Auf einer Sommer-CD-Release-Tour weilte der Mannheimer Trompeter Thomas Siffling mit seiner Band auch im Düsseldorfer Hofgarten. „Flow“ heißt das neuste Werk. Das bedeutet u. a. „Strömung, Bewegung, fließen, wallen, sich bewegen“. Thomas Siffling versteht, so eine seiner Ansagen, jedoch „Flow“ als Moment zwischen tiefster Entspannung und entspanntem Schlaf.
Sommerlich waren die Temperaturen, auch wenn sich bedrohlich graue Wolken am Himmel zusammenbrauten. Überaus zahlreich waren die Düsseldorfer in den Hofgarten geströmt, Alte wie Junge, obgleich die ganz Jungen mit Ü25 doch sehr spärlich vertreten waren. Angesicht der Musik, die Thomas Siffling mit seinen Mitmusikern präsentierte, war das doch recht überraschend. Warum? Das, was „Flow“ beinhaltet, lässt sich mit den Begriffen wie Acid Jazz, Fusion und Jazz Rock gut umreißen. Dabei ist die Nähe zu House und Techno durchaus zu erahnen, also zu einer Musik, die eher die Generation Ü25 anspricht.
Manch einer der Anwesenden machte es sich auf einer Picknickdecke bequem, andere belegten die aufgestellten Bänke oder auch die Parkbänke. Schlafbrillen wurden nicht verteilt, denn die gab es nur beim Kauf einer CD. Von diesem Angebot machten sehr viele Gebrauch, die zuvor bei geschlossenen Augen dem Klangfluss gefolgt waren.
Neben einer säuerlich-ätzenden Trompete, die Thomas Siffling über ein weiches Klangbett setzte, gab es auch intensive harte Beats zu hören, nicht zuletzt auch auf der Darbuka, die der Schlagzeuger Christian Huber punktgenau zum Schwingen brachte. Dabei hatte man bisweilen eher den Eindruck, die Rhythmen Südamerikas – auch im Geiste Santanas – zu erleben, für kurze Augenblicke jedenfalls.
Thomas Siffling war sehr launig aufgelegt, obgleich er bei der Ankunft in Düsseldorf feststellen musste, dass er seine eigene Trompete daheim vergessen hatte. Glücklicherweise half ihm der Kölner Trompeter Matthias Bergmann mit seiner aus. Dass also ein Fremdinstrument mit anderem Mundstück zum Einsatz kam, merkte man allerdings als Zuhörer nicht. Die Zuhörer konnten im Übrigen überaus dankbar sein, dass sich Musiker untereinander aushelfen und Matthias Bergmann gleichsam den Auftritt und den „Schwebezustand“ im Grünen gerettet hatte. So konnten alle Anwesenden der Tiefenentspannung nachgehen, auch die Musiker auf der Bühne, die beim Spielen zumeist die Augen geschlossen hatten. Das hatte den Anschein, als wollten sie sich ganz in die Musik versenken.
„Urban Flow“ nahm wirklich ein Stück Stadtleben auf, vergegenwärtigte man sich die harten Beats, über die sich ein brodelnder Mahlstrom von Klängen legte. Elektrisierende Tastenintermezzos lösten sich mit „nebligen Trompetenschwaden“ ab. Klangwellen bauten sich auf, schwollen wieder ab. Ätzend-spitz gab sich zeitweilig die Trompete, mit Dämpfer gespielt. Der eine oder andere Zuhörer mag dabei an den späten Miles Davis und seine Fusion-Abenteuer gedacht haben. Die einen fielen wirklich in die Totalentspannung, andere nahmen mit wippenden Oberkörpern die urbane Rhythmik auf. Getanzt wurde nicht, oder wenn, dann nur sehr vereinzelt. Good Ager genossen zumeist leicht verzückt das, was zu hören war. Sie schwelgten wohl in den Zeiten, als Fusion sehr en vogue war.
Eine Goaparty war nicht im Gange, obgleich die Musik durchaus dazu angetan war. Hier und da vernahm man das eine oder andere Solo, auch des Bassisten Dirk Blümlein. Doch weitgehend bestimmten die elektronischen Klangwolken das melodische Geschehen. Daran war nicht ganz unwesentlich der Keyboarder und Pianist Konrad Hinsken beteiligt. Gegenüber der CD-Einspielung gab es im Übrigen ein neues Gesicht in der Band: Dies war der Gitarrist Heiko Duffner, der wie auch die anderen Musiker den „Flow“ total im Blut hatte und mit feinsten, elektronisch verzauberten Saitenklängen das Publikum in seinen Bann zog.
Teilweise hatte man nicht nur den Eindruck von Fusion, sondern auch von Funk, wenn auch nicht im Sinne von Les McCann. Das dargereichte Menü begeisterte alle, die gekommen waren, auch der Song „Smooth Minds“. Bei diesem Stück konnte man meinen, man sei auf Tauchgang mit Delfinen und Walen unterwegs, die miteinander kommunizieren. Doch mit dem Solo von Thomas Siffling veränderte sich dieses Bild abrupt. Die Tiefenentspannung konnte gehalten werden, aber dazu gesellte sich das Bild einer sommerlichen Ausfahrt durch eine sonnengelbe Landschaft, die geschwind an einem vorbeizieht. Wispern, Säuseln, Rauschen, Frequenzmix, Oszillationen von Klängen, Redundanzen thematischer Linien und Kurzwellengewirr schienen sich miteinander zu verbinden. Das war nun nicht etwa Kakofonie, sondern wohltemperierter Klangrausch.
Während des weiteren Zuhörens vermeinte man, Wellenschläge und Wogenberge vor sich zu sehen. Kitesurfer schienen sich in die Lüfte zu schwingen und auf den Wellentälern aufzukommen. Summer in the City und on the Beach war präsent.
Bevor es „Flow“ hieß, ein etwa zehnminütiges Stück, befragte Thomas Siffling das Publikum, ob es denn gut drauf sei. Die Resonanz ließ für den Trompeter Thomas Siffling nach eigenem Bekunden etwas zu wünschen übrig. Man sei da aus Karlsruhe und Köln mehr Zuspruch gewöhnt, so kommentierte Siffling die schwachen „Yeah“ und „Klar“. Schließlich hieß es dann doch, sich im Moment fallen lassen. Einschlafen sei, so Siffling auch kein Drama. Mit „Gute Reise und viel Spaß beim Fliegen“ war dann Schluss mit der launigen Zwiesprache zwischen Bühne und Publikum. Die meditative Reise konnte beginnen. Dabei vernahm man unter anderem Windgeflüster, vor allem aber zartsaitige Gitarrenklänge, beinahe aus dem Off kommend. Irgendwie fühlte man sich von den Harmonien und Klanglinien getragen, so als ob man auf einem fliegenden Teppich schwebe.
Das letzte Stück – es gab wirklich keine Zugabe – stammte nicht von der letzten CD. Es war als „Hymne“ an die Freundinnen, Ehefrauen, Partnerinnen zu verstehen, die Musiker den Rücken frei halten. Schließlich stünden starke Frauen auch hinter den Männern auf der Bühne, so der gut aufgelegte Thomas Siffling. Wenn der Berichterstatter es richtig verstanden hat, lautete der Titel „The energy of a small woman“. Mit einer Prise Funk verabschiedeten sich Thomas Siffling und Co. vom Publikum. Dabei verwies er auch nochmals auf die CD „Flow“, die man käuflich erwerben könne. Wer zudem zwei Fotos mit Schlafbrille an ihn sende, der bekomme noch zwei Bonustracks als Draufgabe.
Dann erklangen quirlige Trompetensequenzen zu einem redundanten Klangteppich, den vor allem der Keyboarder verantwortete. Alles war somit wieder mal im „Flow“.
© text und fotos ferdinand dupuis-panther
Informationen
Weitere Konzerte im Hofgarten, Düsseldorf, Veranstalter u.a. Jazzschmiede (https://www.jazz-schmiede.de/)
Jazz und Weltmusik im Hofgarten
Sa 05. 08. 2017, 15:00 h Eintritt frei
triosence: Bernhard Schüler (Piano), Omar R. Calvo (Bass), Stephan Emig (Schlagzeug)
Sa 12. 08. 2017, 15:00 h, Eintritt frei
Masaa: Rabih Lahoud (Gesang), Marcus Rust (Trompete), Clemens C. Pötzsch (Piano), Demian Kappenstein (Schlagzeug)
Animata: Sarah Buechi (Gesang, Lyrics), Christoph Haberer (Schlagzeug, Electronics)
Sa 19. 08. 2017, 15:00 h, Eintritt frei
Lackerschmid Connection: Wolfgang Lackerschmid (Vibraphon), Gerd Dudek (Saxophon), Caris Hermes (Kontrabass), Niklas Walter (Schlagzeug)
Adjiri Odametey: Adjiri Odametey (Gesang, Gitarre, Kalimba, Mbira, Balafon, Kora, Perkussion), Robert Odametey (Bassgitarre, Perkussion, Gesang), Jack Wonya (Balafon, Gesang, High Hat), Lantey Lankai (Gesang, Perkussion, Bass Kalimba)
Thomas Siffling
Review „Flow“
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/t/thomas-siffling-flow/
Review „Doors without words“
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/j/jazz-ensemble-baden-wu-rttembergthe-doors-without-words/
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