Black Box Münster, Münster 19.2.23
Also Vorhang auf für den Saxofonisten Harri Sjöström, die Pianistin Elisabeth Harnik, den Kontrabassisten John Edwards und den Schlagzeuger Tony Buck. Bei den genannten Musikern handelt es sich um vier Musikerpersönlichkeiten, die aus vier verschiedenen Ländern kommen - Australien, Österreich, England und Finnland – und die zum ersten Mal in dieser Quartett-Formation auf der „Bühne“ der Black Box standen. In der Konzertankündigung lasen wir: „Die Besetzung ist exquisit - reizvoll im Potential der Spieler und der daraus resultierenden Spannung - verschiedene Genres der Klangsprache nutzend - ständig den Fokus zwischen Stimmungen und Klanglandschaften wechselnd - die großen Bögen, die entwickelt werden, erfordern ein tiefes intuitives Verständnis von Form und Dynamik, das bei diesen Spielern hoch entwickelt ist.“
Vor Münster, so Tony Buck im Vorgespräch, gab das Quartett erst drei Vorstellungen gänzlich frei improvisierter Musik. Das „Projekt“ war also sehr frisch. Und frischer Wind war es auch, die da die Anwesenden in der Black Box umwehte. Da gab es keine Vorrede, sondern der Saxofonist, der sowohl Sopranino- als auch Sopran-Saxofon spielte, blies gleichsam zum freien „Halali“. Wer da noch mit Sonntagsmüdigkeit kämpfte, wurde wach, wurde fokussiert. Nein, eine „Symphonie mit dem Paukenschlag“ gab es zwar nicht zu hören, aber ein Paukenschlag im übertragenen Sinne war der Beginn schon.
Linear hatte das Quartett Aufstellung genommen. Das gab den Mitgliedern des Quartetts stets die Möglichkeit, Augenkontakte zu halten. Die Pianistin Elisabeth Harnik ließ die Finger weniger über die weißen und schwarzen Tasten gleiten, sondern beugte sich tief über das Innere des Flügels. Mit einem Holzstück schabte sie über die Saiten. Zeitweise klopfte sie auch auf die Verstrebungen im Flügelinneren und betätigte sich als Perkussionistin. Derweil brachten Besen und Schlägel in den Händen von Tony Buck das Fell der Toms zu leichtem Schwingen. Wenn auch das Sopranino-Saxofon gedämpft gespielt wurde, so war dessen Stimme durchdringend, aufbrausend, überschwänglich, sich überschlagend im Klang, teilweise schrill und dem Modus von Sirenenklang verhaftet. Tastengruppen erklangen, als sich die Handrücken der Pianistin darüber kreisend bewegten. Auch ein Ellbogen wurde ab und an auf die Tasten gesetzt.
Nicht Finger, sondern Handflächen sah man auf den weißen und schwarzen Tasten. Auch dies war nicht klassisch-harmonisch, sondern eher rhythmisiert-perkussiv. Ein Schlägel huschte unterdessen über die Toms und ein Stick brachte das Hi-Hat zum Flirren. Wellige Tastenklänge drangen nach und nach ans Ohr der Zuhörer. Tempo und Lautstärke nahmen zu. Die Klangeruption konnte jederzeit erwartet werden. Die ultimative Explosion des Klangs blieb zunächst aus. Doch mittels gesetzter „Zwischenhöhepunkte“ wurde die Spannung hoch gehalten, wurden Erwartungen geweckt, wurde die Aufmerksamkeit der Zuhörer gebündelt. Eine Pause oder ein tiefes Durchatmen gab es nicht. Es ging stetig voran, ohne Zwischenspiel oder irgendwelche schmeichelnden Kaskadierungen.
Es gab durchaus auch Pausen für Teile des Quartetts. Dann konnte man einen Dialog zwischen Bassisten und Drummer verfolgen. Die Tiefe des Basses war dann neben dem Schlagwerk zu vernehmen. Hier und da verwandelte John Edwards seinen Tieftöner in ein Perkussionsinstrument, tippte im Stakkato mit den Finger auf die Saiten oder nutzte den Bogen als „Schlagwerk“. Auffallend war, dass der Bassist sich auch gleichsam mit seinem ganzen Körper in die Tiefe seines Instruments begab, sich gleichsam in den Bass eingrub, eins mit seinem Instrument zu werden schien. Doch nicht allein das Umbra-Erdige entlockte der Bassist seinem Instrument, sondern nahe des Stegs greifend und zupfend auch die feinen, nur kurz klingenden hohen Töne, die man eher von einem Cello oder einer gezupften Bratsche erwarten kann.
Selten war fließender Klangfluss, Dank an die Pianistin und den Bassisten. Zumeist vernahm man eher Fragmentarisches, hörte man Klangmosaike mit harten Bruchkanten. Das Melodische wurde im Verlauf des Konzerts immer wieder durch den Saxofonisten Harri Sjöström durchbrochen. Er schien als Wortgeber die Widerrede zu pflegen. Tony Buck pflegte derweil ein sehr abgestuftes und wenig aufdringliches Drumming. Dazu gehörte auch, dass er sich nicht in Blechrauschen verstieg, sondern das Hi-Hat auch mal vorsichtig streichelte. Shaker nutzte der Drummer ebenso wie „Klangscheiben“ mit denen er über das Fell der Trommeln strich. Gelegentlich schnippte er mit den Fingern auch auf dem Rand der Standing Tom. Auf einen Vibe Slap verzichtete der Schlagzeuger ebenso wie auch auf andere Perkussionsinstrumente, sieht man mal von einer „Rassel“ ab.
Gezupfte Saiten im Innenleben des Flügels waren zu hören. Kristallin und zerbrechlich mutete das an. Es gab auch kurze „Nachbeben“ wahrzunehmen, ehe dann ein beinahe lyrischer Klang den Raum füllte. Doch das waren kurze Momente, wie ja freie Improvisation stets den Klang des Augenblicks „zelebriert“. Nichts war von Dauer. Hörte man nicht auch akzentuierte Klangsetzungen, die der Pianistin zuzuschreiben waren? Wie gesagt bei einem der Momenteindrücke konnte man meinen, man erlebe eine Blaskapelle, einen Fanfarenzug oder eine Marching Band, als das Saxofon die Stimme glockenklar erhob. Tonale Himmelsleitern erklomm Harri Sjöström mit seinem Instrument. Das drückte sich dann auch in der Spielhaltung des Saxofonisten aus, der sein Instrument in die Höhe hob und dann spielte. Klang-Amplituden schlugen rasant aus, während der Bass sich eher auf der Grundlinie einer Kurvengrafik bewegte.
„Zweier- und Dreiersätze“ hörte man im Folgenden. Und auch das Eruptive kam nicht zu kurz, einem Vulkanausbruch gleichend und auch den Lavafluss in Klänge umsetzend. Blechwirbel und dumpfes Bass-Getrommel vermischten sich. Zum dem rasselnden Klang eines Shakers hörten wir eine Art Brrbrr und RrrRrr des Saxofonisten. Die Saiten des Basses wurden mit dem Bogen gewischt. Es entstand ein Wispern und ein Rauschen, eher stille Momente inmitten von Furiosem. Flogen da nicht auch Myriaden von Insekten durch den Raum, dank an den Bassisten?
Beinahe nahtlos ging es weiter, mit dem ungebändigten, haltlosen Saxofon. Hörte man da Schnattern, Singschwan-Gesang oder Froschgequacke? Hier und da schnarrte der Bass. Blech flirrte und verstummte. Ein „Klangblech“ wanderte außerdem über das Fell der Tom. Mit dem Rand des Blechs wurde das Trommelfell traktiert. Schläge und Gegenschläge konnten wir uns beim Klang des Saxofons vorstellen. Geräusche, die man aus einem Gattersägewerk kennt, drangen wohl auch an unsere Ohren, sprich ein wenig Industrial Noise Music gab es auch zu erleben!
Bei dem Vortrag des Saxofonisten meinte man über weite Strecken, man erlebe den Besuch einer Metalldreherei, in der noch mit Transmissionsriemen die entsprechenden Maschinen in Gang gesetzt werden. Tänzerisch ließ Tony Buck seine Sticks auf dem Drumset niedergehen. Ja, das waren alles Momentaufnahmen, die vergänglich waren. So werden wir bei einem weiteren Auftritt des Quartetts ganz andere Klangmomente erleben. Nichts schien wiederholbar, es sei denn man hätte das Konzert mitgeschnitten. Und das war der Fall.
Wer mehr hören möchte, der sei auf den Live-Mitschnitt vom 19.2. 2023 verwiesen – siehe unter Info. Dabei kann man sich dann ein Hörbild von dem wilden Klangtanz machen, den das 4tet zum Besten gab. Ganz im Sinne von Stage off Limits, so der Name einer Konzertreihe, in deren Rahmen das Viergestirn zu hören war.
text und fotos © ferdinand dupuis-panther 2023
INFO Blackbox Münster
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