„Der Chef ist noch nicht einmal 30, und doch kann das Pablo Held Trio 2016 sein zehnjähriges Bestehen feiern. Es gilt als ein Gipfelpunkt des zeitgenössischen Klaviertrio-Jazz in Deutschland und darüber hinaus. Die drei Mitglieder - Pablo Held (Klavier), Robert Landfermann (Bass) und Jonas Burgwinkel (Schlagzeug) - sind nicht nur als Instrumentalisten jeweils Könner von Weltklasse-Niveau, sondern sie haben gerade als Ensemble eine traumwandlerische Kommunikation entwickelt.“ So konnte man es in der Vorankündigung zum Konzert lesen. Also war man doch wohl auf ein bisschen „Traumwandlerei“ in der schwarzen Kiste gespannt, oder?
Lange war die schwarze Kiste nicht mehr so gut besucht, wie bei diesem Konzert des Kölner „Dreigestirns“. Viel mehr Besucher – vielleicht einen oder zwei noch – hätte die Raumkapazität wohl gesprengt. Zu Beginn begrüßte Pablo Held das Publikum und fügte an, dass das Trio erstmals in der Black Box zu Gast sei. Er fühle sich hier sehr wohl und verstünde eigentlich nicht, warum man nicht schon früher hier gastiert habe. Zehn Jahre gebe es das Trio aus Köln und sei augenblicklich auf einer Tour unterwegs, die in Münster ihren Abschluss finde.
Zwei Jahre lang habe man bei Konzerten stets auf Setlists verwiesen, habe auch Titel angesagt, sich aber dann entschieden, dieses Konzept über Bord zu werfen. Wie, wann und was man spiele, sollte sich jeweils im Konzert entwickeln. Nur so könne man sich besser aufeinander einlassen und loslegen. Zwei Sets wurden abschließend von Pablo Held angekündigt und dann legte das Trio nach einem kurzen Moment der Konzentration auch los.
Nun gut ein solches Konzept, das Pablo Held vertritt, muss man mögen. Es ist eher doch aus dem Bereich der improvisierten Musik bekannt. Das Trio jedoch spielt aus meiner Sicht Gebundes und Ungebundenes, auch Jazzvariationen klassischer Musik. Wären da nicht Fingerzeige auf den einen oder anderen Titel angezeigt? Ohne diese allerdings ist es jedem Zuhörer überlassen, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, in Bildern zu schwelgen oder auch nicht.
Bilder sind auch für diese Berichterstattung das richtige Stichwort, denn mit Synkopen, Terzen, Quinten, Quintenschlüsseln oder Dominanten verstehen nur, musikalisch Vorgebildete umzugehen. Wer aber im Publikum ist das schon? Sind nicht die meisten Zuhörer einfach geschulte, mehr oder minder geschulte, Hörer mit einem Ohr, das für Jazz offen ist?
Bei den ersten Klängen, die Pablo Held seinem schwarzen Tastenmöbel entlockte, konnte man an einzelne Wassertropfen denken, die herabfallen, von einem Blatt auf den Waldboden oder in einen Teich, sodass ringförmige Wellen entstehen. Auch der Gedanke an kleine Fontänen lag nicht fern, hörte man weiter gespannt zu. Aus dem Solo, entwickelten sich ein Duett und dann ein Dreiergespräch, als Robert Landfermann seinen Viersaiter und Jonas Burgwinkel seine Trommeln und Cymbals ins Spiel brachten. Aus dem Wassertropfen schien sich ein Rinnsal zu ergeben. Kleine Kaskaden präsentierte uns Pablo Held. Bleibt man im Bild des Wassers, des Fließens, des Fließenden, so konnte der eine oder andere mit genügend Fantasie auch eine Wasseramsel ausmachen, die nervös von Steintritt zu Steintritt unterwegs war.
Irgendwie schien das gemeinsame Spiel des Trios auf einen Höhepunkt zuzusteuern. Man fieberte einer Entladung entgegen. Doch dies blieb aus. Stattdessen hieß es: Panta Rhei – alles fließt. So schien auch Heraklit mit im Konzert zu sein, geistig zumindest: „Wer in denselben Fluss steigt, dem fließt anderes und wieder anderes Wasser zu“.
Widerstreitende energetische Flüsse waren zu erkennen, hier Pablo Held und dort Jonas Burgwinkel, hier ein verhaltener Tastenfluss, dort ein forciertes Schlagwerk. Pianissimo war nachfolgend angezeigt. Ein Glöckchen und das Öffnen sowie Schließen einer quietschenden, nicht geölten Tür waren zu vernehmen– dank sei Robert Landfermann, dem man für das Tieftönige.
Das Bild vom Fluss verschwand mal kurz und wurde durch „Lola rennt!“ verdrängt. Jedenfalls legten das die „Treppenläufe“ nahe, die Pablo Held verantwortete. Es war eine stete Bewegung, aber auch ein Innehalten zu vernehmen. Treppenläufe könnte man auch als große Kaskaden deuten und dann wären wirwieder beim Bild des Flusses. Eine kurze Pause und dann Sequenzen, die einem Tinnitus nicht unähnlich waren. Tastenzäsuren trafen auf ein kurzes Klickklickklick und Täkttäkttäkt – da meldete sich Jonas Burgwinkel halt am Schlagzeug. Im weiteren Verlauf ließen sich Tempowechsel und unterschiedliche Klangfülle im Spiel konstatieren, ohne viel Rabatz. Aufwühlende Passagen wechselten sich mit eher lyrisch angelegten ab, bei denen die Stichworte „Moonlight“ oder „Night Music“ angemessen schienen.
So endete der erste Konzertteil und nach einer kurzen Pause fanden sich alle wieder auf ihren Plätzen ein. Was drang denn da an die Ohren der Zuhörer? Schwirrende Becken, wimmernde und quietschender Bass, Geraschel und Schnarren, gestörte Landwellen-Frequenzen. Bisweilen vermeinte man ein allzu trockenes Ledertuch, das über die Fensterscheibe gezogen wird, zu hören. Sprunghaftes hörte man von Pablo Held und seinem kompakten Musikmöbel. Untergründiges Gebrumme machte sich breit und traf auf den Klang von Becken, die unter dem Schlag eines Wok-Reinigers erzitterten. Danach schob Robert Landfermann seinen Bogen über den Leib des Tieftöners, mal nahe des Halse, mal jenseits des Stegs und unterhalb der „Schalllöcher“. Geräuschwelten eröffneten sich, die kaum in Worthülsen zu fassen sind. Nach diesen bisweilen dissonant anmutenden Klängen wechselte der Charakter Musik: Eine tonale Perlenkette wurde aufgefädelt, als die schwarzen und weißen Tasten von Pablo Held angeschlagen wurden. Kurzes Atemholen und dann ging es weiter, mit einem melodisch gestimmten Bass im Dialog mit dem schwarzen Klangmöbel. Wurden da nicht gerade auslaufende Wellen an den Strand gespült? Ist nicht eine leichte Brise zu spüren, wenn Jonas Burgwinkel mit seinen Besen zu Werke geht?
Auch eine durchaus eingängige und geschlossene Melodie erklang im weiteren Konzertverlauf. Klassik oder Volkslied war dabei die Frage, auch beim Duett zwischen Bass und Piano. Kontemplatives wurde von Dramatischem abgelöst. Einerlei wurde vom Kölner Trio nicht geboten. Doch durfte man den Faden durch Unaufmerksamkeit nicht verlieren. So war stets konzentriertes Zuhören gefordert. Der Beifall war am Ende so überwältigend, dass das Trio eine Zugabe gab. Das Publikum dankte es ihm.
Zu wünschen wäre, dass es auch bei anderen Konzerten in der Black Box einen derartigen Zuspruch des Münsteraner Publikums gäbe. Ein frommer Wunsch?
Text und fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
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Musiker
Pablo Held
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Robert Landfermann
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Jonas Burgwinkel
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