Durch die Musiker von „The Dorf“ entstand 2012 der erste Kontakt zum „Espace Masolo“, einer Einrichtung zur Ausbildung ehemaliger Straßenkinder und Kindersoldaten zu Musikern und Schauspielern. Im Rahmen einer Europareise der „Fanfare Masolo“ folgten 2013 überaus gefeierte gemeinsame Konzerte von „The Dorf“ und „Fanfare Masolo“. Nun gab es im Pumpenhaus Münster eine Wiederholung des gemeinsamen Auftritts – und der hatte es in sich.
Nicht ganz ausverkauft war das Pumpenhaus an diesem Mittwochabend. Die, die gekommen waren, bereuten es nicht, denn musikalisch kochte das Pumpenhaus, vor allem nach dem Einzug der Fanfare Masolo gemeinsam mit Musikern der Brassband Belakongo aus Wuppertal. Zwischen beiden Bands besteht eine lange Freundschaft und musikalische Zusammenarbeit, die 2010 begann. Wesentlichen Anteil daran haben Wuppertaler und Solinger Musiker/-innen und Pädagoginnen wie Susanne Strobel, Volker Eigemann und Winfried Walgenbach.
Die Stimmgewalt einer Brassband ist nicht nur Trompeten, Tuba, Sousafon und Posaunen geschuldet, sondern auch den verschiedenen eingesetzten Trommeln. Bei deren Einsatz vibrierte der Saal des Pumpenhauses gewaltig. Schlag auf Schlag sauste auf die Felle der großen Trommel nieder; Sticks trafen auf Tom und Snare. Doch dazu später mehr.
Mit „Oval“, dem Standarderöffnungsstück, wie Jan Klare der „Oberkapellmeister“ und die „gute Seele“ der musikalischen Dorfgemeinschaft namens The Dorf anführte, begann das Konzert spritzig-explosiv, brodelnd, kochend, einem rauchenden Vulkan gleichend. Jederzeit erwartete man Kaskaden von musikalischen Eruptionen und die kamen dann auch. Beim Zuhören vermeinte man zudem, Fanfarenklang und Tusch zu vernehmen, eine Art „Manege frei!“ oder „Vorhang auf!“ schallte den Zuhörern entgegen, die sich der Allgewalt von Trompeten und Posaunen gegenübersahen. Diese zeigten sich bisweilen aufgebracht, erregt, entrückt und außer Rand und Band. Aus Divergierendem wurde nach und nach Verbindendes gefunden, um zugleich wieder auseinanderzufallen.
Nach diesem furiosen Beginn wurde es dann „Licht“, obgleich davon angesichts der doch spärlichen Bühnenbeleuchtung visuell nichts zu bemerken war. „Giftig-ätzende“ Trompetenklänge schoben sich über allgegenwärtige Tieftönigkeit von gleich zwei E-Bässen und einem akustischen Kontrabass, Letzterer unter den Händen von Tim Isfort. Ob Andreas Wahl oder Christian Hammer oder aber beide gemeinsam wohlklingende Riffs und Grooves auf ihren jeweiligen Sechssaitigen hervorbrachten, vermag der Berichterstatter im Detail nicht zu sagen.
Ein Schwirren und Schwingen lag jedenfalls in der Luft, gewiss auch bedingt durch das Spiel von Gilda Razani am Theremin, einem sehr frühen elektronischen Musikinstrument, das Gilda Razani mit Effekten verband. Es ist das einzige Musikinstrument, das berührungslos gespielt wird und dabei direkt Töne erzeugt. Bewegungen in einem Radius von 1,5 bis 1 Meter rund um die beiden Antennen des Instruments erzeugen je nach Abstand zu diesen entsprechende Töne. Zurückgeht dieses Instrument auf den Russen Lew Termen, der sich in den USA Leon Theremin nannte.
Man musste angesichts der Allmacht der Bläser schon sehr aufmerksam beim Zuhören sein, um auch Feinheiten herauszuhören, so auch den soulig-bluesigen Gesang von Marie Daniels. Sphärenwelten stießen im Verlauf des Stücks, das auch gut und gerne als Filmmusik hätte durchgehen können, auf die durchdringenden und den Saal füllenden Posaunen, von denen man meinte, gleich würden sie die Mauern zum Einstürzen bringen. Rockig war der Rhythmus des Stücks ausgelegt. Solistisch trat der Basssaxofonist Christoph Berndt in Erscheinung, der die Tiefen des Klangs balancierend auslotete, nachdem zuvor elektronische Aufladungen den Saal durchströmten. Zum Schluss erlebte man eine Tempoverschärfung. Zudem schien Hardrock auf Blood, Sweat & Tears zu treffen, wenn dieser Vergleich an dieser Stelle erlaubt ist.
Dann öffneten sich die Saaltüren und herein kamen Belakongo und Fanfare Masolo, so wie man das ja von Marching Bands und Auftritten beim Mardi Gras oder Baseler Fasnacht mit den legendären Guggenkonzerten kennt. Es war auch ein wenig musikalischer Mummenschanz mit im Spiel, obgleich die Musiker nicht in sogenannten Larven gekleidet waren. Es wurde gehüpft, die Hüften geschwungen, gestampft und getanzt. Schläge sausten auf die Felle der großen Trommeln nieder, Bleche schlugen aneinander. Ohrenbetäubend war die Musik mit dem Paukenschlag, der nicht nur im Pumpenhaus zu hören war. Wäre mehr Platz im Bühnenbereich gewesen, wer weiß, wer sich da nicht alles dorthin begeben hätte, um nicht nur zu klatschen, sondern sich auch an „afrikanischen Tanzschritten“ auszuprobieren.
Gemeinsam trugen dann die Musiker von The Dorf und die Gäste aus Wuppertal und Kinshasa „Last“ vor, „dunkle Musik im Speckgürtel der Welt“, wie es Jan Klare formulierte. Was man hörte, das erschien wie ein aufkommendes Unwetter und ein Wetterleuchten zugleich, dank sei den Posaunen und den afrikanischen Trommeln, die sich in den Vordergrund spielten. Mit ein wenig Fantasie konnte sich der eine oder andere gedanklich auch den Schimmelreiter und den Erlkönig vorstellen. Geätzte Trompetenwolken schwollen an, schienen Vorboten eines Orkans zu sein. Klickender Rhythmus begleitete das, was sich da zusammenzubrauen schien. Wellenförmig entwickelte sich das Stück in einem steten Auf und Ab, das Jan Klare durch Handzeichnen gekonnt vorzeichnete. Fanfaren erklangen außerdem, und ein rhythmisches Intermezzo der Schlaginstrumente war auch ein Teil der musikalischen Inszenierung. Derweil blieben die Bässe hintergründig, aber durchaus stark wahrnehmbar.
„Ahead or behind“ hieß es anschließend in diesem sehr dicht gestrickten musikalischen Potpourri an einem denkwürdigen Konzertabend. Elektronische Effekte erfüllten den Saal. Ein Synthesizer war es wohl nicht, den man hören konnte. Irgendwie meinte man, Motorengeräusche identifizieren zu können. Von Flugzeugmotoren? Spielte dabei das Theremin eine gewichtige Rolle. Ein gezupftes Cello traf auf Flöten- und Klarinettenklang sowie brummig gestimmte Posaunen. Wie auch in anderen Stücken war jedoch das rhythmische Element von ganz entscheidender Bedeutung, kein Wunder, wenn eine Großformation The Dorf auf zwei Brassbands stößt, oder?
Mit (?) wurden die Zuhörer nach Zentralafrika und in die Heimat der Gastmusiker entführt. Jan Klares Frage, was denn der Titel bedeute, wurde schelmisch scherzend mit „Mein Kanu geht unter“ beantwortet. Doch das war ein Scherz. „Wuppertaler haben eben auch Humor“, wie Jan Klare anmerkte. Egal, was wichtig war, war die Musik, bei der geballte Trommelschläge die tiefen Klangschwaden des Sousafons begleiteten. Beim Zuhören mag man dabei auch an die bayerische Band Brass Banda gedacht haben, die ganz geschickt, Rock und Volksmusik sowie Jazz zusammenfügt. War da nicht auch ein wenig Fela Kuti mit im Spiel, als „Singa Minkanu“ erklang.
Rockig-frech war der Klangteppich von „Pedal“ gewebt. Dabei waren dann gleich drei E-Gitarristen am musikalischen Webvorgang beteiligt, neben Andreas Wahl und Christian Hammer auch Serge Corteyn. Hier und da gab es eher balladenhaft an mutende Einfügungen, die den rotzigen Rock durchbrachen. Maries lautmalerischer Gesang traf auf das Sirenengeschwirr des Theremins. Dazu trat dann noch eine sanft gestrichene Geige, sodass man sich ein wenig an Bandprojekte wie ELO oder Alan Parson Project erinnert fühlte. Mit „Amie“ war dann noch nicht Schluss, auch wenn als letztes Stück angekündigt. Eine Zugabe gab es und jede Menge verdienter Applaus für die Musiker, die auch an diesem Abend gezeigt hatten, dass man Musik auch leben muss, transnational und transkontinental sowie entgegen dem Trend der Abschottung in diesen, unseren Zeiten!
Fotos und Text: © ferdinand dupuis-panther
P.S. Die Namensnennung aller Musiker hätte den Rahmen des Beitrags ebenso gesprengt wie den Anhang mit Informationen. Daher erfolgt hier nur eine gewisse Auswahl!
Informationen
Pumpenhaus Münster
http://www.pumpenhaus.de
Fanfare Masolo
http://www.espacemasolo.org/
The Dorf
http://www.thedorf.net
Jan Klare
http://www.jazzhalo.be/interviews/jan-klare-im-gespraech-mit-dem-saxofonisten-und-bandleader/
Tim Isfort
http://www.tim-isfort.de/Tim_Isfort/Home.html
Gilda Razani
http://gildarazani.de/gr/
Andreas Wahl
http://www.andreaswahl.net/
Johannes Nebel
http://www.thedorf.net/index.php?section=Musiker&musiker=Johannes_Nebel
Marie Daniels
http://mariedaniels.de/
Christian Hammer
https://jazzhammer.wordpress.com/
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