Pascal Bartoszak Quartett – Common Ground

Kunsthalle Recklinghausen  28.1.2022






„Das Quartett um den Saxophonisten Pascal Bartoszak widmet sich mit seiner Musik der swingenden Jazztradition und bringt diese mit den Einflüssen heutiger Jazzströmungen voller Spielfreude auf die Bühne. Knapp vier Jahre nach der Veröffentlichung seines ersten Albums „Back To Trad“ präsentiert das Quartett nun sein neues Album unter dem Titel „Common Ground“. So las man es in der Vorankündigung des Konzerts.

Unter den eingeschränkten Bedingungen der pandemischen Lage war das Konzert bis auf den letzten Platz ausverkauft. Auf der „Bühne“ der Kunsthalle Recklinghausen standen der aus Dorsten gebürtige, nun in Köln lebende Altsaxofonist Pascal Bartoszak, der Pianist und angehende Lehrer für Musik und Physik Jacob Lüffe, der nicht an einem Konzerflügel, sondern am Keyboard saß, die Folkwang-Universität-Absolventin und Kontrabassistin Caris Hermes und der aus Hamm gebürtige, Folkwang-Universität-Absolvent und Drummer Niklas Walter. Die Gemeinsamkeit der Vier besteht nicht nur in den Anfangszeiten als Musiker im  Landesjugendjazzorchester NRW, sondern auch in der Vorliebe für einen Jazz, in dem die Melodie im Fokus steht. Zudem ist es auch der eher swingende Jazz ganz abseits von dem klassischen Swing eines Benny Goodman, den die vier Musiker schätzen.

  


Bisweilen hatte man im Verlauf der Konzerts den Eindruck, dass Momente des Bebop durchschienen. Miles Davis beschrieb Bebop einst so: „... es fehlten die Harmonien, die man auf der Straße vor sich hin summte, um sein Mädchen aufs Küssen einzustimmen. Der Bebop hatte nicht die Menschlichkeit eines Duke Ellington. Man konnte sich nicht einmal die Melodien merken.“ Von dieser Charakterisierung des Bebop grenzte sich die Musik, die im Konzert zu hören war, total ab. Thematische Linien und der melodische Impetus waren ohne Frage sehr stark ausgeprägt. Ab und an meinte man Cannonball Adderley würde vorbeischauen. In kurzen Momenten schien auch David Sanborn gegenwärtig zu sein.


Der Bandleader Pascal Bartoszak, wie seine Mitmusiker Generation 30 und Vertreter der Next Generation in Jazz, hatte bereits in jungen Jahren renommierte Jazzpreise eingeheimst, so den Sparda Jazz Award, den Biberacher Jazzpreis und den Jungen Deutschen Jazzpreis Osnabrück. Im Vorfeld hatte ich die Gelegenheit mit Pascal Bartoszak ein Interview zu führen, in dem er deutlich machte, dass nicht so sehr Legenden des Altsaxofons wie Charlie Parker, Paul Desmond und Cannonball Adderley seine Vorbilder sind, an denen er sich orientiert. Für den Kölner Altsaxofonisten sind vielmehr Musiker wesentlich, mit denen er zusammenspielt, auch die, die in der WDR-Big Band aktiv sind, darunter Paul Heller.

Eröffnet wurde der Abend mit „Swift“, gefolgt von „Common Ground“. Wer den samt-seidenen Klang eines Altsaxofons, wie es Paul Desmond zu spielen pflegte, erwartete, wurde eines Besseren belehrt. Selbstbewusst zeigte sich der Altsaxofonist, ohne das Spiel an den Klappen zu überdrehen, sonores Säuseln von sich zu geben oder gar völlig exaltiert daher zu kommen. Pascal Bartoszak blieb maßvoll, wusste energetisch aufgeladene Linien zu setzen und zu paraphrasieren. Am Bass zeigte sich Caris Hermes, die ihrem Tieftöner das Beschwingte von „Swift“ beibrachte und aufnahm, was der Saxofonist thematisch angesprochen hatte. Locker aus den Handgelenken agierte Niklas Walter an einem sehr überschaubaren Drumset, das lediglich zwei Toms, Snare, Bassdrum, Hi-Hat und zwei Bleche umfasste. Man könnte dabei von einem gewissen Purismus reden, der auf alle Extras wie Perkussions-Additive ebenso wie ein große Zahl von Blechen verzichtet. Für die beschwingten Kompositionen, die den Abend füllten, war dies aber völlig ausreichend. Walter agierte mit den Sticks und den Besen sehr dezent, gar eher zurückhaltend. In wenigen Intermezzos allerdings schuf er sich mehr und mehr Gehör.


Je länger man „Swift“ hörte, desto mehr verdichtete sich der Eindruck, man erlebe ein Stück New Yorker Broadway bzw. einen Abend im Vanguard oder Birdland, bei dem Tanzen angesagt ist. Dazu muss man wissen, dass über Jahrzehnte Jazz Pop- und Tanzmusik war, exklusiv. Erst mit dem Aufkommen von Rock’n’ Roll und der Beatmusik verlor der Jazz diese Funktion.

In einer kurzen Zwischenansage betonte Pascal Bartoszak, wie froh sie denn seien, endlich wieder vor Publikum spielen zu dürfen. Die Stücke, die wir im Konzert zu hören bekommen sollten, entstanden alle schon im Jahr 2019. Doch dank Covid19 war jetzt erst Gelegenheit, die CD „Common Ground“ öffentlich in Recklinghausen vorzustellen. Nach dem Einzählen zu „Common Ground“ durch den Schlagzeuger schienen die Anwesenden in einen Ballroom entführt zu werden Feine Klang-Verschleifungen durchzogen den Saal. Vor dem geistigen Auge sah man sich auf dem Tanzboden drehende Paare. Bei seinen Paraphrasierungen gab der Pianist Jakob Lüffe durch das Tippen seiner Schuhe auf den Boden selbst den Rhythmus vor. Derweil schwieg der Drummer. Dann allerdings hörte man doch Besengewische. Während sie die Bassseiten anschlug, wippte Caris Hermes zu den eigenen Basslinien. Für Wirbel und Verwirbelungen sorgte Niklas Walter, der seine Bleche schön schwirren ließ. Dazu erlebten wir feinste Klang-Kaskadierungen des Keyboardes.

  


Für „April Showers“ zeichnete der Pianist des Quartetts verantwortlich, während die ersten beiden Stücke aus der Feder des Altisten stammten. Weniger das Bild eines nachhaltigen feinen Nieselregens im April, der so gar nicht weiß, was er will, hatte der eine oder andere vor Augen, während er dem Wohlklang der Melodie lauschte. Man konnte auch an Nachtschwärmer denken, die durch fast menschenleere Straßen auf dem Heimweg sind. Das letzte Licht in den Wohnhäusern ist, so geht die weitere Erzählung, schon längst erloschen. Fahles Mondlicht trifft auf gedimmtes Laternenlicht. Ab und an schleicht ein Auto über die Straße. Beim Schlagwerkspiel konnte man hier und da ein Plingplongpling, sprich fallende Regentropfen, heraushören, oder? Eher getragen kam der Saxofonist in seinem Solo daher. Das klang nach Schwere, nach Ruhe, nach Abkehr von urbaner Hektik. Doch da gab es ja den Komponisten des Stücks und der tauchte uns dann in eine Regenfront ein, ließ Regentropfen für Regentropfen auf uns niedergehen, so der Eindruck.  Erlebten wir nicht auch einen Abschied ohne Wiederkehr, denn eher melancholisch ausgeformte Sequenzen waren ja obendrein zu hören?

Vor Freude in die Luft zu springen, das versprach „Jump for Joy“: Irgendwie mischte sich in das Stück auch ein wenig verwischter Bossa, also Latin Fever. Gerade in diesem Stück meinte man, dass der Altist durchaus in einen Duktus abglitt, der dem von Davd Sanborn ähnelt.  Caris Hermis konnte nachfolgend ihr Stück „Extraordinary People“ vorstellen. Die Tatsache, dass eine Bassistin als Komponistin in Erscheinung trat, bedeutete nun nicht, dass der Kontrabass im Fokus stand. Nein, nach wie vor bestimmte der Altist über weite Strecken die Klangfärbungen des Ensembles, auch wenn zu Beginn des Vortrags aus einem Quartett ein Trio ohne Altist entstand. Die Melodie erinnerte ein bisschen an die Tradition von Folk und Singer/Songwriter. Es schien so, als würde in einigen Augenblicken Mark Knopfler mit „Local Hero“ auf Bob Seger treffen, so jedenfalls konnte man einige Hauptlinen des Stücks beschreiben. Der Altsaxofonist schien nicht nur Polarlicht zu beschwören, sondern auch die Weite einer Landschaft, einer Hochebene, eines norwegischen Fjells. Fjord-Sound oder was?

Auch im zweiten Konzertabschnitt nach der Pause blieb das Quartett seinem Duktus treu. Präsentiert wurde ein buntes Klangbouquet, bei dem die einzelnen Musiker jeweils die Farbsetzungen bestimmten. „Quexolver“ – benannt nach einem Computerprogramm und vom Pianisten geschrieben – fiel ein wenig aus dem Rahmen, hatte das Stück doch eine unüberhörbare Funk-Note. Zudem dominierte in diesem Stück das Keyboard und nicht das Altsaxofon. Insgesamt war es ein gelungener Abend, und das Publikum spendete herzlichen Applaus. Auf die nächsten Konzerte der Reihe Sparda Jazz Lounge in der Kunsthalle Recklinghausen darf man gespannt sein.

© fotos und text ferdinand dupuis-panther


Infos :


Line-up :

Pascal Bartoszak - alto sax
https://pascal-bartoszak.de

Jakob Lüffe – piano
Website hier

Caris Hermes – bass
https://www.carishermes.de/biografie/

Niklas Walter - drums
https://www.niklaswalter.de


Nächste Konzerte
Kunsthalle Recklinghausen
(tel. Anmeldung 14 Tage vor dem Konzert notwendig, Tel. 02361 50 19 35 )


Freitag, 18.2.2022, 18.00 Uhr Peter Baumgärtner „MY CHOICE“ Wunschstandards

Freitag, 25.3.2022, 18.00 Uhr Jazz Lounge Akestra feat. Charlotte Illinger „Stimmen“


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