Black Box Münster, 08.12.2024
An diesem Sonntagabend waren nachstehend genannte Musiker in der „Schwarzen Kiste“ in Münster zu Gast: der Saxofonist John Butcher, der Geiger Harald Kimmig, der Cellist Alfred Zimmerlin und der Bassist Daniel Studer.
Dabei traf ein Schweizer Trio auf einen britischen Musiker, der eine Zentralfigur der zeitgenössischen Improvisation ist. Seit zehn Jahren besteht diese „transnationale Kooperation“. Neu war diesmal, dass das Trio Kimmig Studer Zimmerlin, kurz KSZ, mit elektrischen Versionen ihrer Instrumente auftrat.
Diese Frischzellenkur, wenn man das so sagen darf, führte auch zur neuen CD namens „Black Forest Diary“, herausgegeben im April 2024. Pirmin Bossart schrieb dazu in der Zeitschrift „Jazz’n’More": „Die Elektrifizierung wirkt oft wie ein Zoom auf die Musik: Die Klänge werden greller, monströser, industrieller, unheimlicher.“
Und noch eine Charakterisierung des Ensembles sei an dieser Stelle angefügt: „Das Können und die Subtilität, die in diesem Konzert gezeigt wurden, waren, offen gesagt, erstaunlich, mit einem immer wiederkehrenden Gefühl von „wie sind wir hierher gekommen?“ aufgrund der unglaublich organischen Art und Weise, wie sie musikalische Klänge und Materialien sanft massierten und manövrierten. Jeder, der Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Improvisation im Vergleich zu vorkomponierter Musik hatte, wurde augenblicklich eines Besseren belehrt. Es war ein echtes Privileg, die Musiker zu sehen, die ihre Instrumente so vollständig beherrschen und dabei ein Höchstmaß an technischer und kompositorischer Reife sowie einen allgegenwärtigen Sinn für das Spiel an den Tag legen." (Huddersfield Festival für zeitgenössische Musik, Simon Cummings)
Im Vorfeld des Konzerts fragte ich die Musiker, was sie denn eigentlich zum Wechsel von akustischen zu elektrischen Saiteninstrumenten veranlasst habe. Alfred Zimmerlin führte sinngemäß aus, dass das Ensemble eine neue Sprache gesucht und sich daher auch mit einer für das Trio neuen Instrumentierung beschäftigt habe. Wenn man sehr lange zusammenspielt, bräuchte man mal eine Art Erneuerung so Alfred Zimmerlin. Man habe dann auch eine Weile keine Konzerte gegeben, sondern habe sich zurückgezogen und geprobt. Letzteres ist ja bei Vertretern der improvisierten Musik selten, da man zumeist ad hoc zusammenkomme und spiele.
Beim KSZ-Trio sei das aber gänzlich anders. Auch über die Entfernung Freiburg-Zürich treffen man sich regelmäßig mal in Deutschland und mal in der Schweiz. Man habe sich, so Daniel Studer, auch schon in Klausur begeben, um zu proben. Gänzlich analog ist der Tenorsaxofonist John Butcher unterwegs. Auf meine Frage, warum er denn nicht EWI spiele, antwortete der britische Musiker, dass er das Instrument hasse. Er habe dazu keine Beziehung und er bräuchte gleichsam eine gewisse Körperlichkeit zu seinem Instrument. Und tatsächlich verzichtete Butcher auf ein Aufsteckmikrofon ebenso wie auf jede Form von elektronischen Zauberkästlein mit Pedalen, derweil die Musiker des KSZ-Trio darauf während des Konzerts zurückgriffen.
Ein Konzert mit improvisierter Musik zu erfassen, benötigt eine eigene Sprache, eine Art Lautsprache im Steno-Stil, um das Prozesshafte einzufangen. Zugleich muss erfasst werden, in welcher Art und Weise die Musiker interagieren, sich dabei auch in sich selbst versenken, den Faden der Mitmusiker aufnehmen und weiterspinnen.
Ein Schlag auf die Saiten des Cellos auf der einen Seite traf auf einen dumpfen Bassstrich. Schwirren und Flirren breitete sich aus, dank an den Saxofonisten. Meinte man gar, dass man die Flügelschläge von Insekten wahrnehme, wenn John Butcher spielte? Ein dunkles, erdiges Dum-Dum-Dum vereinte sich mit einem Zupfen der Geigensaiten und deren spitzem Klang. Zudem traf ein geschlagener Bogen auf die Saiten der Geige, die der aus Freiburg/Deutschland stammende Harald Kimmig in den Händen hielt. Kurz waren die Linien, die John Butcher im Nachgang dazu spielte. Das Spiel des Saxofonisten bewegte sich nicht nur zu Beginn des Konzerts zwischen Flirren, Schwirren, Surren, Gurren und Röhren. Teilweise strich lediglich Atemluft durch den S-Rohr des Holzbläsers. Manchmal bewegten sich die Finger des Saxofonisten schnell auf dem Mundstück, erlebten wir Perkussion statt Gebläse.
Auch der Bassist ließ bisweilen seinen Bogen auf den Saiten trommeln anstatt einen Bogenstrich auszuführen. Knarzend und knisternd ließ der Violinist Harald Kimmig die Geige erklingen. Hier und da wurden auch die Saiteninstrumente präpariert, wurde zwischen die Cellosaiten ein Papierstreifen gewoben oder ein Stock zwischen die Bass-Saiten geschoben. Ein Trrtrrtrr des Saxofonisten kommentierte die Klänge, die ein schlagendes Stöckchen auf den Bass-Saiten erzeugte. Stufig gesetzt wurden einige Klangsequenzen im weiteren Konzertverlauf.
Kurze Pausen waren vorhanden, auch um einen Neuanfang zu schaffen. Bisweilen schien es, als würde sich John Butcher schweigend und mit geschlossenen Augen ganz auf die Klangwelten seiner Mitmusiker konzentrieren, um dann einen eigenen Pfad der Improvisation zu eröffnen. Hochfrequentes breitete sich im Raum aus, dank an den Cellisten Alfred Zimmerlin. Dieser entlockte seinem Instrument außerdem Klangtropfen um Klangtropfen. Ohne Loop-Maschine schuf der Saxofonist „analoge Loops“ bzw. wiederkehrende Signalklänge. Und der Geiger ließ dazu seinen Bogen auf den Geigensaiten tanzen. Längere Klangwellen drangen obendrein ans Ohr der Anwesenden.
Fragiles vereinte sich mit dem Klang gezupfter und gegriffener Cellosaiten. Tieftöniges füllte den Raum. Dialogisches unter anderem zwischen Geiger und Bassisten war zu erleben. Für kurze Momente hörte man Überlandleitungen, die im Wind surren, als der Violinist sein Instrument in den Fokus stellte. Knisterndes entlockte der Saxofonist seinem Holzbläser. Lineares wechselte mit Fragmentarischem. Getöse wie bei einem Gewittersturm brauste kurz auf. Vogeltschilpen drang an unsere Ohren. Doch niemand spielte eine Nasen- oder Vogelflöte. Nein, John Butcher verstand es, seinen Holzbläser derart „anzustimmen“. Traf da nicht während des Konzerts „Obertongesang“ auf ein Sturmrauschen? Hörten wir nicht ab und an Hochtöniges und „Hirschröhren“? Oder ging dem Berichterstatter an dieser Stelle die Fantasie gänzlich durch?
Die Klangfluten wurden auch im weiteren Konzert erzeugt, konnte man ein Plink-Plink des Geigers hören und einen Besenschlag auf Bass-Saiten erleben. Im Gegensatz zu den „aufgebürsteten“ Klängen der Saiteninstrumente schien der Holzbläser in sich zu ruhen. Nur selten zeigte sich das Spiel von John Butcher als nervös oder exaltiert. Derweil schienen seine Mitmusiker gelegentlich „aus der Fassung“ zu geraten. Deren Spiel glich dabei der Inszenierung eines Hörspiels – und das während des ganzen Konzerts. In manchen Passagen musste man an einen Gruppe von Geräuschmeistern in einem Radiotonstudio denken, die im Rahmen eines Hörspiels akustisch für Ambiente und Stimmung sorgt. Und irgendwann war dann alles gesagt; der Abend mit dem KSZ-Trio fand schließlich sein Ende.
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Black Box Münster Programm
Musiker
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