Kunsthalle Recklinghausen, 20. September 2024
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Im Vorfeld des Konzerts waren folgende Zeilen zu lesen: „Saxophon, Piano und Bass treffen auf Drumbeats und laden zum Genießen, Kopfnicken und Tanzen ein. Die vier jungen Musiker aus Dresden, Leipzig und Berlin bilden „The Emanias Project“. Eine groove-geladene Fusion-Jazz-Band, die das Beste aus komplexen Harmonien, Breakbeats, dröhnenden Bässen und Saxophon-Lines vereint. Mit der Mission, die Inspirationen aller vier Mitglieder zu vereinen, ist ein einzigartiger instrumentaler Sound entstanden. … Die vier Musiker lernten sich in Mecklenburg-Vorpommern kennen, wo sie in Rostock und Schwerin zur Schule gingen.“
Der Bassist Simon Henschen erläutert den Bandnamen wie folgt: „Unsere Band ist damals als Duo aus unserem Schlagzeuger Elias Prell und Pianisten Emmanuel Walter in Leipzig entstanden. Der Name hat sich einfach aus den Vornamen der beiden zusammengesetzt. Als sich vor 2 1/2 Jahren die Besetzung um Hendrik Marin (Alt-Sax) und Simon Henschen (E-Bass) erweitert hat, haben wir den Namen um das „Project“ ergänzt.“
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Alle Bandmitglieder sind auch in anderen musikalischen Projekten aktiv, so spielt der Bassist auch bei den Bands BLUME und Spielplatz Prinz Leopold. Dabei ist er in Sachen Indie-Pop und Alternative Rock unterwegs. Der Saxofonist spielt auch Modern und Free, ist aber auch Teil des hfmdd jazz orchestra, so eine Info im Netz. Zudem ist er mit dem FMKL Quartett zu hören. Eigentlich, so verriet er in einem persönlichen Gespräch nach dem Konzert, komme er eher aus dem klassischen Fach und habe sich erst an der Hochschule in Dresden intensiver mit Jazz beschäftigt. Emmanuel Walter ist u. a. in Sachen Free unterwegs sowie im Trio:Blur als Pianist aktiv, zudem spiele er, so ein O-Ton von ihm, auch in einer Pop orientierten Band mit zwei Vokalistinnen, die deutsche Texte vortragen.
Elias Prell hat sich im Eigenstudium das Schlagwerkspielen beigebracht und dieses verfeinert, wird allerdings nun auch ein Studium aufnehmen, so seine Aussage im kurzen Pausengespräch. Die drei anderen Musiker haben ihre Studien mit einem Bachelor abgeschlossen. Und wenn der Berichterstatter es richtig verstanden hat, wird sich Emmanuel Walter demnächst seinem Masterstudiengang widmen.
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Auch wenn die vorgetragenen Eigenkompositionen Titel tragen, schien das für das Konzert eher nebensächlich. Als Zuhörer hatte man den Eindruck, das Quartett gebe sich einem Klangkontinuum hin, einzelne Stücke wurden mit anderen zu einer musikalischen Collage auf gekonnte Weise verschmolzen . Gelegentlich durfte man auch „false endings“ erleben. Da waren die Hände schon zum Klatschen bereit, doch das Stück wurde fortgesetzt. Die Pianistin Carla Bley, das sei an dieser Stelle angefügt, verstand sich meisterlich auf derart „falsche Enden“.
„Utonie“ und „Unceasing Whirl“ machten den Anfang. Zu hören war auch ein „Yellow Catfish“, der sich musikalisch durch den Ozean bewegte. Mit „Vondo“ wurde das erste Set beendet. Das zweite begann mit „No Remedy“ und endete mit „Pan in the Wän“. Doch angesichts des nachhaltigen, geradezu überbordenden Applauses gab es selbstverständlich eine Zugabe: „Where would I go“. Und bei dieser wurde deutlich, dass an Hochschulen ausgebildete Jazzmusiker den Kanon des Jazz von Swing und Bop beherrschen.
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Ob man die Musik des Quartetts mit dem Etikett Jazz Rock oder Fusion versieht, ist eine Frage der Zuordnung. Eigentlich bot die Band eine Mischung aus verschiedenen Genres und Subgenres. Nie war die Zuordnung eindimensional. Das Mehrdimensionale war kennzeichnend, auch für die Art des gemeinsamen Spiels. Das Quartett bildete keinen Monolithen, sondern splittete sich nicht nur bei solistischen Interventionen, sondern auch in Duos.
Wer an diesem frühen Abend den Weg in die Kunsthalle gefunden hatte, in der gerade im Rahmen einer sogenannten Rochade Kunstwerke aus der Galerie Tick Tack Antwerpen zu sehen sind, der kam auf seine Kosten, musste allerdings offen für den Jazz der Gegenwart sein und nicht so sehr in Schubladen denken. Sehr gut besucht war die Kunsthalle, auch wenn der eine oder andere durchaus spontan noch den Weg in das erste Obergeschoss des ehemaligen Bunkers hätte finden können.
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Rhythmus, Rhythmus, Rhythmus – das war das Credo der Band für ihre Musik. Maßgeblich beteiligt daran waren der Drummer, aber auch der Pianist am Nord Stage 3. Klangteppiche wurden ausgerollt, dank an den Pianisten und feinstes Flageolett erlebten wir beim Spiel des Altsaxofonisten, der teilweise den Eindruck erweckte, er spiele Sopransaxofon und auch Oboe. Sonor war das Spiel, ohne Kraftanstrengungen und Überdrehungen. Gewiss, vielfach lag während des Konzerts der Fokus auf dem Holzbläser, aber auch die anderen Musiker kamen nicht nur mit solistischen Einlagen zum Zuge.
Basslinien unterfütterten die Sequenzen des Altsaxofons. Starkes Tack-Tack und Tick-Tock auf Snare und Basstrommel war wahrzunehmen. Gelegentlich schlug der Drummer auf einen „Dreisatz“ übereinander geschichteter, gekrümmter Bleche unterschiedlicher Größe. Das klang ein wenig aus der Art geschlagen, kurz-klirrend, so als würde ein Topfdeckel auf einen Terrazzo-Boden aufprallen. Klangliche Bündel wurden geknüpft und aufgelöst. Snare und Toms vibrierten unter harten Stockschlägen. Dunkle Tönungen steuerte der Bassist zum Klangkontinuum bei, derweil der Saxofonist seine Vorlieben für Diskantes unter Beweis stellte.
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Gab es nicht hin und wieder auch Klänge zu hören, die an eine Orgel denken ließen? Dachte der eine oder andere dabei nicht kurz auch an die klassischen Exkursionen eines Keith Emerson? Doch das waren nur kurze Momente, wenn überhaupt. Jedenfalls driftete die Band nicht ab und folgte Spuren von Musikern, die wie Keith Emerson die Hammond-Orgel für den Rock passend gemacht hatten. Ohne Frage hörte man immer wieder den intensiven dumpfen Klang der Basstrommel, gleichsam wie ein Stundenschlag in tiefsten Frequenzen. Eingenommen wurden die Zuhörer von langwelligen Passagen, die der Altsaxofonist Hendrik Marin spielte. Hier und da drängte sich dabei der Eindruck auf, es würden analoge Loops vorgetragen.
Stellenweise bestimmte der Drummer das Timing, forcierte die Spielstruktur, trieb die Band auf einen musikalischen Höhepunkt zu. Die hart gespannten Felle des Schlagwerks dröhnten, das Hi-Hat schepperte „kurzatmig“. Stufige Klangbilder zeichneten der Bassist und der Saxofonist im Verlauf des Konzerts obendrein. Tastenflüsse erlebten wir, dank an Emmanuel Walter. Kaskaden rauschten dahin. Wie feinster Klangnebel klang das, was der Saxofonist dazu beisteuerte. Während dessen verstand es der Drummer die richtigen Zäsuren zu setzen.
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Leicht elektronisch verfremdet wurde das Nord Stage 3 in einigen Stücken. Dabei gab es allerdings kein Ambient zu erleben. Eher schien dies eingebunden in ein bandeigenes Konzept von Fusion. So verwunderte es auch nicht, dass hier und da Balladenhaftes bzw. „lyrische“ Erzählweisen ans Ohr der Zuhörer drang. Tänzelnde Tastenfolgen wurden inszeniert. Gebundenes wurde gelöst, vor allem dann, wenn der Saxofonist seine Stimme erhob. Selten entwickelten sich Klangturbulenzen. Pulsierende Rhythmen zogen sich durch den Konzertabend. Nur einmal hatte man den Eindruck, dass eine Form von Funk auflebte. Doch dies hatte nun aber auch gar nichts mit Les McCann zu tun – und das war auch gut so!
Wenn man während des Konzerts teilweise an Kammermusikalisches denken musste, so lag das am Pianisten, der das Nord Stage 3 in einen veritablen Flügel verwandelte, jedenfalls klanglich und irgendwie auch Anleihen am Werk von Bach nahm, oder? Jedenfalls verstärkte das Spiel von Emmanuel Walter gelegentlich die Vorstellung, man lausche feinster E-Musik.
Bei den Klangbrisen, die durch die Kunsthalle wehten, musste man auch an das legendäre The Alan Parsons Project denken, eben auch ein Klangkontinuum der besonderen Art. Auf der anderen Seite zeigten sich in den Kompositionen auch Versatzstücke für Filmmusiken, so konnte man der Meinung sein. Und tauchte nicht auch an einer Stelle im Konzert Pharao Sanders mit „Save The Children“ auf? Jedenfalls dachte der Berichterstatter aufgrund einer Harmonieähnlichkeit an diese Aufnahme des afro-amerikanischen Saxofonisten.
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Eingebunden in das Konzert war auch ein Stück mit gesprochenem Text, der allerdings kaum zu dechiffrieren war. Dieses Stück war gleichsam ein Solitäre in dem sonst rein instrumental strukturierten Konzert, das überaus gelungen war. Und wenn man den Beifall nach der Zugabe im Ohr hatte, dann hätten sich die Anwesenden noch Weiteres gewünscht, aber der Pianist und die übrigen Bandmitglieder verneigten sich lediglich und wünschten einen guten Heimweg. Das Konzert wird ohne Frage in Erinnerung bleiben und motivieren, sich auch die nächsten Konzerte in der Kunsthalle Recklinghausen anzuhören. Näheres siehe unter Info.
© Fotos und Text: A. Panther/Ferdinand Dupuis-Panther
Info
Besetzung The Emanias Project
Elias Prell (Schlagzeug)
Hendrik Marin (Saxophon)
Emmanuel Walter (Keyboards)
Simon Henschen (Bass)
Venue
https://kunsthalle-recklinghausen.de
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