Simon Camattas LOVE Quartett in der Altstadtschmiede Recklinghausen

Das Simon Camatta LOVE Quartett in der Besetzung Simon Camatta (drums), Felix Carlos Fritsche (alto sax, clarinet, piccolo flute), Johannes Nebel (double bass) und Florian Walter (alto & baritone sax, contrabass clarinet, flute) spielten in der Altstadtschmiede Jazz zum Thema Liebe. Wer „Love me tender“, „When a man loves a women“, „Love potion number 9“ oder „Love is all you need“ erwartete, war an diesem Abend in der Altstadtschmiede Recklinghausen am falschen Ort zur falschen Zeit. Wer auf seichte Unterhaltung und auf gepflegten Small Talk mit Freunden und Bekannten an diesem Abend in der Altstadtschmiede war, war eigentlich auch am falschen Ort, obgleich offenbar zahlreiche Zuhörer nur zu diesem Zweck gekommen waren. Insgesamt war das Konzert von einer ständigen Unruhe begleitet. Augenscheinlich war ein Großteil der Gäste nicht bereit und willens, sich auf Camattas musikalische „Liebesexperimente“ einzulassen. Kommentare wie „Das ist mir zu intellektuell“ waren noch die harmlosen Bemerkungen während des Konzerts. Teilweise war das Verhalten der Zuhörer respektlos. Außerdem war nicht zu verstehen, warum diejenigen blieben, die mit der Musik zwischen Improvisationen und Free Jazz nichts anzufangen wussten. Warum gingen sie nicht, sondern störten wie Pennäler den Konzertverlauf?

Gewiss, die Kost war nicht einfach, auch weil sie mit Lyrik angereichert war, die Felix Carlos Fritsche, Simon Camatta und Florian Walter vortrugen, Lyrik zum Thema Liebe. Da musste man ebenso aufmerksam zuhören wie bei der aufwühlenden, wilden, vielleicht auch „orgiastisch“ anmutenden Musik die Ohren spitzen. Die Mehrzahl der Gäste war dazu augenscheinlich nicht bereit. So schien es, als hätten die vier Musiker Perlen vor die Säue geworfen. Eigentlich hätten sie schlicht aufhören müssen, ein komplettes Konzert zu spielen. Wären nicht auch schweigende Instrumente die richtige Ansage gewesen?
Dass Simon Camatta ob der Provokationen „Haltet doch mal die Klappe“ über die Lippen kam, war mehr als nur verständlich. Neben den zwei Standards „Beautiful Love“ (Victor Young) und „Like Someone in love“ (Jimmy Van Heusen) gab es eine Reihe von Eigenkompositionen zu hören, ob nun “Ode an Leonardo di Caprio” von Florian Walter oder “Zur Nacht” und “Du” (Simon Camatta). Auch diese Tatsache wurde teilweise aus dem Publikum heraus bespöttelt, was absolut unannehmbar war: “Ach, schon wieder eine Eigenkomposition”.

 

Tieftönig und getragen begann das Konzert. Assoziationen an ein Abendlied keimten auf. Nach dem Zwiegespräch von Florian Walter und Felix Carlos Fritsche, die beide Klarinette spielten, stiegen dann Johannes Nebel und Simon Camatta ins Geschehen ein, setzten flotte Rhythmen und brummige Tonsprünge. Besen tanzten geschwind auf den Fellen des Schlagwerks hin und her. Grunzend und knurrend gaben sich die Klarinetten. Dazu gesellte sich ein in sich ruhender Bass, der im Fortgang des Stücks irgendwie auf Do-Re-Mi-Fa-So eingestimmt zu sein schien. Simon Camatta ließ dazu seine Sticks auf Hi-Hat und kleine “Klangschalen” niedersausen, die er auf seine Trommeln platziert hatte. Nach und nach verflog die Aufgeregtheit, die im Verlauf des Stücks zu vernehmen war.

Zur Gender-Frage, so Simon Camatta wohl mit einem gewissen Augenzwinkern, nahm die Band anschließend Stellung, als Florian Walters “Ode an Leonardo di Caprio” erklang. Für seine Ode griff Florian Walter auf sein Baritonsaxofon zurück, derweil Felix Carlos Fritsche seinem Sopransaxofon die hohen Töne entlockte. Beide hatten ihre Minuten, mit und ohne Geschnalze. Ein forsches Tempo forderte Simon Camatta am Schlagzeug, ehe dann eine dialogische Passage zu hören war, in der Erregung auf Mäßigung traf. Florian Walter und Felix Carlos Fritsche zeigten sich dabei in ihren Rollen jeweils überaus souverän. Simon Camatta kam derweil mit Tickticktick und Tacktacktack ins Spiel, und Johannes Nebel „kletterte“ mit seinen Zupffingern über den Bauch seines Tieftöners, der dann auch Hochtöniges preisgab. Zwischenzeitlich hatte der Zuhörer auch den Eindruck von Rabatz und Aufstand.

Nachfolgend entführte uns Felix Carlos Fritsche mit einem Gedicht in die Nacht. Wir hörten vom Liebesstrahl, der den stillen Knaben entzückt und vom Tag, der vergangen ist. Zu Beginn der Komposition flirrten die Klarinetten. Johannes Nebel ließ dazu den Bogen über die Saiten seines Kontrabasses “rattern”. Die aufkommende Klangstimmung schwankte zwischen Wehklage und Entrüstung. Zwischenzeitlich musste der Berichterstatter auch ein wenig an den Hummelflug denken – einen sehr kurzen Moment lang. Anschließend schien Florian Walter dem Melodiösen auf der Spur zu sein. Doch das war ebenfalls nur von sehr kurzer Dauer.

Für die Komposition “Du” aus der Feder des Bandleaders Simon Camatta griffen Florian Walter zur Querflöte und Felix Carlos Fritsche zur Bassklarinette. Tieftöniges vermischte sich mit “Frohlocken”. Konzertantes durfte man im Fortgang aber nicht annehmen. Säuselnd gab sich die Flöte anschließend, knurrend-knarrend die Klarinette. Schläge auf den Rand der Trommeln waren die ständigen Begleiter.

Der weitere Abend hatte auch etwas von einem Happening, wenn auch ungewollt. Mit Sinn für Sarkasmus pries Simon Camatta die Alben an, die man verkaufe. Ja, man habe auch Vinyl, das ja alle hier kennen, durchsichtig, grün und lila. “Das kann man sich auch an den Tannenbaum hängen und muss es sich nicht anhören”, so Felix Carlos Fritsche. Als “Zwischentext” wurde ein weiteres Gedicht vorgetragen, von einer Frau, die im Bergbach ein Bad nimmt. Setzte die Musik ein, so schwappte eine tonale Riesenwelle durch die Altstadtschmiede. Der im Gedicht erwähnte Bach schien zu kaskadieren, über die Ufer zu treten und sich neue Wege zu bahnen. Die Anwesenden schienen mehrheitlich desinteressiert daran.

Was eine Jukebox mit Liebe zu tun hat, das wusste der Lyriker Albert Ostermaier, dessen Gedicht Simon Camatta zum Besten gab, begleitet von Gemurmel aus dem Publikum, das sich teilweise wie pubertierende Pennäler verhielt. Der Kommentar “Das ist ja bedeutungsschwer” war zu vernehmen. Das wiederum forderte Simon Camatta zu der ironischen Bemerkung “Das tut mir leid.” heraus. Auch in diesem Stück erwies es sich, dass das “Liebesquartett” eine Vorliebe für schräge und spitze Töne hat, dass das Fordernde und Widerborstige ein Teil dieser Musik ist.

Es ist den Musikern zu wünschen, dass sie bei weiteren Auftritten auf ein Publikum treffen, das sich offener als in Recklinghausen zeigt. Wer zu einem Konzert mit Free Jazz geht, der sollte auch bereit sein, den Kopf einzuschalten, der sollte motiviert sein, Neues in sich aufzunehmen. .

Fotos und Text © ferdinand dupuis-panther

Weitere Informationen

Besetzung
Felix Carlos Fritsche - alto sax, clarinet, piccolo flute
https://soundcloud.com/felix-fritsche
http://www.felixfritsche.de/kapellen/

Florian Walter - alto & baritone sax, contrabass clarinet
https://vimeo.com/user13618981
http://florianwalter.yolasite.com/adhoc.php

Johannes Nebel – bass
https://www.youtube.com/watch?v=YesvuMybhcg
http://www.musikschule-am-aaltotheater.de/johannes_nebel.html

Simon Camatta – drums
https://soundcloud.com/simoncamatta
http://simoncamatta.de/

Venue
Jazzini Recklinghausen
https://www.facebook.com/jazzinire


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