Seit 2010 besteht mit »Myanmar meets Europe« ein einzigartiger musikalischer Brückenschlag zwischen Myanmar und NRW/Deutschland/Europa. Mit »Burma Bebop« begegnen sich die beiden Kulturen in einer ganz neuen Konstellation, so wie auch am 5. September im Foyer des LWL Museums für Kunst und Kultur. Neben der Musik – ob der Begriff Bebop als Zusatz angebracht ist, lassen wir mal dahingestellt - treffen bei dem diesjährigen Projekt der Kooperation zwischen Fernost und Deutschland zum ersten Mal auch unterschiedliche Tanzstile aufeinander.
Gut besucht war die Veranstaltung, die am Schließungstag des Museums stattfand, auch wenn die örtliche Presse mit einer falschen Anfangszeit nicht gerade für die richtige PR sorgte. Zu hören und zu sehen waren mit Tanz, Gesang und Perkussion U Nan Win (Myanmar), Kim José Bode (NL), die neben der C- und F-Flöte auch Tenorflöte und Paetzold-Bassflöte spielte sowie modernen Ausdruckstanz darbot, das „Münsteraner Urgesteins des Jazz“ Jan Klare (D), der neben dem Alt-Saxofon, Klarinette und Querflöte spielte, der Trommler Yangon Duwon (Myanmar), der hinter einem goldenen „Paravent“ saß und die Pat Waing, die ein wenig nach Marimbafon und Balafon klingenden, diatonischen Trommeln, zum Klingen brachte, sowie der chilenische Pianist Pablo Paredes an der Wurlitzer und dem analogen (!!) Synthesizer und schließlich der aus Duisburg stammende Bassist Tim Isfort, der Initiator des aktuellen Projekts.
Einführend erläuterte Tim Isfort, dass in der Musik Burmas die Pat Waing das tragende und entscheidende Musikinstrument ist. Es wird jeweils für neue Stücke extra gestimmt, wofür man heute eine Paste benutzt, die ein Abfallprodukt der Raumfahrtforschung ist. Ursprünglich wurde diese Paste aus Klebereis gewonnen. Nachdem Yangon Duwon bereit war, hörten die zahlreichen Besucher des Konzerts eine Komposition aus der Feder von U Nan Win, der aus einer Dynastie von Schauspielern stammt. Es ist eine Komposition, die seiner Mutter gewidmet ist und erzählt die Geschichte des Altwerdens der Mutter, die nun Abschied von der Bühne nehmen und das Alter genießen sollte. Doch der Bühnenabschied machte sie unglücklich.
Eröffnet wurde der Song durch Yangon Duwon, der mit seinen Trommeln Erinnerungen an den satten Klang von Balafon und Marimbafon heraufbeschwor, ehe dann Pablo Paredes seine Keys mit ins musikalische Geschehen einbrachte. Zugegeben, als Kim José Bode vor den Musikern mit leichten Schritten und drehender, ausladender Bewegung den Bühnenraum eroberte, fühlte man sich durch das Visuelle vom Klangfluss weggeholt. Es wurde schwierig, dem Fortgang des Songs zu folgen, war man doch stets mit den Augen auf die jeweiligen Bewegungen der Tänzerin konzentriert. Das änderte sich als U Nan Win den „Lobgesang“ auf seine Mutter anstimmte. Dieser Musiker und Schauspieler setzte sich schon wegen seines Kostüms und seines geschminkten Gesichtes von seinen Mitmusikern ab. Gleichsam als musikalisches Fanal war das anzusehen, was Jan Klare seinem Altsaxofon entlockte. Ein wenig klang der Gesang für die Mutter nach einem Popsong der 1970er Jahre. Derweil drehte sich Kim José Bode in ihrem schwarzen langen Kleid um die eigene Achse, ohne allerdings dem Trance der Derwische Konkurrenz zu machen. Im Kontrast zu den weiten Armschwüngen und den Schreitbewegungen stand der Tanz von U Nan Win. Fingerspreizungen und allerlei Handbewegungen, wie man sie auch aus indischem oder balinesischem Tanz kennt, prägten die tänzerische Darbietung.
Ornette Coleman stand nur mittelbar auf der Bühne, als die Musiker „The Sphinx“ spielten. Mit diesem Stück sollte, so Tim Isfort, die Brücke zwischen der traditionellen Musik Burmas mit dem amerikanischen Jazz geschlagen werden.
Das Saxofonsolo von Jan Klare stand zu Beginn im Fokus. Man gewann als Zuhörer den Eindruck von Endlosigkeit und Weite, vermeinte die „Tränen des Sandes“ der Sahara vor Augen zu haben. Auf Jan Klare antwortete Yangon Duwon mit seinem ganz eigenen Melodiefluss. Ja, die Pat Waing ist eben nicht so sehr ein Rhythmusinstrument als vielmehr ein Melodieinstrument, das rhythmisch bedient wird. Dank Bildtechnik konnten die Zuhörer auch sehen, was der Trommler hinter seinem reich verzierten „Paravent“ macht. Üblicherweise, so Tim Isfort, sind die Musiker eines burmesischen Orchesters durch die Zuschauer bei der „Arbeit“ nicht zu sehen, sondern spielen hinter „Paravents“. Für uns, die wir ja so gerne den Musikern, vor allem den Gitarristen auf die Finger schauen, ob Alvin Lee oder Eric Clapton, wurde das Geheimnis des Trommelns auf der Pat Waing dank Kameraaufzeichnung zeitweilig gelüftet. Auch bei dem Coleman-Song spielte Tanz eine wesentliche Rolle. Ein wenig clownesque mutete an, was uns U Nan Win zeigte. Er schien so zu tanzen, als sei er eine Stabpuppe oder Marionette.
Im Laufe des Abends sollte wir Kim José Bode nicht allein als Tänzerin erleben, sondern auch als Flötistin. Dabei schien sie uns, eine Melange von Volkslied, Sakralem und Renaissanceweise zu Gehör zu bringen. Dialogisch hörten wir dazu den gestrichenen Bass und die Trommeln, die Pat Waing. Im Verlauf drängten sich dem Berichterstatter Assoziationen wie Minnegesang und mittelalterliche Volkslieder à la Liederjan auf. Tiefgefärbte Harmonien drangen ans Ohr der Zuhörer, begleitet von einem perlenden Keyboard. Spielte Jan Klare da nicht auch Klarinette? „Omaje“ schien ein Wortfetzen zu sein, den wir dem theatralischen Gesang von U Nan Win entnehmen konnten.
Präsentiert wurde dem aufmerksam zuhörenden Publikum neben einem religiös ausgerichteten Song auch der Regentanz, in einem Land des Reisanbaus, ganz wichtig. Kein anderer als U Nan Win tanzte den Regen herbei, auch das Gewitter, dabei im Dialog mit Pablo Paredes an der chilenischen Basstrommel stehend. U Nan Win erzählte uns obendrein die Geschichte seines Lebens, die Geschichte eines kleinen Jungen, der Offizier werden wollte, aber dann die Liebe zum Theater entdeckte. Ganz passend und fein abgestimmt war die Pantomime von U Nan Win. Jede Bewegung hatte eine Bedeutung, auch das Salutieren und das beinahe entfesselte Spiel, eben das Schau-Spiel. Zwischenzeitlich hatte man den Eindruck, dass man musikalisch einem Couplet folgte oder in einem Cabaret zu Gast war. „Irgendwie kann ich nicht anders, der Ich-Schauspieler“, so lautete die Grundbotschaft des Stücks.
Zum Schluss erzählte uns U Nan Win die Geschichte des Schauspielers, der nicht von der Bühne gehen wollte. Er bat den Mann, der den Vorhang fallen lässt, darum, ihn nicht fallen zu lassen. Die Melodie des Stücks hatte m. E. etwas von einem Gassenhauer, an dem auch die Zuhörer ihren Anteil hatten, denn U Nan Win forderte sie zum frenetischen Beifall auf. Mit Augenzwinkern kündigte Tim Isfort zum Schluss „Schöne Frau“ an. Eigentlich sei dies ein Stück von Tony Marshall, der lange in Myanmar gelebt habe und mit diesem Titel – gemeint ist „Schöne Maid“ – in deutschen Schlagerhitparaden Erfolge feierte. Man spiele aber nun das Original!
Damit ging ein Abend zu Ende, der Exotik nach Münster brachte, zugleich aber den Dialog der Kulturen präsentierte. Dabei wurde offensichtlich, dass Musik eine weltweite Sprache ist, die vom grenzenlosen Dialog lebt. Diesen gilt es, zu bewahren und zu pflegen, auch und vor allem gegen die Borniertheit, die sich in diesem Land gegenüber dem Fremden breitmacht.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Weitere Konzerte in 2016
8. Sept. KIT Café Düsseldorf Indoor, 20 Uhr
9. Sept. Buchladen 46 Bonn Ballsaal Bonn, 20 Uhr
10. Sept. Kulturschnipsel Abend Litauen, Myanmar, XOX Theater Kleve, 20 Uhr
11. Sept. Theater- und Schlossfest Moers, Workshop im Studio des Schlosstheaters, 12.00 – 14.00 Uhr, Auftritt im Schlosshof, 14.30 Uhr
11. Sept. Evangelische Dorfkirche Duisburg-Baerl, 19.00 Uhr
Musiker
Jan Klare
http://www.janklare.de/klare/wordpress/
Tim Isfort
http://www.tim-isfort.de/
Pablo Paredes
http://www.pabloparedes.com/
Kim José Bode
http://kimjosebode.com/
U Nan Win
https://www.youtube.com/watch?v=FHcC5Hbh-eQ
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