spannend finden, das wir aber auch transformieren.“
Im Fortgang des Gesprächs wies der Gitarrist und Bandleader des Großensembles darauf hin, dass dabei orientalische Musik verschiedener Herkunft von Bedeutung sei, ob aus der Türkei, aus dem Nahen Osten, aus Persien oder Nordafrika. „Und wir machen etwas Eigenes daraus. Das soll im Namen Transorient Orchestra mitklingen.“ In dem Begriff Orchestra sei eingeschlossen, so Andreas Heuser, dass das Ensemble eine große Band ist, eine Art Big Band mit multikulturell gemischter Instrumentierung.
Instrumentierung als Zufall und Wahl
Die Instrumentierung, so führte der „Orchesterleiter“ im Gespräch aus, sei sowohl Zufallsprodukt als auch eine bewusste Wahl. „Als wir vor 15 Jahren angefangen haben, da haben wir mit den Musikern begonnen, die wir damals kannten und mit denen wir gerne zusammenspielen wollten. … Mit der Zeit hat sich das aber geändert. Es ist zum Teil ein Zufall, welche neuen Musiker man vielleicht kennenlernt und von denen man meint, dass sie gut in die Band passen würden. Es gibt Instrumente, die waren von Anfang an mit dabei, was die orientalischen Instrumente angeht.“ So war die Darbuka von Beginn an dabei, auch die orientalische Laute. Die Santur, das persische Hackbrett, ist relativ neu, wie Andreas Heuser anmerkte.
Konzept ist Konzept
Abschließend wollte ich noch in Erfahrung bringen, ob denn die Instrumentierung die Musik bestimme: „Nein. Die Idee, wie die Musik grundsätzlich sein soll, war vorher da. Die ist im Prinzip über die Jahre auch gleich geblieben, obwohl sich der Klang jeweils ändert, je nachdem, wer gerade mitspielt und wer die aktuellen Stücke komponiert oder arrangiert. Das Konzept bestehe darin, dass man sich praktisch auf halbem Wege von Orient und Okzident treffen möchte, dass alle aufeinander zugehen und voneinander lernen. Es soll Musik sein, die durchkomponiert und durcharrangiert ist", so Andreas Heuser. Im Weiteren ergänzte er, dass es eine Musik sein solle, die intellektuelle Ansprüche erfüllen, aber nicht zu verkopft klingen solle. Wenn traditionelle Musik aus der jeweiligen Region des Orient vorgestellt werde, dann in einer Bearbeitung und Erweiterung um Polyfonie und Harmonie, denn eigentlich bestünde diese traditionelle Musik ja im Kern nur aus der Melodie.
Mit „Gol-e-saye Chaman“ wurde das Konzert aufgemacht, ehe es mit „Zig-Zag“ weiterging. Die musikalische Exkursion endete mit „Saraha“, eingebettet darin ein sehr filigran angelegtes Solo vom Trompeter und Tenorsaxofonisten sowie die eine oder andere entfesselte, rotierende Perkussionskunst. Dabei hatte übrigens nicht nur die Darbuka ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.
Kristalline Linien vermeinte man zu hören, dachte bisweilen an orientalische Popmusik und konnte sich dem Weichklang des Flügelhorns gänzlich hingeben. Der Begriff des Klanginfernos war auf die Schlagwerkkünstler anzuwenden. Pulsierend waren die Rhythmen. Zu hören waren außerdem Passagen des Sopransaxofons, die hier und da an Sydney Bechet erinnerten. Irgendwie beschlich den Berichterstatter zudem die Vorstellung, beim ersten Stück des Abends, könnte es sich gut und gerne auch um die Musik für einen Mantel-und-Degen-Film handeln. Während noch das Fingerspiel die Darbuka zum Schwingen brachte, war es an den Bläsern für ein Tutti zu sorgen: „Gol-e-saye Chaman“ entlockte dem Publikum den ersten anhaltenden Beifall, dem weiterer, auch Zwischenbeifall nach Solos, folgte.
Von der türkischen Schwarzmeerküste stammte ein anderer Titel des Repertoires, der mit brasilianischen Sambaanklängen verschmolzen wurde, so Andreas Heuser. Eine Art Vor- und Nachgesang war zu erleben, unter anderem auch zwischen Tenorsaxofon und Posaune. Von der stimmlichen Allgewalt des Saxofons, sonst durchaus charakteristisch im Jazz, war dabei nichts zu spüren.
Ließ man seiner Fantasie freien Lauf, so konnte man sich Bilder vom emsigen Basartreiben und von wochenlang umherziehenden Karawanen vorstellen, sah Derwische tanzen und Sufis mit pendelndem Oberkörper, um irgendwann in Trance zu fallen.
Im ersten Teil des Abends kam auch die Liebe nicht zu kurz, erklang doch ein Liebeslied ohne Happy End, wie die Vokalistin und Saxofonistin Nikola Seegers einwarf. Dabei erwiesen sich Ney und E-Bass scheinbar als eine Art Gegenspieler, vielleicht in einem „Wettstreit“ um die Gunst der Angehimmelten eingebunden.
Wehmütig klang der Gesang, getragen von Liebeskummer. Das Flügelhorn fügte sich in seinen „Klangmodulen“ bestens in das vorgetragene „Beziehungsdrama“ ein. In kitschigen Herzschmerz und ins Schwülstige trieb das Stück aber nie ab.
Im Fortgang des Konzerts schien die Reise auch den Balkan zu berühren und Balkanova auf dem musikalischen Menüplan zu stehen. Wer da noch still sitzen konnte, dem war nicht zu helfen!
Das Stück „Saraha“ beschwor ein wenig Jazz Rock herauf, ließ aber auch Raum, sich Geschichten aus und jenseits von 1001 Nacht vorzustellen. Folgte man den Linien und Konturen, die sich auch im Trompeten- und Saxofonintermezzo wiederfinden ließen, dann meinte man, man verweile in einer Oase mit sattgrünen Palmen oder lausche in Fez einem alt gewordenen Geschichtenerzähler.
Nach der Pause begann der musikalische Reigen mit dem Klang der Schilfrohrflöte - Ammar Alia hatte einen Koffer verschiedener Neys dabei und zeigte diese dem Publikum, das dies entsprechend mit Raunen und Staunen kommentierte. Von Abschied und Sehnsüchten war die Rede, als „Gott sei auf deiner Seite“ - so die deutsche Übersetzung eines arabischen Liedes – von Sahbi Amara vorgetragen wurde.
Aus der Feder von Andreas Heuser stammt die „Transorient Suite Part 4 Transorient Express“, die den Abschluss der konzertanten Reise bildete. Doch keine Frage, das Publikum forderte eine Zugabe und die gab es auch. Danach ging es in die hereinbrechende Essener Nacht. Beflügelt durch die Musik, „die Herz, Kopf und Beine ansprach“, meinte man, man schwebe auf einem fliegenden Teppich nach Hause.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther – Text und Fotos sind nicht public commons!
Informationen
http://www.transorientorchestra.de/index/Home.html
http://www.andreasheuser.com/index/Konzerte.html
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