Black Box Münster, 4.2.2024
Ein Duo präsentierte an einem stark verregneten Sonntag seine Klang-Melange und -Fragmentierungen in der Black Box. Zu hören waren Moritz Wesp an der virtuellen Posaune und an der „realen“ Posaune sowie Leonhard Huhn am C-Melody-Saxofon und modularen Synthesizer. Dabei erinnerte das von Huhn gespielte Saxofon durchaus an die Klangfärbungen eines Altsaxofons.
Die Konzertankündigung
Im Vorfeld des Konzerts las man unter anderem in der Beschreibung auf der Homepage der Black Box: „Die beiden Musiker sind angetrieben von der gleichen Fragestellung: Was kann mein Instrument sein? Wie lässt sich das eigene Instrument, ausgehend von Saxophon und Posaune, transformieren durch die grenzenlosen Möglichkeiten der elektronischen Klangerzeugung? Wie lässt sich hier eine Spielform finden, in der sich die Qualitäten aus beiden Bereichen nicht gegenseitig negieren. Spontanität und Körperlichkeit, Programmieren und Regler regeln. Leonhard Huhn speist sein Saxofonsignal in ein komplexes System aus sich gegenseitig modulierenden elektronischen Einheiten ein und lässt sich vom kontrollierbaren Chaos inspirieren. Moritz Wesp benutzt seine selbstgebaute „Virtuelle Posaune" um das Spielgefühl und die Mechanik des Posaunenspiels einzufangen und seinen Posaunenklang dann digital zu resynthetisieren und zu manipulieren.“
Im Gespräch
Vor dem Konzertbeginn nutzte der Berichterstatter die Gelegenheit zu einem Gespräch mit den beiden in Köln lebenden Musikern. Zunächst stellte sich mal die Frage, wie sie denn darauf gekommen seien, als Duo aufzutreten. Wie so oft spielte der Zufall eine Rolle. An einem Abend waren sie jeweils als Solisten für einen Auftritt in einer Reihe mit Namen „Brutkasten“ in einer Spielstätte am Kölner Ebertplatz gebucht, entschieden sich dann jedoch gemeinsam aufzutreten. Da man sich in Kölner Kontexten immer mal wieder zuvor und danach über den Weg gelaufen sei, sei eben die Entscheidung für eine Duoformation auch nicht schwer gefallen. Leonard Huhn betonte zudem im Gespräch, dass die Leidenschaft für sogenannte Hybridinstrumente verbinde.
Bei diesem Duo gibt es zumeist kein physisches Blechinstrument, so unterstrich Moritz Wesp im Gespräch. Im Konzert, so war zu erleben, kam dann die Posaune nebst Dämpfer jedoch einmal zum Einsatz. Der Weg zu einem virtuellen Instrument dauert schon mehrere Jahre, beginnend mit dem Bau einer sogenannten Synthesizer-Posaune. Dabei handelte es sich um eine schwere, unhandliche Posaune mit einem sogenannten Exoskelett. Während der Corona-Zeit habe er, Moritz Wesp, sich mehr und mehr mit digitaler Elektronik befasst. In diesem Prozess habe er schon die Körperlichkeit des Posaunenspiels ein wenig vermisst, sprich, dass man in ein Mundstück bläst und den Zug der Posaune bewegt. Bei Elektronik gibt es kein unmittelbares Feedback im eigentlichen Sinn. Nun, so Wesp, habe er sich ein elektronisches Konstrukt geschaffen, bei dem dank der Sensoren eine gewisse Körperlichkeit des Spiels existiert, der Ton aber digital eingefangen werde. Mit der einen Hand werde bei diesem Spiel der Zug nachempfunden. Früher habe er einen Ultraschallsensor als Entfernungsmesser benutzt. Nunmehr werde die Antenne eines Theremin eingesetzt. Diese Antenne diene nur zur Kontrolle der Distanz, also gleichsam dem ersten bis siebten Zug der „klassischen Posaune“. Zudem habe er, Moritz Wesp, ein Mikrofon, in das er singe. Über den Computer werden dann beide Elemente zusammengefügt. Daraus ergebe sich dann eine Tonhöhe, die durch die beiden Dateneinheiten fusioniert werde. In der anderen Hand habe er einen virtuellen Plunger, einen Posaunendämpfer, um Klangfärbungen zu ändern.
Leonard Huhn setzt nach wie vor ein physisches Instrument ein, da er, so sagt er, nicht so weit wie Moritz Wesp gekommen sei. Huhn ergänzte, dass seine Triebfeder für die Veränderung des Saxofonklangs darin bestand, den „Urklang“ durch fremde Klangbeimischungen zu erweitern. Es fing mit einem Effektgerät an, das auch Gitarristen häufig bedienen, um den Saitenklang zu modulieren. Irgendwann sei er auf semi-modulare Elektronik gestoßen. Das Saxofon habe am Schalltrichter ein Pick-Up. Das Signal, was herauskommt, werde am Eingangsmodul analysiert. Eine Stromspannung werde generiert, die Informationen über Lautstärke und Tonhöhe sowie Anfang und Ende enthält. Mit diesen Informationen könne er andere Module steuern.
Das Konzert – eine Sprachbemühung
Nach all diesen eher trockenen anmutenden Details zur Ausgestaltung der Musik, die ausschließlich im Moment entsteht und nie wieder gleich passieren wird, also zum Konzert. Dabei stellte sich gleich die Frage, wie man diese Musik eigentlich mit Worten erfassen kann, zumal sie sehr kleinteilig fragmentiert daher kam, wie es die Anwesenden erlebten. Eigentlich schien dafür die Sprache von Comics mit Blasen wie Zack, Zisch, Grrr, Krr, Zwing und Swing, Krisch und Krasch sowie Karacho und ähnlich angemessen, oder?
Pfff, Tröt und Däda – Flirrendes, Schwirrendes; Verwehtes, Gläsernes, Transparentes, Schrilles, Quietschendes. Rrrr und Brrr – Geheule, Signalgebungen und ein Rzzz. Klangverteilungen in einem großen Raum mit Widerhall wie eine gotische Kathedrale mit Rippengewölbe. Jiji, Fiepen, Basslast, zumindest Tenorlast, gedämpfte Töne dank einer Plastikflasche im Trichter des Saxofons. Atemluft strömend, Gurgeln und Röhren, Klopfgeräusche, Dädadäda; verfremdetes Windrauschen und Stundenschlag. Geräusch von schwingenden Oberleitungen im Wind sowie Miau und Wauwau oder Ähnliches. Stakkatoklang und Qietschen sowie Zischen. Gelegentlich ein ausladender Einton. Vogelstimmen und Nasentröte vereint. Graupapageien treffen Ringbandsittiche zum Gezwitscher. Blechflirren und ein Grrrrr. Kehlige Tieftönigkeit; Holzstäbe auf Stufen fallend – Kristalliner Tropfenerguss; rinnendes Wasser und sprudelnde Quelle. Der Klang leerer Blechtonnen jenseits von Steel Drumming. Klangschalen angetippt. Gewitterneigungen inszeniert.
Blechsäge im Einsatz als Klangsplitter eingefangen, gefolgt von einem Chaos an Signaltönen. Trrrtrrr und ein Klingelton. Wellige Klangformen und ein Gefiepe einer Rattengroßfamilie. Klang einer hängenden CD im CD-Player; Miau und Mähhhh; Jäpp und Grr, Ohohoho und Hahahä. Verlängerte Perkussionen nebst Hähharrhärr. Tablaschläge oder Bongoklang. Fingertippen auf gespannte Felle. Echo und gequält anmutende Klänge – Glasharfenanmutungen und Sphärenspiel, Zzzzz und … bisweilen auch menschliche Stimmen ohne Text und ohne Scat, alles im Kern ein Klangrauschen bis zur letzten Minute.
© Text und Fotos Ferdinand Dupuis-Panther Februar 2024
Info
http://www.blackbox-muenster.de/index.php?id=programm
https://www.youtube.com/user/cubacultur/videos?app=desktop
https://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_Wesp
https://moritzwesp.com
https://de.wikipedia.org/wiki/Leonhard_Huhn
https://hfm-wuerzburg.de/lehre/huhn-leonhard
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