Torben Snekkestad, Joelle Léandre, David Toop
Neben dem norwegischen Saxofonisten Torben Snekkestad, der französischen Kontrabassistin Joelle Léandre und dem Multi-Instrumentalisten David Toop waren an diesem Abend auch die Geigerin Gunda Gottschalk, der Gitarrist Erhard Hirt und der Holzbläser Philippe Micol auf einer Klangreise zu hören. Das Projekt Klangreise begann im Jahr 2010, als fünf Veranstalter aus fünf Städten in Zusammenarbeit mit dem NRW KULTURsekretariat Wuppertal das Format Soundtrips NRW aus der Taufe hoben. Neun Jahre und 45 Konzerttouren später ist daraus eine Erfolgsgeschichte und ein Netzwerk von elf beteiligten Städten mit inzwischen internationalem Renommee geworden.
Dies war Anlass genug, im Spätherbst 2019 ein viertägiges Festival in Moers, Bonn, Wuppertal und Münster zu veranstalten: Vier Tage voller interessanter musikalischer Begegnungen und Kontraste! Protagonist des 46. Soundtrips NRW war der norwegische Saxofonist Torben Snekkestad, der in alle vier Abende des Festivals und in den anschließenden Soundtrip eingebunden war. Münster sah ihn zum Abschluss des Festivals.
Freie Improvisation aus Norwegen
Torben Snekkestad erkundet freie Improvisation und Jazz als Leader und Sideman. Er ist aber auch im klassischen Kammermusikspiel zuhause. Im Vorwege des Konzerts in Münster war Nachstehendes zu lesen: „Sein ausgeprägt poetisches Ohr, extrem erweiterte Spieltechniken und intuitive Improvisationen machen Snekkestad zu einem der inspirierendsten skandinavischen Saxofonisten überhaupt.“ Kopenhagen ist zurzeit der Lebensort des norwegischen Saxofonisten. Er unterrichtet am „Rhythmic Music Conservatory“ und am „The Royal Danish Academy Music“.
Grande Dame des Kontrabasses
Nicht zum ersten Mal war auch die Kontrabassistin Joelle Léandre Teil der Klangreise durch Nordrhein-Westfalen. Sie wurde 1951 in Aix-en-Provence (Frankreich) geboren und gilt als die „Grande Dame des Kontrabasses“. Sie interpretiert Neue Musik, ist aber vor allem als Improvisationsmusikerin bekannt. Léandre studierte in Paris und erhielt 1976 einen ersten Preis am Conservatoire de Paris. Als Studentin entdeckte sie sowohl den Jazz als auch die Neue Musik und war Mitglied des Ensemble Intercontemporain von Pierre Boulez. Während ihrer Studien mit einem Stipendium am Center for Creative and Performing Arts in Buffalo begegnete sie u. a. John Cage, Morton Feldman und Giacinto Scelsi. Mit Irène Schweizer und der Sängerin Maggie Nicols spielt sie seit den frühen 1990ern im Trio Les Diaboliques. Ihre Musik ist auf mehr als 150 Tonträgern dokumentiert.
Multi-Instrumentalist mit selbstentwickelten Musikinstrumenten
Der britische Multi-Instrumentalist David Toop ist nicht allein Musiker, sondern auch Schriftsteller und Musikjournalist. Er gründete 1964 seine erste Band, in der er im Gegensatz zu heute lediglich Gitarre spielte. Das Ausloten der Grenzen von Klang, Hören, Musik und Material ist ihm auf den Leib geschneidert. Er veröffentlichte dreizehn Soloalben sowie eine Reihe von gefeierten Büchern, darunter "Rap Attack" (1984), "Ocean of Sound" (1995), "Sinister Resonance" (2010), "Into the Maelstrom" (2016), "Flutter Echo" (Japan 2017/2019) und "Inflamed Invisible: Schreiben über Kunst und Klang 1976-2018" (November 2019). In den letzten Jahren arbeitete er unter anderem mit John Butcher, Ken Ikeda, Elaine Mitchener, Henry Grimes, Alasdair Roberts, Fred Frith und vielen anderen zusammen. 1977 rief er gemeinsam mit Steve Beresford, Peter Cusack und Terry Day das heute Kultstatus genießende Improvisationsquartett „Alterations“ ins Leben.
An diesem frühen Sonntagabend war die „Schwarze Kiste“ überaus gut besucht. Nach einer sehr kurzen Einführung durch Erhard Hirt und Gunda Gottschalk wurden verschiedene Duos und Trios präsentiert, die die am Festival beteiligten Musiker formten. Den Auftakt machten Torben Snekkestad und Philippe Micol, zwei Holzbläser, die ihren „Windmaschinen“ nicht nur aufsteigende, verquirlte Winde und leichte Orkane entlockten, sondern zudem ein Spektrum ganz unterschiedlicher Klangfarben jenseits von Windwirbeln zu bieten hatten.
Improvisierte Sopransaxofonwellen
Mal waren die beiden Sopransaxofonisten schnalzend zu vernehmen, mal auch hochtönig-sirenenhaft. Kurztönig waren beide angebunden. Lange melodische Linien waren nicht zu vernehmen. Trillernd äußerten sie sich, und bisweilen hatte man den Eindruck Sing- und Höckerschwäne würden klanglich imitiert. Ein Schnarren und Gurren umfing die Anwesenden außerdem. Waren da nicht auch Klarinetten- und Flötentöne mit im Spiel, als die Improvisationen ihren Lauf nahmen?
Geräuschmusik durchzog den Vortrag. Ab und an war man der Meinung, akustisch werde die Welt der Stahlherstellung einschließlich des Schlagens von Hammerwerken eingefangen. Immer wieder vernahm man aber auch ein erregtes Zwiegespräch. Moment, da schien ja Torben Snekkestad gar ein Lamento einzuweben. Ihm waren auch zarte und leise Klangfolgen zu verdanken. Philippe Micol hingegen winkelte ein Bein an und legte darauf den Trichter seines Saxofons ab. So erzielte er gedämpfte Tonfolgen.
Atemzyklen vermischte sich mit zartem Röhren. Alarmrufe breiteten sich aus. Klangliche Wiederholungen waren keine Seltenheit. Klangkaskaden ergossen sich. Flirren und Flattern, so als ob die hochfrequenten Flügelschläge von Kolibris aufgenommen wurden, hörten die sehr zahlreich ins cuba Gekommenen.
Klang von Papier und Papiertüten
Nach dem Duo war es dann an dem Trio bestehend aus Joelle Léandre, David Toop und Torben Snekkestad den weiteren Abend zu gestalten. Tieftöniges traf auf eine gedämpfte Trompete. Spielte da David Toop etwa eine asiatische Bambusflöte oder eine eigens hergestellte Flöte, die in den Klangfärbungen zwischen Ney und Shakuhachi anzusiedeln war?
Kurz angespielt durch Bogenstrich wurden die Basssaiten. Finger wanderten nach dem Anschlag auf den Saiten am Hals des Basses empor. Eine Pappröhre (?) verwandelte sich in ein Perkussionsinstrument. Windrausch drang ans Ohr. Ein kreisender Bogen brachte die Basssaiten zum kurzzeitigen Schwingen. Vogelgezwitscher mischte sich ins Spiel. Dank Aufsteckmikrofonen auf den vorhandenen Papiertüten und durch das Bewegen und Drücken der Tüten wurden Klänge über einem „Effektmodulator“ erzeugt. Schwarzes Seidenpapier raschelte leise. Torben Snekkestad ließ dazu das Sopransaxofon lamentieren.
Immer wieder „intervenierte“ Joelle Léandre, brach die Klangformen der Mitspieler, kommentierte diese, auch die Vogelstimmen, die David Toop zu verdanken waren. Zu Schrrdrrbrr und tähtsischtätä sowie ähnlichen Lautgesängen verstieg sich Joelle Léandre im weiteren Konzertverlauf. Sinuskurven erfüllten die „Schwarze Kiste“. Und schließlich wurde auch ein gezogenes Gummiband zu einem Klangkörper.
Ein E-Gitarrist traf auf einen Multi-Instrumentalisten
Minimalistisches stand auf dem Programm, als sich Erhard Hirt und David Toop begegneten. Schwingungen und Beischwingen erzeugte Erhard Hirt auf seiner „Pedal Steel Guitar“ ohne Pedal. Ja, er hatte seine E-Gitarre vor sich gelegt und ließ ab und an kleine Stäbchen auf die Saiten niedersausen. Knarren und Knarzen von Dielenbrettern hörten wir. Das Geräusch von Schaben traf auf oszillierende Frequenzen. Eine eigenwillige Kinderliedmelodie kam zur Aufführung. Eine wippende Gitarre ließ sich darauf ein und verfremdete die Melodie, die David Toop vorgezeichnet hatte. Dschungelstimmen waren auch gegenwärtig, oder?
Dezente Techno-Klänge vermischten sich mit Synthesizer-Anmutungen. Doch einen Synthesizer gab es gar nicht, aber eine modulierte E-Gitarre. Ein Trio von trichterförmigen Papiertüten stand zeitweilig im Fokus. Außerdem spielte geknülltes und auseinander gefaltetes Papier eine entscheidende Rolle beim Duospiel zwischen Erhard Hirt und David Toop. Doch am Ende setzte die präparierte E-Gitarre den Schlussakkord.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
cuba Black Box
http://www.blackbox-muenster.de
Torben Snekkestad
http://torbensnekkestad.com/biography/
Joelle Léandre
https://www.joelle-leandre.com
David Toop
http://davidtoop.com
Philippe Micol
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