Thelonious Monk - Tonhalle Hannover 28.4.2024
In der Ankündigung des Konzerts lasen wir: „Der afroamerikanische Jazz-Pianist Thelonious Monk gehört zu den bedeutendsten und nach wie vor einflussreichsten Persönlichkeiten der Jazzgeschichte. Sein künstlerisches Schaffen umfasst mehr als 70 Kompositionen und seine Zusammenarbeit mit den wichtigsten Musiker*innen des Jazz war wegweisend für die Entwicklung der populären Musikgeschichte. Weltweit widmen sich auch heute noch Musiker*innen seinem Werk und nutzen die Kompositionen und Aufnahmen Thelonious Monks, um sich musikalisch weiterzuentwickeln, eine individuelle Klangsprache zu finden oder einfach nur gemeinsam zu jammen.“
Die Beschäftigung mit Monk trifft auch auf das Round-up-Trio zu, bestehend aus Richard Häckel (Tenorsaxofon), Johannes Keller (Kontrabass) und Leo Weber (Schlagzeug). Für ein Konzert in der Tonhalle konnten sie den Berliner Saxofonisten Uli Kempendorff dazu gewinnen, um im Quartett ein Programm zu spielen, das sich ausschließlich Monk widmete.
Monk gehört ähnlich wie Parker, Coltrane, Mingus und Miles zu den innovativen Köpfen des Jazz. Ihre Kompositionen und Auftritte gelten als Meilensteine des Jazz. Sich also diesen Größen und deren Musik zu nähern, setzt intensive Recherchen voraus. Zudem, und das hat das Round Up Trio getan, sollte man es tunlichst unterlassen, die Originalbesetzungen der Genannten zu kopieren. Im vorliegenden Falle hieß das, dass man kein Klaviertrio bildete, sondern ein Saxofon-Trio. Hier sei angefügt, dass Monk durchaus mit größerer Besetzung auftrat. Bei der Einspielung von „Brilliant Corners“, auch Teil des Konzertprogramms in der Tonhalle, trat Monk mit Ernie Henry (Altsaxophon), Sonny Rollins (Tenorsaxophon), Oscar Pettiford (Kontrabass), Max Roach (Schlagzeug, Pauke), Clark Terry (Trompete) und Paul Chambers (Kontrabass) auf. Mit anderen Worten distinktes Gebläse war in der Musik von Monk durchaus vorhanden.
Beim Konzert waren gleich zwei Tenorsaxofonisten zu hören und das mit ganz eigenen Ausformungen des Klangbilds und des Duktus. Uli Kempendorff war eher in klanglichem Action Painting und in Happenings eines A.R. Pencks unterwegs, derweil Richard Häckel Gouachen des Klangs zum Besten gab. Gewiss, diesen „Bildvergleich“ mag man als Verkürzung ansehen, aber er versucht zu beschreiben, was die Anwesenden zu hören bekamen. Die Tonhalle war im Übrigen sehr gut gefüllt, das Publikum beim Zuhören sehr konzentriert und zum Abschied der Musiker gab’s herzlichen Applaus. Auf den folgte dann eine Zugabe auf den Fuß, ehe es hinaus in den lauen Frühlingsabend ging.
Positiv ist besonders hervorzuheben, dass keine Notenständer mit IPads oder Notenblättern den Blick auf die Musiker verstellte. Es wurde also nicht vom Blatt gespielt, was eh für Jazzer sehr unüblich ist, aber nach Erfahrung des Berichterstatters immer häufiger bei Konzerten zu erleben ist. Nur gelegentlich wurden die Stücke namentlich benannt, sodass sich auch ein steter Spiel- und Klangfluss ergab. Dabei wurden die Zuhörer in den Bann von Bebop gezogen, schienen wir eine Zeitreise in die 1940er bis 1960er Jahre zu unternehmen. Gelegentlich swingte die Musik. Tanzbar schien sie hier und da auch zu sein, obgleich das Tanzen zu Jazz bei Bebop-Musikern verpönt war. Sie verstanden sich als Vertreter von E-Musik, traten in dunklen Anzügen auf, ähnlich wie weiße Musiker in klassischen Orchestern. Das war in der Tonhalle jedoch nicht der Fall. Doch diesen „Stilbruch“ konnte man verschmerzen. Die Musik sprach für sich.
Gespielt wurden zwei Sets mit einer kurzen Pause zwischen den Sets. Auf dem Programm standen Stücke wie „Bye Ya“, „I Mean You“, „Evidence“ und „Pannonica“ sowie „We See“, „Boo Boo’s birthday“, geschrieben für die Tochter Monks, und „Bemsha Swing“. Beim Zuhören ging dem Berichterstatter im Übrigen ein Satz des Posaunisten Ed Kröger durch den Kopf, der in einem Gespräch mal sagte, es gehe nicht um das Was, sondern stets um das Wie. Und genau um dieses Wie ging es in der Tonhalle, und das vom ersten Ton an!
Mit einem Drumming, das an eine Marching Band denken ließ, eröffnete das erste Stück des Konzerts, ganz im Duktus des Originals. Und auch das anschließende Saxofonspiel des Quartetts wich nicht wesentlich vom Original ab. Sonorer Saxofonklang mischte sich mit dem hintergründigen Bassgezupfe. Die dunkle Klangfärbung war ein prägnanter Gegensatz zum klanglichen Fluss der beiden Holzbläser. Nein, ein Klaviersolo wie im Original hörten wir nicht. Das war ja angesichts der Besetzung auch nicht zu erwarten. Statt dessen hob Richard Häckel zu einem Solo an. Der Eindruck von dahin schwebendem Klangnebel stellte sich ein. Zu dem sehr melodischen Singsang des Bläsers setzte der Drummer Blechschwirren und dezenten Snareklang. Als Uli Kempendorff solistisch an der Reihe war, füllten eher gutturale Klänge den Raum. Ab und an ließ Kempendorff sein Instrument auch röhren. Glitt der Saxofonist dabei nicht auch in die Stimmlagen des Altsaxofons ab? Jedenfalls stellte sich das Bild von verknoteten Klanglinien ein, lauschte man dem Fortgang des Stücks. Schließlich mündete das Spiel des Quartetts erneut in das Thema ein.
Wer das Original von „Brilliant Corners“ kennt, weiß um die Klavier-Eröffnung Monks mit dem typischen „Plink-Plank-Plonk- …“. Wie gesagt, das Klavier war als Harmonieinstrument bei der Quartettbesetzung nicht vorhanden. Das war aber kein Problem. Die beiden Saxofonisten füllten spielend den Klangraum, der ursprünglich dem Klavier vorbehalten war. Temporeich legten die Musiker das Stück an. „Kleine Klangfluchten“ wurden vor unseren Augen vollzogen. Mit Ecken und Kanten, zudem verwegen zu nennen, so spielte Uli Kempendorff. Vermittelte er uns nicht auch gebrochene Klänge nebst lyrischen Zügen? Richard Häckel hingegen spielte weniger schrill, aufbrausend und aufgebürstet wie sein Mitspieler am Saxofon. Mit „einem Hoch und mit einem Tief“ bezog der Bassist in seinem Solo Position, Dabei schien Johannes Keller durchaus den Monkschen Ansatz nachzuempfinden, das oben bezeichnete „Plink-Plank-Plonk“. Anschließend vernahm man wohl kanonähnliche Folgen, auch in der Themenumsetzung. Der Schlussakkord gehörte dem Drummer.
Tenor- oder Altsaxofon-Klang – das fragte man sich, als „I Mean You“ zu hören war. Das Stück entwickelte Swing, wenn auch nicht im klassischen Wortsinn. Ein Tänzchen aufs Parkett zu legen, schien beim Zuhören nicht abwegig zu sein. Doch Swing wurde in der Tonhalle nicht getanzt. Das hätte die Konzertsituation auch gesprengt! Es gab Intermezzos der beteiligten Musiker, die paraphrasierend das Thema modulierten. So stieg Uli Kempendorff auf das flinke Fingerspiel des Bassisten ein; es entwickelten sich die Klangfolgen gleichsam an einer Perlenschnur aufgezogen. Da gab es keine Fragmentierungen, sondern Klangmosaike, die aneinander gefügt wurden. Man konnte außerdem Mäander des Klangs erleben. Dunkle Bassklänge vereinten sich mit harten Schlägen auf Toms und Snare. Ein Hochgenuss war wie in anderen Stücken das „Unisono“ der Bläser.
Mit „Pannonica“ stand ein Stück auf dem Programm, das Monk seiner Mäzenin Pannonica de Koenigswarter gewidmet hat. Beim Zuhören hatten man die Vorstellung, man sei in einem bürgerlichen Salon zu einer Soiree eingeladen. Schmeichelnde Melodielinien waren zu erleben. Sanfte Klangnuancen entlockten die Saxofonisten ihren Instrumenten. Kreisende Besen streichelten Felle und tätschelten Bleche. Zwischenzeitlich drängte sich der Eindruck auf, das Quartett würde gar ein Couplet vortragen.
Wir erlebten in der Nachfolge das Setzen von Klangtropfen an Klangtropfen. Immer wieder zeigte sich das Quartett als nicht-monolitisch. Neben Soli der einzelnen Musiker erlebten wir auch Duos, insbesondere der beiden Saxofonisten. Sie nahmen uns mit auf eine Reise auf dem Fliegenden Teppich. Farbige Klangschlieren waren auszumachen, aber auch ein sehr provokantes, rotzig-freches Spiel, das Uli Kempendorff verantwortete. Klangsprünge wurden obendrein vollzogen. Bisweilen dachte man, der Klangfaden hätte ewig weitergesponnen werden können.
Wie gesagt, das, was wir hörten, klang nach Tanzbarkeit, nach Pop-Musik vergangener Tage, so auch „We See“ zu Beginn des zweiten Konzertteils. Geprägt war das Stück durch die wechselnden Soli der Saxofonisten. Das klang dann wie bei einem Chor nach Vorsänger und Chorgruppengesang. Wie ein Kinderlied kam „Boo Boo’s Birthday“ daher. Eigentlich meinte man, dass man dabei eine Kinderkapelle vor Augen habe, die mit Trommel und Tröte unterwegs ist. Und dann gab es ja noch eine Zugabe: „Friday 13th“ – und das an einem Sonntag.
Das Konzert überzeugte, auch weil die beiden Saxofonisten ihrem eigenen Stil folgten, dabei in gewissem Sinne als Antipoden auftraten. Gemeinsam schufen sie eine gelungene Klangcollage. Jazz-Allerlei und -Einerlei gab es nicht zu hören – und das war ein wahrer Ohrenschmaus.
Text und Fotos © ferdinand dupuis-panther
Info
https://tonhalle-hannover.de/konzerte/
Line-up
Uli Kempendorff – Tenorsaxophon
Richard Häckel – Tenorsaxophon
Johannes Keller – Kontrabass
Leo Weber – Schlagzeug
Tonhallenkonzerte im Mai und Juni 2024
5. 04. 2024 Duo Hanne – Smidt
Schlagzeuger Willi Hanne und Pianist Lennart Smidt treffen sich auf der Bühne für ihren musikali- schen Dialog zwischen Groove, Jazz und frei improvisierter Musik. Gemeinsam im Moment schaf- fend, erweitern die beiden die Klänge ihrer Instrumente und schöpfen virtuos aus dem Vollen der unendlichen Möglichkeiten. Mal melodisch, mal mysteriös, mal tanzend, immer frei.
Willi Hanne (Schlagzeug & Objekte)
Ein Grenzgänger in verschiedenen musikalischen Bereichen mit Vorliebe für improvisatorische In- teraktion. Durch Soundmalerei und rhythmische Abstraktion, gepaart mit geräuschhaften Klängen, lädt er die Zuhörer und seine Mitmusiker immer wieder zu klanglich spannenden Abenteuern ein. Willi Hanne studierte Schlagzeug an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Er ist an verschiedenen Institutionen und Hochschulen als Musiker und Instrumentalpädagoge tätig. Willi Hanne erhielt mehrfach Auszeichnungen und Musikpreise, darunter den 2. Preis beim Internatio- nalen Improvisationswettbewerb der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig. Er ist in diversen Ensembles und als Solist in der U- und E-Musik sowie in stil- übergreifenden Projekten und Theaterproduktionen tätig. Er wirkte an vielen Rundfunk-, Fernseh- und CD-Aufnahmen mit, tourte im In- und Ausland und spielte auf internationalen Musikfestivals. Zudem lehrt er am Institut für Musik und Musikwissenschaft in Hildesheim.
Lennart Smidt ist Pianist, Komponist und Dozent. Künstlerisch zwischen Jazz und Improvisation tä- tig, ist er Mitglied zahlreicher Ensembles und leitet das „Organic Trio“ an Hammond und Keyboard. Zudem tritt er häufig in interdisziplinären Projekten auf, wie etwa 2022 mit Komposition und Kla- vier für „100 Saiten Beuys“. 2024 erscheint sein erstes Solo-Album als Pianist. Aufgewachsen mit klassischer Musik, erlernte er Jazzvermittlung in unterschiedlichsten Kontexten und Kulturen kennen. Smidt unterrichtet an der Universität Hildesheim und arbeitet seit 2010 als Klavierlehrer.
12.05.2024 ABSOLUTELY SWEET MARIE
26.05.2024 „Stone Flowers“
02.06.2024 TonHallerOrchester feat. Cymin Samawatie (Rampe!)
09.06.2024 Holger Scheidt Quartet
16.06.2024 Brad Henkel Quartet
23.06.2024 Tru Cargo Service
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