Next Generation in Jazz: Daniel Oetz Salcines Quartett

Wasserturm Gütersloh, 12. Mai 2019



Das „Daniel Oetz Salcines Quartett“ ist eine Kölner Band, die auf dem Bass/Schlagzeug-Duo Daniel Oetz Salcines/Fabio Cimpeanu basiert. Beide lernten sich in der lokalen Musikschule kennen, als sie zwölf Jahre alt waren. Mittlerweile studieren beide an der Kölner Musikhochschule. Für ihr zweites großes Projekt kamen Reinel Ardiles Lindemann und Wim Schulze hinzu, die zusammen in der Big Band UniJAZZity, dem Jugend-Jazz-Orchester Westfalen, spielten. Alle Mitglieder wurden mittlerweile mehrfach durch den Landeswettbewerb "Jugend Jazzt" ausgezeichnet.

Da Wim Schulze mitten in den Abiturprüfung steckte, sprang der Sopran- und Tenorsaxofonist Florian Fries als „Sideman“ ein. Auch er studiert wie die drei anderen Bandmitglieder an der HfMT in Köln. Dabei stehen alle Musiker noch am Anfang ihrer Studien in Sachen Jazz. Dank eines Stipendiums des Westdeutschen Rundfunks,"Young Composers Fellowship" genannt, konnten sich der Bassist Daniel Oetz Salcines und der Pianist Reinel Ardiles Lindemann ausgiebig dem Komponieren widmen. Was im Laufe der Monate entstanden ist, stellten sie in Gütersloh dem Publikum vor.


Kein Son, Salsa oder ...

Alle Musiker sind in Deutschland geboren, haben aber teilweise einen sogenannten Migrationshintergrund, weil eines der Elternteile aus Perus, Cuba oder Italien/Rumänien stammt. Wer denn aber glaubte, die Musik des Quartetts würde nun von Salsa, Son, Bossa, Rumba oder Coro geprägt sein, der wurde während des Konzerts eines besseren belehrt. Nur zweimal an diesem Abend entführte uns das Ensemble nach Lateinamerika, zum einen mit einem Anflug von Tango und zum anderen mit einer sehr stark „aquarellierten“ Bossa-Anmutung.


Von „All the things you are“ bis „Invitation“

Das Quartett präsentierte neben zwei Standards und einer Komposition von Kenny Wheeler („Kind folk“) nur Stücke aus eigener Feder, mehrheitlich von Daniel Oetz Salcines geschrieben. Zu Beginn hörten wir ein Arrangement des bekannten Standards „All the things you are“, der vom Arrangeur Daniel Oetz Salcines in „Lo que eres tú“ umgetauft worden war.

Dieser Standard gehörte unter anderem zum Repertoire der brillanten Sängerin Ella Fitzgerald. Doch auf die Lyrik mussten die Anwesenden an diesem Abend im Wasserturm verzichten. Die Komposition von Jerome David Kern entstand für das Broadway-Musical „Very Warm for May“. Doch von Musical hatte das Arrangement, das vorgestellt nun mal so gar nichts.

Anfänglich hatte man den Eindruck, das Gebläse von Schiffshörnern wäre zu vernehmen. Dazu würden Wolkenbänke aufbrechen und ein warmer Frühsommerwind wehen, derweil es in der Wirklichkeit eher frostige Maitemperaturen gab. Zu fein gesetzten Schlagzeugmustern entführte uns der Bandleader und Kontrabassist Daniel Oetz Salcines in die Zeit von Bop und Modern Jazz. Beschwingt waren die Saitenschritte, denen wir lauschten. Mit leichtfingrigen Umspielungen machte der Pianist Reinel Ardiles Lindemann auf sich aufmerksam. Was er spielte klang wie sacht an die Oberfläche dringendes Quellwasser, das sich fächerförmig ausbreitet. In kurzen Interventionen verschaffte sich der Schlagzeuger Fabio Cimpeanu Gehör. Schnurrend setzte Florian Fries mit seinem Tenorsaxofon thematische Spuren, sodass der Standard immer wieder auch zu erkennen war, bei aller Improvisation.

Aus der Feder des kanadischen Komponisten und Trompeters Kenny Wheeler – er verstarb 2014 in seiner Wahlheimat London – stammt „Kind Folk“. Mit tiefen Weichzeichnungen eröffnete der Bassist dieses Stück. Mit zerfließenden, schlierigen Phrasierungen – dank an den Saxofonisten – fand „Kind Folk“ seine Fortsetzung. Besengeschiebe war im Hintergrund hörbar. Der sonore, vollstimmige Bass traf auf die hellen Färbungen des E-Pianos. Im Fortgang ließ der Pianist Ardiles Lindemann aus stillen Wassern einen Fluss mit Gefälle entstehen. Rhythmische Rasterungen gaben der Wheeler-Komposition einen Rahmen. Dabei zeigte sich der Drummer zurückhaltend und mit sensiblem Einsatz der Sticks und insbesondere der „riesigen“ Bassdrum! Vorsichtig tastend näherte sich der Saxofonist dem Thema. Fein ausgelotet war das Zusammenspiel. Dabei wurde aus dem Quartett hin und wieder auch ein Trio. Die mehr und mehr sich verdichtenden Klangschraffuren füllten den Wasserturm.


Ein Zitat als Ausgangspunkt

Im Rahmen des Kompositionsstipendiums gab es auch die Aufgabe zu einem Zitat aus „Herr der Ringe“ ein Stück zu komponieren. Zustande kam „Under the sky“. Lang gezogene Basssequenzen vereinten sich mit einem Tststststicktstick des Schlagwerks. Ansonsten hatte man den Eindruck, der Duktus von „Kind Folk“ finde in diesem Stück eine Fortsetzung. Aufgerissene Schleierwolken malte Florian Fries an den Klanghimmel. Im Diskant fielen Sternschnuppen nieder. Zarte Blaunuancen ließ der Pianist bei seinem Tastenspiel in den Vordergrund treten, so wenigstens ein Eindruck, schloss man für Momente seine Augen und ließ seiner Fantasie freien Lauf. Für die Erdung sorgte dann der Bass. Dabei unterstrich Daniel Oetz Salcines durch Lautgesang sein Fingerspiel. Intention oder nicht – das war die Frage?


Tango – ja oder nein?

Mit einer leichten Tango-Note war „The known unknowns“ versehen. Florian Fries hatte für dieses Stück das Tenorsaxofon aus der Hand gelegt und zum Sopransaxofon gegriffen. Teilweise waren dieser Eigenkomposition der Band außerdem Anlehnungen an Couplets beigemischt. Bei „Esperanza lejana“ schien im Schnelldurchlauf eine Filmlandschaft an uns vorbeizuziehen. Latin Fever gab es auch diesmal nicht zu erleben. Die Band bediente eben nicht die gängigen Klischees. War etwa auch Paul Desmond als Pate zugegen, als Florian Fries spielte? Man konnte gar meinen, wir würden nicht das Jahr 2019 schreiben, sondern uns in die 1950er Jahre zurückversetzen.

Von ein wenig Rumba durchzogen schien „Aranguaia“ (comp. Reinel Ardiles Lindemann), bei dem die Klangfärbung des Sopransaxofons die Ausgestaltung ganz wesentlich bestimmte. Zum verspielten Sopransaxofonisten gesellte sich ein schlagsicherer Schlagzeuger, der sehr variantenreich spielte. „Hau drauf!“ war gewiss nicht das Motto von Fabio Cimpeanu. Im Gegenteil, er ließ die Sticks mit weichen Bewegungen über die Toms streifen, täschelte die Becken, schlug an Beckenränder und den Korpus der Toms und hielt dabei teilweise an einem Bossa-Rhythmus fest, oder? Der Fokus bei der Interpretation des Stücks lag aber auf dem Saxofonisten, der in den Wasserturm getupftes Feuerrot, Sonnengelb, Frühlingsgrün und Azurblau zauberte.

Das letzte Stück des Abends lautete „A el que madruga Dios le ayuda“ - übertragen etwa „Der frühe Vogel fängt den Wurm“. Dieses Stück, so Daniel Oetz Salcines, lebt von einem typischen peruanischen Rhythmus. Bereits nach den ersten Takten drängte sich der Eindruck auf, dass Folklore mit im Spiel ist. Beinahe meinte man, man folge einem „Gassenhauer“ mit eingängiger Melodiestruktur. Schien der Rhythmus nicht in der Nähe von Salsa anzusiedeln zu sein? Jedenfalls war dies das einzige Stück des Abends mit einer besonderen Unterart von Latin Fever.


Eine Einladung am Ende

Angesichts des sehr herzlichen Schlussapplauses gab es als Zugabe dann „Inivitation“, u. a. 1961 von Art Blakey and the Jazz Messengers eingespielt. Auch der Trompeter Roy Hargrove hat diesen Standard interpretiert, mal ganz abgesehen von John Coltrane. Komponiert wurde das Stück von Bronisław Kaper im Jahr 1950. Kaper komponierte im übrigen das viel bekanntere Stück "On the Green Dolphin Street", das dank Miles Davis berühmt wurde.

Text und Fotos © ferdinand dupuis-panther – Text und Fotos sind nicht Public Commons!


Informationen

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Line-up

Reinel Ardiles Lindemann (Klavier)
https://www.folkwang-uni.de/home/musik/auszeichnungen/detail-auszeichnungen-musik/awards-detail/folkwang-jazz-pianisten-erfolgreich-beim-carl-bechstein-wettbewerb-2018/
https://www.jazzzeitung.de/cms/stichwort/reinel-ardiles-lindemann/


Daniel Oetz Salcines
(Kontrabass)

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