Hannover, 4.12.2022
Felix Petry nebst Trio hatten eingeladen und das „Wohnzimmer Tonhalle“ war bis auf den letzten Platz gefüllt. Als Gast war aus Nürnberg die Vibraphonistin Izabella Effenberg angereist, die im Übrigen während des Konzerts auch ihre mitgebrachte Steeldrum zum Klingen brachte. Doch hauptsächlich setzte sie die vier Schlägel auf die Klangstäbe des Vibraphons.
Noch einige Worte zum Gast des Abends: Izabella Effenberg stammt aus Polen, lebt aber schon seit einigen Jahren in Deutschland. Neben den oben genannten Instrumenten beherrscht sie auch Array-Mbira und Glasharfe, ganz abgesehen davon dass sie sich als Komponistin einen Namen gemacht hat. Eigentlich ist sie aber klassische Schlagzeugerin und studierte in Posen und Danzig, ehe sie nach Nürnberg kam, um beim amerikanischen Vibraphonisten Bill Molenhof ihr Studium fortzusetzen. Sie ist übrigens auch Trägerin eines Dan in Shokotankarate und zudem achtmalige polnische Meisterin in einer Sportart, die sie nunmehr zugunsten ihre musikalischen Karriere weitgehend aufgegeben hat.
Izabella Effenberg war in der Vergangenheit in unterschiedlichen Besetzungen zu hören u.a. mit Lars Danielsson, Magnus Öström, Jan Lundgren, Katja Riemann, Nils Landgren, Vladyslav Sendecki, Susan Weinert, Nicole Johänntgen, Tony Lakatos, Efrat Alony, Torun Eriksen, Ellen Andrea Wang und Bodek Janke. Unterdessen hat sie auch zwei Alben eingespielt. Außerdem organisiert sie seit Jahren das Vibrafon-Festival „Vibraphonissimo“ in der Metropolregion Nürnberg. Schließlich engagiert sie sich mit anderen Jazzmusikerinnen im Netzwerk „Sisters in Jazz“.
Beim Blick in die Runde hat sich der Macher der Konzertreihe Felix Petry sehr gefreut und zugleich den Wunsch geäußert, so viele Zuhörer wie an diesem Abend auch bei anderen Konzerten in der Tonhalle begrüßen zu können. Ein wenig in Verzug waren die Musiker, weil doch der technische Aufwand der Aufzeichnung per Video und das Proben und Einspielen mehr Zeit in Anspruch genommen hatte, als geplant. Doch dann ging es gleich los, und zwar mit einer Komposition von Izabella Effenberg mit dem Titel „Herr Doktor Doktor“, entstanden nach einem Sportunfall und als Folge eines gebrochenen Fingers, der mit einer Metallplatte gerichtet werden musste. Übrigens, diesen Titel hat Izabella Effenberg auch mit Lars Danielsson und Magnus Öström anlässlich von „Vibraphonissimo“ 2020 in Nürnberg gespielt.
Die Schlägel schwebten gleichsam über die Klangstäbe. Weichzeichnungen des Klangs drangen ans Ohr der Anwesenden. Man hatte den Eindruck, die Vibrafonistin zeichnete mit Pastellkreide eine Gouache mit Verwischungen und Schummerungen. Besenschläge begleiteten die musikalischen Linien des Vibrafons. Nachhallend war das, was wir vernahmen; zudem gab’s auch kleine Wasserläufe und Strudel des Klangs. Die Schlägel wanderten mit tänzerischer Leichtigkeit von links nach rechts. Harte Basstrommelschläge waren im Hintergrund auszumachen. „Reisigbesen“ trafen schlagend auf das Fell der Snare. Der Bass klang beschwingt, und auch die Bassistin schien beschwingt zu sein, gar mit ihrem Tieftöner ein Tänzchen zu vollführen, zumindest angedeutet. Versetzte Linienspiele zwischen dem Saxofon und dem Vibrafon waren Teil des Fortgangs des Stücks. Und der Bass schien Augen- und Ohrenzeuge, der seine Kommentierungen zum Besten gab. Glockenheller Vibrafonklang traf auf die feinen Klangintarsien des Sopransaxofons. Da erlebten wir Wendungen, Drehungen, Verschleifungen und Spiralgebilde. Diskantes und Kristallines mischten sich, als die Vibrafonistin erneut im Fokus stand. Zirkuläres schien auch Teil des Vortrags. Und ein schwirrendes Hi-Hat fehlte obendrein auch nicht. Als Intermezzo steuerte der Drummer ein Solo bei, kurz und prägnant. Sonor war schließlich der Schlussakkord, dank an Felix Petry.
Aus der Feder der Bassistin stammt „Pine Street“, ein Track, der als nächstes auf dem Programm des aus zwei Sets bestehenden Konzerts bestand. Clara Däubler bemerkte ganz trocken, dass die Geschichte der Vibrafonistin zur Entstehung von „Herr Doktor Doktor“ nicht zu toppen sei. So gab es auch nichts Anekdotisches zu erzählen. Hätte man nicht doch gerne gewusst, um welche Kiefernstraße es sich handelt oder ob der Film „The House on Pine Street“ die Idee für die Komposition gewesen ist? Nun ja, manchmal sollte man sich mit dem Hörerlebnis zufrieden geben. Beim Hören drängten sich Bilder von Winter- und Herbststürmen auf, sah man Nebelschwaden dahinziehen, bedeckte satter Tau des Morgens die Landschaft. Wolkenrauschen ließ Felix Petry entstehen, der nun Tenorsaxofon spielte. Hörte man da nicht auch das Kreischen von Vogelschwärmen, die gen Süden unterwegs sind? Und im Hintergrund zeichnete die Vibrafonistin eng gelegte musikalische Linien. Teilweise hatte man auch das Bild vor Augen, dicke Regentropfen würden platschend niederfallen oder strichweiser Regen würde fallen. Das Bass-Solo im Anschluss ließ an tapsige, aber auch an tippelnde Schritte denken, mit denen sich Menschen bewegen, nicht nur bei Nässe. Doch da der Bass der Bass ist, sparte die Bassistin auch die dunklen Schattierungen ihres Instruments nicht aus.
Wenn der Berichterstatter es richtig verstanden hatte, dann wurde im nächsten Stück keine Hommage auf Dave Brubeck angestimmt, sondern es ging um „Dave Bubek“. Geschrieben hat Izabella Effenberg das Stück für ihren Sohn. Das Vibrafon stand nicht im Mittelpunkt, sondern eine Steeldrum. Doch wer da Calypso und die Rhythmen Trinidads erwartete, der musste sich eines besseren belehren lassen. Vielfältig war die Rhythmik, die die Musikerin dem Instrument entlockte. Nur selten, und wenn ja, dann nur kurz, gab es Ausflüge in die Welt von Bacardi Rum und Karibikfeeling. Vielmehr meinte man, ein Windspiel sei Teil der Inszenierung, und die verschiedenen Klangrohre des Windspiels würden im Stakkato vibrieren. Die Bassistin spiegelte das, was Effenberg auf der Steeldrum phrasierte. Und dann gab es ja noch wohlklingende Gleichschwingungen zwischen Saxofon und Steeldrum.
Als Weihnachtsgeschenk, so die Vibrafonistin, habe sie für ihren Mann das Stück „On“ geschrieben. Was schenkt man jemandem, der eigentlich alles hat und selber Musiker, sprich Baritonsaxofonist, ist? Ein Stück Musik also!. Wer schon einmal einem Glockenspiel gelauscht hat, das ein Glockenspieler angestimmt hat, der in einen Kirchturm oder Belfried hinaufgeklettert ist, der mag eine Vorstellung davon haben, was zu hören war. Samten ertönte die Stimme des Saxofonisten und gar ins Liedhafte schien die Bassistin im Laufe des Stücks zu driften. Und auch expressive Klangfärbungen leuchteten in diesem Stück auf, oder?
Die Pause war kurz, denn die Vibrafonistin musste ja noch ihren Zug erreichen, um nach Nürnberg zurückzukehren. Die ersten drei Stücke steuerte Felix Petry bei. Dabei verwies er darauf, dass „We should“ aus Anlass der Tonhallenkonzerte vor zehn Jahren entstand. Zugleich machte er darauf aufmerksam, dass die Tonhalle für die Konzertreihe zum fünften Mal den Applaus-Spielstättenpreis gewonnen hat, diesjährig gar 50000 Euro. Damit ließe sich schon einiges im nächsten Jahr bewerkstelligen, meinte Felix Petry, der Spiritus rector der Konzertreihe.
Und dann gab es noch ein wenig Post-Bop und Modern Jazz in der Tonhalle zu hören. Da schienen dann auch Nat und Cannonball Adderley im Geiste präsent zu sein. Das Thema war eingängig und zum Mitsummen angetan. Das ist beim Jazz ja eher selten, sieht man mal von Tracks wie „So What“ und „Take Five“ ab. So als würde man die Bewegung von jemanden, der mit flinken Schritten Treppenstufen hinabläuft, in eine Melodie gießen, klang das, was Izabella Effenberg auf ihrem Schlagwerk spielte. Ja, das Vibrafon gehört wie das eigentliche Schlagzeug und Marimbafon zu den Schlagwerken.
Anschließend nahm uns Felix Petry in den „Marzipanhimmel“ mit. Das war dann schon ein wenig weihnachtlich, oder? Entstanden ist dieser Track, so Felix Petry, eigentlich als Hochzeitslied. Daher ergibt sich wohl auch der Charakter als Walzer und nicht als Ballade. Zum Abschluss gab es dann noch „Friendship“ zu hören, auch von Felix Petry komponiert. Als besonderer Hingucker erwies sich bei diesem Track die Tatsache, dass der Drummer nicht mit üblichen Besen spielte, sondern mit einem Handfeger. Der tat seine Dienste ganz hervorragend.
Mit dem Stück „Zugzwang“ (comp C. Däubler) und ohne Zugabe endete das Konzert, an dessen Ende das Publikum überaus herzlichen Beifall spendete. Doch die Zugabe musste ausbleiben, der Fahrplan der Deutschen Bahn forderte seinen Zoll, und Izabella Effenberg wollte auf keinen Fall ihren Zug verpassen. Musikalisch musste man bei „Zugzwang“ nicht an die Notwendigkeit, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entscheiden , denken – im Kern die Definition des Begriffs -, sondern eher an die Fahrt mit dem Zug und mit all den Wirrungen und Irrungen, die das Reisen mit der Bahn mit sich bringt. Man meinte herausfiltern zu können, dass man von Bahnsteig zu Bahnsteig irren müsse, dass die Wagenreihung wieder einmal anders als gewöhnlich sei und man deshalb zu seinem Wagen hasten müsse. Man musste an Verspätungen denken, an Zugausfälle, an ein Hin und ein Her an einem Großstadtbahnhof, an Durchsagen und … und … und.
© Fotos und Text: f. dupuis-panther/ a. panther
Musiker/musicians
Izabella Effenberg – Vibraphon, Steeldrum
https://izabella-effenberg.com
Interview: https://www.curt.de/nbg/inhalt/artikel/12237/43/
Felix Petry – Tenorsaxophon, Sopransaxophon
https://felix-petry.de
Clara Däubler – Kontrabass
https://claradaeubler.wordpress.com
https://de.wikipedia.org/wiki/Clara_Däubler
Willi Hanne – Schlagzeug
https://www.uni-hildesheim.de/musik/team/kuenstlerische-mitarbeiter/hanne-willi/
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