Black Box Münster 7.10.2018
„Die viel zitierten "Grenzbereiche" ziehen sich wie ein roter Faden durch die Aktivitäten des in Köln lebenden Posaunisten Matthias Muche der in seinem Spiel die reinen Klangmöglichkeiten seines Instruments mit erweiterten Spieltechniken verbindet und einen engen Bezug zur Ästhetik aus dem Bereich Klangkunst, Neuer Musik und Jazz schafft.“ Das war in der Ankündigung des sonntäglichen Konzerts zu lesen.
Mit Geschick inszenierte Matthias Muche ein Konzert mit Spannungsbögen, immer dazu auch kurz und knapp einige Erläuterungen gebend. Die nackte, pure Posaune stand am Beginn des Konzerts, die Visualisierung der Klangströme am Ende. Dazwischen lotete Matthias Muche Momente der Resonanz aus und verband in einem Stück einen eingesprochenen Text zum Thema Luft mit seinen Klangfärbungen.
Solokonzerte können Tücken haben, fehlt doch dem Solisten ein Gegenüber, muss er sich sozusagen ein künstliches Gegenüber schaffen, muss er aus sich heraus schöpfen. Doch all das gelang Matthias Muche in ganz unnachahmlicher Art und Weise, auch und gerade weil er die technischen Mittel nutzte, die heute gang und gäbe sind – und das meint nun nicht stets Loops, Delays und Distortions. Nein, auch ein auf den Dämpfer aufgesetzter Lautsprecher kann ein Instrument wie die eher „brummig“ gestimmte Posaune erweitern.
Schließlich war da ja noch das grafische Moment des Abends, dank intelligenter Programmierung, sodass im „Gleichklang“ des Klangs verzerrte Schraffuren, Konturen, Schleifen, Webstrukturen, fließende „xy-Eder“ auf den Boden und die Rückwand des Raums projiziert werden konnten. Damit griff Matthias Muche auf ein Konzept zurück, mit dem er sich seit 15 Jahren befasst, auf Medienkunst, die in seinen Frischzellen-Projekten in der Vergangenheit ihren Niederschlag fanden.
Aufgemacht wurde allerdings mit der nackten Posaune, die uns „Geschichten“ erzählte, wie Matthias Muche beim Konzertbeginn erläuterte. Was umfing die Zuhörer? War es das Geräusch einer tief fliegenden einmotorigen Propellermaschine? War man dabei, als eine solche Maschine sich im Kunstflug befand, drehte, mit den Flügeln winkte, steil in die Luft stieg? All das konnte man sich gewiss vorstellen. Zugleich aber verfärbte sich im weiteren Verlauf der Klang, meinte man eher, man befinde sich inmitten eines Insektenschwarms. Hummelflug 2.0 mag dem einen oder anderen in den Sinn gekommen sein. Brummen, flirren, schwirren, Flügelschlag mit Posaunencluster – auch das war zu vernehmen. Das war durchaus mit kurzen melodiösen Momenten verknüpft. Teilweise vereinten sich Behäbigkeit und Rotzigkeit.
Knattern traf auf Schnurren. Geschwätz wurde beigemischt. Dialogisches schien man erahnen zu können, obgleich kein Gegenüber auf der Bühne zu sehen war. Hin und wieder dachte der Berichterstatter auch an ein Projekt von Josef Beuys, in dem Nein, nein, nein und Ja, ja, ja im Fokus standen.
Auf der Suche, Resonanzen zu verdeutlichen, nutzte Matthias Muche die WDR-Datenbank mit allerlei Kirchengeläut. Ausgesucht hatte er sich das Geläut des Münsteraner Doms. Mittels Dämpfer und aufgestecktem Lautsprecher sowie Laptop konnten wir dieses Geläut neben den Atem- und Klangströmen der Posaune hören. Zugegeben, das Geläut schien überwältigend zu sein und die Posaune in eine Nebenrolle zu drängen. Bisweilen bewegte sich der Posaunist Matthias Muche mit seinem Instrument wie der Klöppel, der in einer Glocke hin- und herschwingt, von rechts nach links und zurück, zudem mit dem Oberkörper von oben nach unten wie der Glockenschwung pendelnd! So gab es bereits in diesem Teil des Konzerts eine Visualisierung dessen, was wir hörten.
Nein, Matthias Muche imitierte keinen Posaunenchor, sondern setzte gegenüber dem übermächtig wirkenden Geläut Kontrapunkte, auch als Einzeltöne, ansonsten aber mit aller Klangkraft, die möglich war und hier und da an brausenden Stadtverkehr erinnernd.
Nachfolgend war die Posaune nur einer der „Agenten“ auf der Bühne. Auch Anthony Moore, einst an der Kölner Kunsthochschule tätig und mit seiner Krautrockband Slapp Happy unterwegs, war zugegen, dank seines Textes über Luft, der eingeblendet wurde, mal auf dem linken, mal auf dem rechten Kanal. „This is the begining of a sentence ...“ nahmen wir auf. „This sentence divided in the moments ...“ war ein weiteres Fragment, das mit Posaunenklang verpuppt wurde. „Disturbing molecules ...“ drangen ebenso ans Ohr der Zuhörer wie ein knatterndes, ratterndes Geräusch. Prprprtkrrtkrr ist vielleicht in lautmalerischer Form eine Näherung an das präsentierte Klangbild. Lamellengeschwirr und eingesaugte Luft mischten sich. Atemluft strömte durch das Mundstück der Posaune. Pfeifen wurde beigefügt. Und war da nicht auch Gänsegeschrei mit im Spiel?
Zum Schluss präsentierte Matthias Muche ein audio-visuelles Spektakel: eine Kooperation des Videokünstlers Sven Hahne mit dem Posaunisten Matthias Muche. Grafische Notationen der Musik waren auf dem Boden und der Rückwand der Black Box zu sehen. Bänder, Knäuel, Schleifen, eine Art grafisches Icing, Tunnelblicke, Kaffeeschlieren, lineare Strukturen wurden projiziert und lenkten die Aufmerksamkeit sehr stark auf das Visuelle, sodass das Musikalische beinahe in Vergessenheit geriet. Und dann fand die Inszenierung ein Ende. Die Grenzen waren ausgelotet. Der nachfolgende Beifall derer, die gekommen waren, kam von Herzen und honorierte einen Abend, der gewiss im Gedächtnis bleiben dürfte.
Text und Fotos © ferdinand dupuis-panther – Der Text und die Fotos sind nicht public commons!
Informationen
http://www.blackbox-muenster.de/index.php?id=programm&no_cache=1
https://www.jazzhalo.be/interviews/matthias-muche-interview-with-the-trombone-player-from-cologne/
https://de.wikipedia.org/wiki/Anthony_Moore
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