Anlässlich seines 30jährigen Jubiläums brachte das Lutz Wichert Trio im Theater am Wall eine extra überarbeitete Fassung seines aktuellen Programms zu Gehör: Lutz Wichert hatte einen Kompositionsauftrag vom Kulturamt Saarbrücken dazu genutzt eine Reihe von neuen Kompositionen zu schreiben, die beim Festival Sommermusik 2013 uraufgeführt wurden. Einflüsse aus der gesamten Jazzentwicklung treffen dabei auf Kompositionstechniken der europäischen Musik des 20. Jahrhunderts und bilden die Ausgangspunkte für eigenwillige Improvisationskonzepte. Zum Trio des Saarbrücker Saxofonisten gehören der Kontrabassist Alex Morsey und der Essener Schlagzeuger Patrick Hengst.
„Vorhang auf“ hieß es für die neue Saison der Jazzreihe „Jazz live“. Einem wie auch in der Vergangenheit interessierten, „handverlesenen“ Publikum wurde das 1985 gegründete Trio um den Saxofonisten Lutz Wichert präsentiert. Das musikalische Menü des Abends erwies sich als jazzige Rohkost im besten Sinne. Das Experimentelle und auch Ausflüge in den Free Jazz mögen zwar nicht nach dem Geschmack eines jeden Jazzliebhabers sein, aber sie sind das Salz in der Suppe bzw. die Würze der Rohkost im Jazzgewand. Das Erzählende stand dabei nicht unbedingt im Vordergrund, auch wenn Kompositionen wie „Mental Itch“ oder „Suspcious“ dazu vielleicht Anlass gaben, dies zu erwarten. Zwei Sets spielte das Trio im Dachtheater Warendorf und auch zwei Zugaben, die die Zuhörer ins vorspanische Kuba und nach Afrika entführten, gab es zu hören.
Mit „Isn't bad at all“ eröffnete das Trio den sehr gelungenen Abend: Der Bogen strich in den Händen von Patrick Hengst über den Messingrand, während sich das Saxofon wohl einigen Fragen stellte. Derweil hörte sich der Tieftöner von Alex Morsey ein wenig verstimmt und quakend an. Während des weiteren Verlaufs stellte sich eine Art Dialog ein, an dem Bass und Saxofon teilhatten. Auf der einen Seite vernahm man Nachsichtigkeit – so klangen Wicherts Saxofonsequenzen –, auf der anderen Mürrisches. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass sich beide nicht so recht einig darüber waren, ob alles wirklich nicht so schlecht ist. Folgte man im Übrigen dem Soundschema von Lutz Wichert, so meinte man, man sei nicht im Dachtheater, sondern in einer Unterführung der S- oder U-Bahn.
Das nachfolgende Stück zeichnete sich durch knappe Spielelemente aus, denen stets Momente des Einhalts folgten, soweit es jedenfalls das Saxofon von Lutz Wichert betraf. Nachfolgend stand das Bassspiel im Fokus, vibrierend und pulsierend, mit und ohne Bogenspiel. Poltern und Quietschen waren auch Nuancen, die man wahrnehmen konnte, ehe dann Lutz Wichert wieder Regie führte. Schloss man die Augen, so meinte man, Wichert entführe die Zuhörer zu einem Spaziergang auf dem Boulevard am Sonntagnachmittag. Gemächlich ging es zu. Doch kaum hatte man sich auf diese Klangfärbung eingelassen, wechselte diese. Das Saxofon begann zu triumphieren und zu schnarren, verfing sich im Schall und klang, als wäre Lutz Wichert irgendwo auf einer alpinen Höhe und würde mit dem natürlichen Echo spielen.
Zum nächsten Stück meinte Lutz Wichert kommentierend, dass der Titel nach einem intensiven Proben entstanden sei, als der Bruder von Alex meinte, dass das ja alles sehr verdächtig klinge: „Suspicious“ also war als Kompositionstitel geboren. Was war zu hören? Ein Tapsen, sich verstetigende Schritte, die schneller wurden – so suggerierte es das Bassspiel Morseys, ein Suchen, ein Stöbern, ein unsicheres Hin und Her. Dabei wurde Morsey von Patrick Hengst am Drums fortlaufend unterstützt. Alex Morseys Hände verschränkten sich. Die Rechte griff die Seiten oberhalb der linken Griffhand. Tropfenförmig entwickelten sich die Klangstrukturen. Glöckchen und Rasseln kamen zum Einsatz, bevor Lutz Wichert uns mit seinem Holzbläser signalisierte, man müsse sich doch mal vorsichtig umschauen.
Oh, knarren die Dielen oder der Bass? Knarzt der Bühnenbelag oder was? Turbulenzen versprach auf alle Fälle das Saxofonspiel. Rabatz, Rabatz – daran dachte der eine oder andere Zuhörer wohl auch. Klickklickklick ließ sich das Schlagzeug vernehmen. Dabei schlug Patrick Hengst mit den Sticks an den Trommelrand und ließ auch den einen auf den anderen Stick niedergehen, ehe er sich dann ganz untergründig verhielt. Ein Palaver erhob sich anshcließend, wobei der Bass die Rolle des Verstehenden einnahm und das Saxofon zu einem mächtigen Geschrei ansetzte. Dabei fiel Alex Morsey bezüglich der Klangverfärbung eine zentrale Rolle zu. „How it works“ war zu hören. Doch funktionierte alles wirklich? Mit „La Curda“ ging es jazzig „beschwipst“ in die Pause.
Nachfolgend spielte das Trio noch sechs Kompositionen Wicherts, beginnend bei „Mutuality“ und mit „Rackety“ endend. Dabei fiel durchaus auf, dass die Stücke hier und da ein unvorhergesehenes Ende hatten. Unvorgesehen waren auch die Schemen, in denen sich das Trio bewegte. Nie ließ sich vorhersagen, in welche Richtung, sich die Kompositionen entwickeln würden. Zu sehr stand das Experimentelle im Fokus.
Flott war das Tempo bei „Enthusiastics“. Dabei trieb das flinke Gezupfe von Alex Morsey durchaus das Spieltempo des Trios an. Irgendwie klang die Musik wie bei einer Autoverfolgungsjagd unter der aufgestelzten Hamburger Hochbahn. Nicht für jedermanns Ohren war das kraftvolle Spiel von Lutz Wichert. Gewittersturm und Donnerschlag entwickelten sich im Dachtheater ganz geballt. Ist das also „Begeisterung“? Man muss es annehmen. Begeistert von ihrem Zusammenspiel, das konnte man der non-verbalen Kommunikation auf der Bühne entnehmen, waren die drei Jazzer auf alle Fälle.
Psychologisch angehaucht, so Lutz Wichert, ist „Mental Itch“, der „mentale Juckreiz“. An Gedankenspiele, an Idee und Gegenidee, Entwurf und Gegenentwurf, erinnerte so auch das dialogische Spiel von Bassist und Saxofonist. Das dabei sich wiederholende Strukturen zum Vorschein kamen, war bewusst gewählt, so als handele sich um eine gewisse Zwanghaftigkeit, die zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Den Blues bekamen die Zuhörer auch noch, als „Bluesiastics“ erklang. Zugleich meinte man, Monk träfe im Dachtheater auf Mingus. Wer bisher nicht wusste, dass Alex Morsey auch ein ausgewiesener Scat Vocalist ist, der wurde überrascht, als dann zum tieftönigen Bass die tieftönige Stimme mit Bimbobabombibababa und Bombomdadadadaläda zu hören war. Mit „Rackety“ schloss der Abend mit experimentellem Jazz eigentlich, aber die Zuhörer wollten mehr hören. So ging es schließlich auf eine Exkursion in die Karibik und nach Afrika. Dann war aber wirklich Schluss. Wer mehr Jazz in Warendorf hören möchte, der darf sich auf die nächsten Konzerte freuen, die Blues und Gospel, Kammermusikalisches und mehr versprechen.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Jazzreihe Jazz live
www.facebook.com/jazzinwarendorf
www.jazz-in-warendorf.de
Lutz Wichert
http://www.lutzwichert.de
Videos
https://www.youtube.com/watch?v=nCgrUDzuV40
https://www.youtube.com/watch?v=C_km3AGh50k
https://www.youtube.com/watch?v=ymYES3XhlhE
Alex Morsey
Interview
http://www.jazzhalo.be/interviews/alex-morsey-interview-mit-dem-bassisten/
Weitere Jazz-live-Konzerte
Donnerstag, 17.12.15 / 20:00 Uhr
Sigurður Flosason/Stefan Bauer:„Local Flavor“
Sigurður Flosason - Altsaxophon
Uli Wentzlaff-Eggebert - Bass
Yonga Sun - Schlagzeug, Perkussion
Für seine jährlich wiederkehrende Weihnachtsserie konnte Stefan Bauer dieses Jahr den hervorragenden isländischen Saxofonisten Sigurður Flosason gewinnen. Diese beiden Musiker kennen sich von einigen Konzerten in Kanada vor vielen Jahren, bei denen sie merkten, dass sie als Ensemble-orientierte, komponierende und stilistisch weit gefächerte Musiker gemeinsame Interessen verfolgen. Flosason ist trotz seiner nordisch-reservierten Erscheinung ein “heißer” Spieler, der auf aktuelle Art und Weise Tradition und Moderne miteinander verbindet. Der in New York lebende Bauer gehört international zu den besten Vibrafonisten. Mit einer brisanten Mischung aus zupackendem Drive und Unvorhersehbarkeit erweitern Bassist Uli Wentzlaff-Eggebert und Ausnahmedrummer Yonga Sun aus Holland dieses Ensemble zum Quartett. Erklärtes Ziel dieses Zusammentreffens ist die Berücksichtigung von Folklore (fiktiv oder tatsächlich) aus dem Fundus und den Lebensumständen dieser vier Weltreisenden in Sachen Musik.
Informationen
Musiker
Stefan Bauer
www.stefanbauer.net
Interview
http://www.jazzhalo.be/index.php?option=com_content&view=article&id=128&Itemid=125
CD-Review
http://www.jazzhalo.be/index.php?option=com_content&view=article&id=278&Itemid=225
Sigurður Flosason
www.sigurdurflosason.com
CD Review
http://www.jazzhalo.be/index.php?option=com_content&view=article&id=468&Itemid=440
Donnerstag, 21.01.16 / 20:00 Uhr
SÈMACORDES: „Kammerjazz mit französischem Charme“
Marie Séférian - Komposition/Gesang
Clara Abou - Geige
Pauline Dangleterre - Geige
Loïc Douroux - Bratsche
Emile Bernard - Violoncello
Tim Kleinsorge - Kontrabass
Javier Reyes - Schlagzeug
Manche Menschen haben das Glück, gleich mehrere Talente in die Wiege gelegt zu bekommen. Bei Marie Séférian sind es künstlerische Kreativität und eine grundsätzliche Offenheit, die über viele vermeintliche oder tatsächliche Grenzen hinweg reicht. Einen starken Ausdruck findet beides in SÉMACORDES, dem jüngsten Ensemble der deutsch-französischen Sängerin und Komponistin. Es vereint Séférians in Berlin ansässige Jazzrhythmusgruppe mit dem Pariser Streichquartett Equinoxe. Zum 50. Jubiläum des Elysée-Friedensvertrages 2013 gegründet, ist das Septett für Marie Séférian in mehrfacher Hinsicht eine Herzensangelegenheit. Aus einem französisch-deutschen Elternhaus stammend, in dem beide Eltern klassische Musiker sind, ist die gebürtige Münsteranerin in vielerlei Hinsicht geprägt worden. Zwischen den Kulturen, aber auch den unterschiedlichen Musikrichtungen zu changieren, war der Grundgedanke dieser außergewöhnlichen Besetzung. Streicher und Stimme Eins werden zu lassen, ist sicherlich auch aus dem langjährigem Geigenspiel Séférians entsprungen. Verspielte Melodiebögen und ausgeklügelte Arrangements, zerbrechliche Passagen und Grooves, darüber eine strahlende sowie variable Stimme verschlingen sich zu Stücken mit Geist und Charme. Die Klangfarben des Septetts variieren zwischen pastell und kraftvoll und kreieren nuancierte, intensive Atmosphären. Für die Texte der Kompositionen bediente sich Séférian bei den Dichtern und Denkern des 19. Jahrhunderts: Emiliy Dickinson, Victor Hugo und W. C. Williams beginnen bei SÉMACORDES zu klingen.
Informationen
Musiker
www.marie-seferian.de
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Donnerstag, 18.02.16 / 20:00 Uhr
SW W.O.W Trio: „Kammermusikalische World-Jazz Triomusik“
Susan Weinert - Gitarre
Andrzej Olejniczak - Saxophon
Martin Weinert - Bass
Mehr als 30 Jahre lang touren Susan & Martin Weinert schon gemeinsam durch die ganze Welt und haben mehr als 3000 Konzerte in dieser Zeit absolviert. Wohl nur so konnte die atemberaubende Art des intuitiven Zusammenspiels dieses kongenialen Ausnahmeduos entstehen. Mit einer in dieser Form selten erlebten traumwandlerischen Sicherheit gehen die Weinerts mit ihren Instrumenten um und öffnen dem Zuhörer weit das Fenster zu der ganz eigenen und zauberhaften Klangwelt, die Susan Weinert mit ihren Kompositionen erschafft.12 weltweit veröffentlichte CDs hat sie bereits unter ihrem eigenen Namen herausgebracht. Das Repertoire der Gitarristin ist vielfältig und abwechslungsreich. Skandinavisch schwebende Klangkaskaden, orientalisch und afrikanisch gefärbte Rhythmen, sphärische Balladen und pulsierende Grooves. Die Farbenpalette, mit der die Künstlerin ihre Klanglandschaften auf der akustischen Gitarre entwirft, ist reich bestückt. Durch die Verbindung der Harmonien der europäischen klassischen Moderne und des zeitgenössischen Jazz mit Rhythmen aus der ganzen Welt entsteht ein ganz eigenes und abwechslungsreiches Klanggeflecht. Kompositionskunst auf allerhöchstem Niveau. Mit dem polnischen Saxophonisten Andrzej Olejniczak verbindet die Weinerts eine langjährige Freundschaft und eine gemeinsame musikalische Sprache. Andrzej Olejniczak startete seine Karriere in den 1970er Jahren und wurde schon damals mit Preisen überhäuft und zu Konzertreisen ins Ausland gesandt. In seiner polnischen Heimat hat ihm das den „living-legend-status“ bei den Musikrezensenten eingebracht und es wird ihm viel Respekt und Beachtung geschenkt. Seit 1984 lebt und arbeitet er in Bilbao (Spanien) wo er als freischaffender Musiker und Dozent an verschiedenen Musikhochschulen tätig ist.
Informationen
Musiker
www.susanweinert.com
Donnerstag, 17.03.16 / 20:00 Uhr
East Drive - „Power Trio with Global Energy“
Vitaliy Zolotov - Gitarren
Philipp Bardenberg - Bass
Boden Janke - Schlagzeug, Perkussion
East Drive ist eines der schillerndsten Phänomene der modernen europäischen Jazzszene. Starke Melodien und dichte Rhythmen in Kombination mit einem freien improvisatorischen Konzept, ohne Berührungsängste vor Gegenständlichkeit und Harmonie aufkommen zu lassen. East Drive sind drei außergewöhnliche Stimmen in einem über viele Jahre gewachsenen musikalischen und freundschaftlichen Dialog.
Informationen
Musiker
www.eastdrive.org
General Infos
Theater am Wall
Wilhelmsplatz 9
48231 Warendorf
Tel.: 02581 / 910612
Fax: 02581 / 7899856
info@theateramwall.de
Tickets: Box Office one hour before the beginn of the various concerts
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(19.4.1954 - 6.3.2018)
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Philippe Schoonbrood
(24.5.1957-30.5.2020)
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Claude Loxhay
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