Black Box Münster, 24.3.2022
Das Kodian Trio – bestehend aus dem britischen Altsaxofonisten Colin Webster, dem aus Belgien (Flandern) stammenden E-Gitarristen Dirk Serries und dem britischen Schlagzeuger Andrew Lisle – gibt es seit 2015. Im Vorwege lasen wir über das Trio das Folgende: „Die gemeinsamen Erfahrungen auf Tour und im Studio lassen einen Gruppensound entstehen, der sich ständig verändert, verfestigt und wieder verschwindet - getreu dem Wesen freier Improvisation.“ Und weiter hieß es im Kontext des Konzerts: „Das dritte Studioalbum des Kodian Trios - und ihr zweites für Trost Records - wurde in einer intensiven Live-Session im White Noise Studio in den Niederlanden während eines freien Tages ihrer Europatournee aufgenommen. Auf diesem Album zeigt das Trio seine aus den Live-Erfahrungen gewonnene Kernstärke als Einheit und eine Band in Topform. Doch in all dem Trubel gibt es auch ein Gefühl der Freude und vor allem perfekte musikalische Dialoge und Trialoge.“
Kommunikation, nonverbal, lautstark, hier und da zurückhaltend, Diskurs, Debatte, Kompromisse, Auswege, Wege, Wechselspiel, Zwiegespräch, Interventionen, Zwischenspiele, Nachdenk-Pausen, Antizipation – all das war an diesem Konzertabend in der Black Box zu hören. Es gab Donnerhall und Beben, Orkane des Klangs, analoge „Loops“, gestrichene Gitarrensaiten, Schnalzen, Schnappen, Perkussives auf der Gitarre und am Mundstück des Saxofons zu erleben. Rasant und bisweilen brachial agierte das Trio. Dieses zeichnete Linien und Schraffuren, zerlegte ein Ganzes in Bruchstücke. Gurgeln und Röhren traf auf den Klang gestrichener Saiten. Bisweilen meinte man, die Glockenschläge von einem Kirchturm zu vernehmen, wenn der Drummer des Trios agierte.
Überlagerungen weiteten sich aus, verdrängten das teilweise Sphärische des E-Gitarristen. Dieser schien sich hier und da im Elektronischen zu ergehen. Im nächsten Moment jedoch riss er die Saiten seines Instruments mit einem Metallstück an. Gedämpfte Klänge vernahmen wir. Man hatte dann den Eindruck das Altsaxofon werde zu einem Blasrohr, durch das der Atem „tonlos“ strömt. Kurz drang der Klang eines Nebelhorns ans Ohr der Anwesenden. War da nicht auch der stete Flügelschlag von Insekten zu vernehmen, die einer Leimfalle nicht entgingen?
Im Laufe des Konzerts „verwandelte“ sich die E-Gitarre auch in eine Lap- bzw. Pedal-Steel- Gitarre, im übertragenen Sinne. Dann lag das Saiteninstrument auf den Oberschenkeln von Dirk Serries, der nichts von zartbesaitetem Spiel hielt. Dezentes Drumming begleitete die analogen „Loops“ des Saxofonisten. Ab und an schienen sich zwei Klanglinien wellenförmig auszubreiten und sich zu überlappen. Synth oder Gitarre? – diese Frage stellten sich die Zuhörer während des Konzerts. Jedenfalls wurden nach und nach Klangflächen durch die Musiker ausgebreitet. War da nicht auch kurz ein Fingerklopfen auf den Saiten mit im Spiel? Bildlich sah man in der Folge ein Hin und ein Her. Die Musik schien unstetig, aufwallend, wellig, eruptiv, und man wartete gleichsam auf die Entladung, den großen Ausbruch mit feuriger Klanglava.
Altsaxofonist und Drummer schienen sich nicht nur einmal wechselseitig anzutreiben, das Tempo zu forcieren, die Klanglautstärke zu erhöhen, Fontänen gleich. Einige Passagen, die wir hörten, erinnerte an das unentwegte Geschnatter von Graugänsen im Formationsflug, oder? Gezeiten des Klangs bestimmten weitere Teile der Improvisationen. Wellenschlag und Gischt des Klang wurden sichtbar. Wie tosendes Wasser, das über Klippen schießt, hörte sich an, was das Trio vortrug. Besenschläge vereinten sich mit einem Brrbrrr und Trrtrr sowie einem Bogenstrich über Gitarrensaiten. Waren da nicht auch Anlehnungen an den Klang eines Cellos zu vernehmen?
Tom und Snare schwirrten zu dem dumpfen Schlag der Basstrommel. Sinuskurven wurden durch das Trio außerdem gezeichnet. Wechselhafte Kommunikation zwischen Dirk Serries und Colin Webster war auszumachen. Und dann gab es eine kurze Pause, zum Sammeln, zum Abschließen, zum Einlassen auf einen Neuanfang im zweiten Teil des Konzerts.
Die Pause war wirklich kurz. Das Trio wollte im Fluss bleiben, benötigte aber Zeit zum Luft holen, zum Sauerstofftanken, um sich dann wieder fokussieren zu können. Nach der Pause gehörte erst einmal dem Schlagwerker Andrew Lisle die Aufmerksamkeit. Mit einem Bogen strich er am Rand des großen Beckens entlang. Flirren und Schwirren war die Folge. Klang das nicht auch ein wenig nach einer laufenden Gattersäge eines Sägewerks? Zwischen Bassvariationen und dem Klang einer „singenden Säge§ bewegte sich nachfolgend der Gitarrist Dirk Serries. Wispern und Zischen war dem Saxofonisten Colin Webster zu verdanken. Langwellen verströmten in der Black Box. Strichweise wurden Linien gezeichnet und Schummerungen angelegt. Nein, eine Klanglauge wurde nicht gemischt, eher eine ätzende Säure. Konzentrisches vermischte sich mit Wellenförmigem. Turbulenzen und Malströme entwickelte das Trio außerdem. Man hörte es köcheln und brodeln. Druck war auch auf dem Kessel, der die Höchsttemperatur noch nicht erreicht zu haben schien. Klänge wurden zudem aufgebrochen und zusammengefügt.
Das Zusammenspiel des Trios war augenscheinlich auch Körperarbeit, betrachtete man die drei Musiker auf der Bühne. Kraftfelder wurden konstruiert und mit Klang gefüllt. Die Dominanz des Saxofons bestand ohne Frage. Das war zumindest der Höreindruck des Berichterstatters, der allerdings bildlich eher auf „Augenhöhe“ mit dem Saxofonisten dem Konzert folgte. Ein Zwischenspiel war zu erleben, das der Drummer verantwortete. Dabei hatte man den Eindruck man lausche dem Wechselspiel verschiedener Glöckner, die per Seilzug die unterschiedlich gestimmten Kirchenglocken in Schwung bringen und halten. Und gegen Endes Konzerts gab es auch Theaterdonner und anhaltenden Beifall für das Trio, dessen Konzert aufgrund der Pandemie schon mehrmals vertagt worden war. Nun endlich konnten sie in der Black Box auftreten, und das wurde von den Anwesenden sehr geschätzt.
© Fotos und Text ferdinand dupuis-panther
Infos
http://www.blackbox-muenster.de/index.php?id=programm
https://dirkserries.bandcamp.com
http://www.tokafi.com/15questions/interview-dirk-serries/
https://webstology.wordpress.com
https://colinwebster.bandcamp.com/album/saxoctopus
http://www.andrewlisle.com
In case you LIKE us, please click here:
Hotel-Brasserie
Markt 2 - 8820 TORHOUT
Silvère Mansis
(10.9.1944 - 22.4.2018)
foto © Dirck Brysse
Rik Bevernage
(19.4.1954 - 6.3.2018)
foto © Stefe Jiroflée
Philippe Schoonbrood
(24.5.1957-30.5.2020)
foto © Dominique Houcmant
Claude Loxhay
(18/02/1947 – 02/11/2023)
foto © Marie Gilon
Pedro Soler
(08/06/1938 – 03/08/2024)
foto © Jacky Lepage
Special thanks to our photographers:
Petra Beckers
Ron Beenen
Annie Boedt
Klaas Boelen
Henning Bolte
Serge Braem
Cedric Craps
Christian Deblanc
Philippe De Cleen
Paul De Cloedt
Cindy De Kuyper
Koen Deleu
Ferdinand Dupuis-Panther
Anne Fishburn
Federico Garcia
Jeroen Goddemaer
Robert Hansenne
Serge Heimlich
Dominique Houcmant
Stefe Jiroflée
Herman Klaassen
Philippe Klein
Jos L. Knaepen
Tom Leentjes
Hugo Lefèvre
Jacky Lepage
Olivier Lestoquoit
Eric Malfait
Simas Martinonis
Nina Contini Melis
Anne Panther
Jean-Jacques Pussiau
Arnold Reyngoudt
Jean Schoubs
Willy Schuyten
Frank Tafuri
Jean-Pierre Tillaert
Tom Vanbesien
Jef Vandebroek
Geert Vandepoele
Guy Van de Poel
Cees van de Ven
Donata van de Ven
Harry van Kesteren
Geert Vanoverschelde
Roger Vantilt
Patrick Van Vlerken
Marie-Anne Ver Eecke
Karine Vergauwen
Frank Verlinden
Jan Vernieuwe
Anders Vranken
Didier Wagner
and to our writers:
Mischa Andriessen
Robin Arends
Marleen Arnouts
Werner Barth
José Bedeur
Henning Bolte
Erik Carrette
Danny De Bock
Denis Desassis
Pierre Dulieu
Ferdinand Dupuis-Panther
Federico Garcia
Paul Godderis
Stephen Godsall
Jean-Pierre Goffin
Claudy Jalet
Chris Joris
Bernard Lefèvre
Mathilde Löffler
Claude Loxhay
Ieva Pakalniškytė
Anne Panther
Etienne Payen
Jacques Prouvost
Yves « JB » Tassin
Herman te Loo
Eric Therer
Georges Tonla Briquet
Henri Vandenberghe
Iwein Van Malderen
Jan Van Stichel
Olivier Verhelst