Eigenes und die Vorliebe für Standards
Wer den Bunker Ulmenwall in Bielefeld am Ostersamstag besuchte, ein Tief- und kein Hochbunker, der erlebte das Kölner Quartett um den Pianisten und Komponisten Simon Below. Ihm zur Seite standen Fabi Dudek (as), Jan Philipp (dr) und Yannik Tiemann (b).
Offenheit traf auf Gebundenheit
Die vier jungen Musiker sind zurzeit noch Studenten im „Fach“ Jazz an der Hochschule für Musik Köln. Ihr Zusammenspiel war überaus ausufernd und voller Energieladung angelegt! Stets verschränkten sich Offenheit und Gebundenheit. Bisweilen schien sogar ein Hauch Free Jazz durch den Bunker zu wehen. Dialogisches traf auf Kontroverses. „Kontrapunktisches“ war zu vernehmen, hier Lyrisches und dort Expressives mit gewisser Zügellosigkeit, wenn das Quartett zeitweilig auf das Duo Simon Below-Fabi Dudek heruntergebrochen wurde. Zirkulierende Solos waren keine Seltenheit.
O-Töne von Simon Below
Hören wir mal Simon Below selbst. „Nicht alles von A bis Z in einer Komposition festzuhalten, ist für den Sound der Band elementar. Prozesse der Improvisation und Kommunikation sollen nicht durch zu viele Vorgaben gestört werden. Im Fokus steht, ästhetische Musik zu machen.“, so sieht es Simon Below. Phasenweise standen dann auch freie Improvisationen im Fokus. Nochmals ein O-Ton des Bandleaders: „In meiner Band ist es wichtig, loszulassen von der Welt und tief einzutauchen in die Musik. Nur so kann ehrlicher Ausdruck erreicht werden!“
The Next Generation mit Tonträger
Warum Simon Below nicht darauf hinwies, dass ein Debütalbum seines Quartetts bei Double Moon fertiggestellt wurde und im Mai erscheinen wird, war ein wenig unverständlich. Aus 40 Bands wurde das Simon Below Quartett ausgesucht, um auf dem genannten Label in der Reihe Next Generation zu erscheinen. Wie mir Simon im Gespräch verriet, eine große Chance für eine Newcomerband, zumal mit dem Magazin „Jazz thing“ ein versierter Partner in Sachen Jazz vorhanden ist. Ohne dieses Magazin gäbe es übrigens eine derartige Nachwuchsförderung wohl kaum.
Eigenes und „Isfahan“
Den ersten Teil des Konzerts bestritt das Quartett mit Komposition aus der Feder von Simon Below, angefangen bei „Into The Forest“ über „Makada“ und „Wailing Wind's Story“ bis zu „Late Mate“ und „Meditation“, letztere Komposition übrigens abseits von New Age. Warum das Quartett nicht seine jüngst eingespielte, aber noch nicht veröffentlichte CD in Gänze vorstellte, war etwas rätselhaft. Im zweiten Teil des Konzerts jedenfalls spielte die „Viererbande aus Köln“ Standards, unter anderem „All of You“ (Cole Porter) sowie „Isfahan“, aber auch „On Green Dolphin Street“. Simon Below begründete dies damit, dass sie alle darauf Lust gehabt hätten. Doch für die Anwesenden war das schon eine kleine Überraschung. Die Erwartungshaltung war wohl eher auf weitere Eigengewächse der Band gerichtet und nicht auf, wenn auch zum Teil recht freigeistige, Interpretationen von Standards wie Billy Strayhorns „Isfahan“ oder „On Green Dolphin Street“, einem Song, den Keith Jarrett ebenso wie Miles Davis und Bill Evans im Programm hatte.
In den Wald und ...
Ein dumpf getakteter Bass wurde zu Beginn von „Into The Forest“ vom pulsierenden Tastenklang, den Simon Below verantwortete, überlagert. Dahinschmelzend zeigte sich das Spiel von Fabi Dudek auf dem Altsaxofon, das im Verlauf des Abends sich ab und an auch in Sopranhöhen aufschwang und im Duktus des Spiels dann auch an Sydney Bechets Klangarabesken erinnerte. Doch im ersten Stück des Abends durfte das Altsaxofon eben Altsaxofon sein, dominierend in den Einfärbungen der Komposition. Hier und da wähnte man sich angesichts der Melodielinien und des Duktus auf einer Zeitreise zurück in die Geschichte des Jazz der 1950er und 1960er Jahre.
Als Simon Below das musikalische Zepter fest in der Hand hielt, meinte man, man laufe über einen flauschigen Klangteppich, der da im Bunker ausgerollt werde. Schmetternde Becken und Fellstakkato waren zu vernehmen. Aufgewühlt, umtriebig, trillernd und trällernd gab sich Fabi Dudek am Altsaxofon, das sich gegenüber den Verwirbelungen des Schlagwerks zu behaupten suchte. Es schien, als provoziere Jan Philipp, als treibe er seine Mitspieler an und vor sich her, forciere das Tempo und ändere die „Fahrtrichtung“, ehe der Song dann ein wenig abrupt endete.
Zwischen Abendlied und Trauermarsch in New Orleans
Von der dunkel gefärbten Seite zeigte sich der Bass in der Einleitung von „Makada“. Schlägel ließ Jan Philipp über Snare und Toms tanzen, derweil auch der Griff in den Flügelkorpus zum Arrangement gehörte. Weichklang entlockte Fabi Dudek seinem Holzbläser, wobei der Gedanke an ein beschauliches Abendlied bei dem einen oder anderen wohl aufkeimte. Hintergründig und sehr zurückhaltend agierte im weiteren Simon Below am Flügel.
Eine leichte Brise, einen zarten Windhauch, einen leichten Wellenschlag und sommerliche Ausgelassenheit – das verspürte man im fortschreitenden Spiel des Altsaxofonisten des Quartettes. Der Bass hingegen evozierte in seinem Solo das Bild von Wasserspielen, die sich über zahlreiche Terrassen ergießen. Das „Plätschern“ vereinte sich zeitweilig mit dem Tacktack und Ticktick des Schlagwerks, kurz und nur angerissen. Kranichrufen glich das, was im Nachfolgenden aus dem Trichter des Altsaxofons nach außen drang.
Farbwechsel wie bei einem Chamäleon
Klagende Winde waren an diesem Abend im Bunker Ulmenwall auch zu hören. Dunstige Klangpassagen breiteten sich aus. Verlaufenen Aquarellfarben glich das, was an unser Ohr drang. Wohlgesetzte farbige Kleckse sah man vor seinem geistigen Auge, insbesondere bei Simon Belows Spiel mit den schwarzen und weißen Tasten. In aller Mächtigkeit mischte sich der Bass mit ins Geschehen ein. Es war schon eine besondere Poesie, die Fabi Dudek da mit seinem Altsaxofon ins Spiel einbrachte.
Wie ein Chamäleon wechselte das Quartett die Klangfärbungen, auch bei „Late Mate“, brach das gemeinsame Spiel auf, ließ Trios und Duette zu. Das Farbmuster reichte von Umbra und Siena bis Tannengrün und Aubergine, dabei in Schlieren verlaufend. Bildhaft gesprochen konnte man sich zur Musik auch die Drippings von Jackson Pollock vorstellen. „Melodietreue vs. Formensprünge“ so lautete m. E. das Motto.
All Of You und ...
Waren im ersten Konzertteil die Wechsel zwischen gebundenen und offenen Linien zu konstatieren, so setzte sich dies stellenweise auch bei der Interpretation der Standards fort. Hier und da meinte man, Oscar Peterson wäre zugegen, als „All Of You“ zu hören war. Beschwingt-swingend wurde der Titel interpretiert. Zudem verfing sich die Interpretation auch in einem Ansatz von Free Jazz, insbesondere wenn Fabi Dudek am Zuge war.
Bei Billy Strayhorns „Isfahan“ drängte sich gar die Vorstellung auf, der Saxofonist hätte sich Sydney Bechet zum Vorbild genommen und entlocke seinem Altholzbläser nun weiche Sopranlagen. Geschichte aus 1001-Nacht wurden zelebriert. Weichschraffuren entstanden am aufgeklappten Tastenmöbel.
Aufmüpfig und angesäuert gab sich das Altsaxofon in „On Green Dolphin Street“, während eine gewisse Schmalzigkeit und Nähe zu einem „Gassenhauer“ bei „I'll be seeing you“ nicht wegzuwischen war. Dabei gelang es dem Quartett allerdings hier und da, eine Art ziselierte Persiflage zu präsentieren.
Der Beifall am Ende des Konzerts war herzlich, aber nicht überschwänglich. Gewiss hing das auch mit den Erwartungen des Publikums zusammen, das wohl eher auf Belows Kompositionen neugierig war und nicht so sehr auf das Rüstzeug eines jeden Jazzmusikers.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther. Text und Fotos sind nicht public commons.
Informationen
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