Mark Alban Lotz Trio: Jazz im Museum für Lackkunst (Münster)

Der Flötist Mark Alban Lotz trat gemeinsam mit dem Cellisten Jörg Brinkmann und dem Schlagzeuger Ben Bönniger beim Eröffnungskonzert der Reihe „Jazz Luck“ auf. Initiator der Reihe ist Ben Bönniger, der auch in weiteren Konzerten der Reihe zu hören sein wird. Jeweils im Herbst und im Frühjahr werden vier Jazz-Konzerte im Museum für Lackkunst veranstaltet. Federführend ist bei der Programmauswahl Ben Bönniger, der, wie er mir im Gespräch verriet, auch nicht bei jedem Konzert am Schlagzeug mitwirkt.

Mark Alban Lotz ist nicht nur Teil der europäischen Musikszene, sondern vor allem ein Protagonist Neuer Musik und auch des Jazz unterschiedlicher Prägung. Für Aufsehen sorgte vor allem in der Fachwelt seine neueste CD-Veröffentlichung „Solo Flutes“. Etwas ungewöhnlich ist es schon, wenn wie mit Jörg Brinkmann in einem Jazztrio ein Cellist sein Können unter Beweis stellt, ist doch eher der Kontrabass das Instrument, das zum klassischen Jazztrio gehört. Brinkmann, der in Amsterdam lebt, tritt auch an der Seite von Eric Vloeimans und Tuur Florizoone im viel beachteten Project Oliver's Cinema auf. Für den richtigen Rhythmus sorgte im Trio der Schlagzeuger Ben Bönniger, kein Unbekannter in Sachen Jazz.

Als Einführung zum Konzert bemerkte Ben Bönniger, dass er sich auch einen Soloauftritt von Mark Alban Lotz hätte vorstellen können. Doch er habe sich dann für ein Trio entschieden. „Waiting for Prey“ stand ebenso auf dem Programm wie „Pata Pata“ und „Nile Valley Blues“ von Yusef Lateef. Mit „Song for Delilah“, einer Komposition von Victor Young, wurde das Konzert aufgemacht. Neben „Franz“ (Michael Moore) gab es die Komposition von Jörg Brinkmann mit dem Titel „Prince Henri“ zu hören. Zudem stand noch ein Seahorse-Duett auf dem Programmzettel. Wie auch „Waiting for Prey“ ein maritim angehauchtes Thema. Gleiches gilt auch für die Komposition von Mark Alban Lotz namens „Bathyscaaf“. Dabei handelt es sich um ein speziell für die Tiefseeerforschung konstruiertes Unterseeboot, mit dem auch Jacques Piccard auf seinen wissenschaftlichen Expeditionen unterwegs war. Dieses Stück ist, so Mark Alban Lotz, als eine Hommage an Piccard zu begreifen. „Valse au Chocolat“, ebenfalls an dem Konzertabend vorgestellt, ist eine Komposition von Jörg Brinkmann und auf dem Album „Oliver's Cinema“ zu hören. Übrigens der Titel „Waiting for Prey“ entstammt dem Album „Bite!“, das Mark Alban Lotz zu verdanken ist und sich mit dem Thema Fisch befasst. „Waiting for Prey“ fängt dabei musikalisch den Raubzug eines Hais im dunklen Wasser ein.

Trotz einer Parallelveranstaltung im rot ausgeschlagenen Rathausinnenhof war das Konzert gut besucht. In den intimen Räumen im Untergeschoss saßen die Zuschauer dicht an dicht in unmittelbarer Nähe zu den Musikern, die in der Pause gerne auf Fragen des einen oder anderen Zuhörers eingingen.

Zu Beginn gab es improvisierte Musik zu hören. Schlägel tätschelten sacht das Fell der Trommeln. Bumbumbum, aber auch Tschäcktschäck waren zu vernehmen. Gestrichen wurde das Cello, kurz und akzentuiert, aber ganz und gar nicht tieftönig. Der Flöte rang Mark Alban Lotz gar ein Frohlocken ab. Ach ja, das Cello lässt sich ja auch wie ein Bass zupfen – so geschah es auch. Doch der kleine Bruder vom dicken Bass hatte „stimmliche Probleme mit der Tiefe“ und beließ es bei den eigenen Tonlagen, ganz angemessen zu dem „Wespenkörper“ des Instruments. Was fing denn da die Flöte ein? Wolkenbrüche oder Wolkenbänder, die schnell vorbeiziehen? Oder sollte man sich schwirrende Kolibris vorstellen?

Die Flöte in den Händen von Lotz nahm im weiteren Verlauf das auf, was Jörg Brinkmann auf dem Cello vorgezeichnet hatte. Ein bisschen schien auch Herbie Mann an diesem Abend in Münster zugegen zu sein. Ben Bönniger ließ seine Handflächen über die Trommeln rutschen und schlug auf das Cajón (*) ein, auf dem er saß. So hatte auch der „Holzklangkasten“ seinen Platz im Trio. Beim weiteren Zuhören drängten sich Bilder von einer Samstagnacht in Marrakesch auf, bedingt auch durch die sich ausbreitenden Rhythmuswellen. Jörg Brinkmann schien dabei zwischen orientalischen Spielmodus und Anklängen an Stéphane Grappelli hin- und herzuwandern.

Bei „Song of Delilah“ wähnte man sich dank der Flötenklänge in einem Bambuswald mit vielstimmigem Vogelgezwitscher – so jedenfalls die Assoziationen, die sich mir beim Zuhören aufdrängten. Verdrängt wurde dieser Eindruck durch sphärische Klangwolken. Nebelbänke über dem Meer schienen eingefangen worden zu sein. Dazu verfiel das Flötenspiel von Lotz in einen beinahe klassischen Duktus. Dazu klopfte Ben Bönniger auf ausgehöhlte Kürbishälften, die auf einem Stück Tuch am Boden lagen.

Im nachfolgenden Stück war es an Bönniger mit „Schneebesen“ seine Trommeln zu wischen und an Brinkmann seine weit gespreizten Finger über die Saiten gleiten zu lassen. Das gemeinsame Spiel erinnerte an das Bild eines Fliehenden, der läuft, innehält, um zu verschnaufen, sich umschaut und dann weiterläuft. Im weiteren Fortgang waren eine Tempoverschärfung und eine Steigerung der Lautstärke auszumachen. Brüche wurden sichtbar. Spannung und Entspannung folgten aufeinander. Gezupft und gestrichen wurde das hintergründig eingesetzte Cello.

Im Verlauf des ersten Teils des Abends gab es auch Elegisches und weiterhin Dramatisches zu hören, wozu man sich modernen Ausdruckstanz ergänzend gut hätte vorstellen können. Es schien um Krisen und Katastrophen zu gehen, um ein gewaltiges Rumoren und um Chaos, das unter anderem von Lotz auf der Flöte eingefangen wurde. Doch auch minimalistisch agierte das Trio dabei, allen voran Jörg Brinkmann.

Beim „Haifischraubzug“ klang die Bassflöte, die Mark Alban Lotz spielte, dumpf und tief. Doch auch ein Schnarren und ein Klock-Klock konnte man vernehmen. Jörg Brinkmann verwandelte sein Cello in einen „Alarmapparat“, der seine Warnungen „in schrillen Tönen“ absetzt. Klanghölzer brachte Ben Bönniger zum Einsatz. Mit Hall und Delays hatte das Trio schließlich bei seinem musikalischen Vortrag keine Berührungsängste. Mit einer Unterwasserreise in die Tiefsee endete der erste Teil des Konzerts und in der Pause gab es jede Menge Fragen an die Musiker.

Der zweite Teil des Abends war unter anderem geprägt von einem Mantra, von Lotz auf seiner aus PVC konstruierten Subbassflöte gespielt. Das Rohr wurde zum Sprach- und Blasrohr zugleich. Es wurde ins Schwirren und Schwingen gebracht: Dudadöhumhohimhömichtötutä – vielleicht eine mögliche wortlautmalerische Annäherung an das, was den Zuhörern zu Gehör gebracht wurde. Bisweilen fühlte man sich auch hier und da an Choralpassagen erinnert. Doch dies waren Bruchteile von Momenten. Als letztes Stück angekündigt wurde ein wenig Afrogoove. Ja, Pata Pata gab es zu hören, wenn auch nicht von Miriam Makeba vorgetragen, sondern bestimmt unter anderem von dem „afrikanischen Klanggefüge“, das Jörg Brinkmann seinem schlanken Zupfinstrument entlockte. Auch Mark Alban Lotz ließ auf der Flöte immer wieder die sehr eingängige, ohrschmeichlerische Melodie durchscheinen. Der Schlagzeuger Ben Bönniger ließ sich auch nicht lumpen, und so war plötzlich ein Stück Afrika mitten in Münster zu erleben.

Als Zugabe gab es dann einen Blues, den einst Yusef Lateef geschrieben hatte, und der ein wenig die Arbeit auf den Baumwollfeldern und die Arbeitslieder der Sklaven in den Südstaaten der heutigen USA widerspiegelt. Dabei zeigte es sich, dass Jörg Brinkmann, bezogen auf den Duktus, mit dem er das Cello handhabte, durchaus eine Affinität zur Rockmusik hat.

Fazit: ein intimer Abend mit Musik zum Zuhören, die stets auch das Melodische nicht aus den Augen verlor, bei aller Improvisation, die ja Jazz zum Jazz macht.

Text und Fotos © ferdinand dupuis-panther

(*) Ben Bönninger: Ein kleiner Hinweis noch zu meiner Cajon. Es handelt sich um eine afrikanische Gome Drum. Ebenfalls zwar eine Holzkiste, aber bespannt mit einem Kuhfell. Durch die tiefe Stimmung des Fells ist es möglich mittels Druck eines oder beider Füße Melodien zu spielen. Genau das hat mich an diesem Instrument gereizt, da es eine klangliche Möglichkeiten eröffnet, die eine Cajon nicht bietet.

Informationen

Jazz im Museum für Lackkunst (Münster): Mark Alban Lotz Trio


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