Sinfonia de Carnaval
In der Vorankündigung war Folgendes zu lesen: „Das Duo Sinfonia de Carnaval verspricht instrumentellen Art-Pop, der keine Grenzen kennt: Elemente des Jazz und Pop treffen auf elektronische Sounds und das volle Klangspektrum klassischer Spieltechniken.“ Das Duo besteht aus Anna Lang und Alois Eberl. Sie waren in Telgte am Cello, an der Posaune, am Akkordeon, aber auch vokal und perkussiv zu hören. Dass ihre Musik nicht auf Elektronisches verzichtete, sei an dieser Stelle außerdem angefügt. Während ihres Konzerts entstanden ausschweifende Klangbilder, bei denen man bildlich an expressive Farbmeere denken konnte. Übrigens, „Sweeping Dragon“ lautet der Titel der jüngsten Veröffentlichung des Duos.
Zu den beiden Musikern – in aller Kürze
Anna Lang stammt ursprünglich als Salzburg und wuchs in einer Künstlerfamilie am Traunsee auf. Mit 15 Jahren begann sie ihre musikalischen Studien und graduierte an Mozarteum in Salzburg im Fach Klavier, ehe sie an der Musikuniversität Wien einen Masterabschluss im Fach Cello erhielt. Schließlich studierte sie an der Privatuniversität Anton Bruckner in Linz, um das dortige Studium mit einem Bachelor of Arts with Distinction in Jazz and Improvisation abzuschließen.
Der Posaunist, Akkordeonist und Komponist Alois Eberl wurde in Kitzbühel geboren und wuchs inmitten eines Elternhauses auf, das eine Vorliebe für Volks- und Klassische Musik besaß. Erste musikalische Erfahrungen sammelte er in einer Blaskapelle, in der auch sein Vater aktiv war. Mit 14 Jahren begann Eberl eine musikalische Ausbildung, in der die Posaune und das Akkordeon im Mittelpunkt standen. Während dieser Zeit am Tiroler Musikkonservatorium entdeckte er seine Passion für Jazz und improvisierte Musik. Im Jahr 2009 schloss er seine Studien an der Privatuniversität Anton Bruckner (Linz) ab. Einige Zeit später erhielt er einen weiteren Bachelorabschluss und zusätzlichen einen Masterabschluss in klassischer Posaune am Salzburger Mozarteum.
Zum Konzert
Österreich hat herausragende Jazzmusiker hervorgebracht. Erinnert sei an Hans Koller und an Joe Zawinul, nur um zwei Musiker namentlich herauszugreifen. Legendär ist das Vienna Art Orchestra. Nun ja, das sind Rückblicke in die Vergangenheit. Dass in Austria Felix aber auch gegenwärtig herausragende Jazz-Musiker zu hören sind, unterstreicht das diesjährige Münsterland-Festival. Letztlich gehört auch das Duo Eberl-Lang zu dieser Phalanx von Musikern, die aufhorchen lassen. Schon allein die Instrumentierung des Duos ist eher außergewöhnlich, treffen doch Posaune und Akkordeon auf ein Cello, das Anna Lang sehr variantenreich zu spielen weiß. Mal meint man, einen Kontrabass zu hören, mal eine Viola da Gamba, mal eine Gitarre, je nach technischer Finesse. Zu hören waren Bogenstriche, Bogenschläge auf den Saiten, aber auch Pizzicato, also dem Zupfen der Saiten mit den Fingern der rechten Hand. Diese führt ja normalerweise den Bogen bei Streichinstrumenten.
Melodische Strukturen und rhythmisierte Einheiten wechselten sich bei dem Konzert ab. Dabei waren die Rollen nicht festgeschrieben, sondern die beiden Musiker wechselten sich darin ab. Stets war das Melodische im Fokus, auch mit elektronischen Verfremdungen. Mehrstimmigkeit schien das Kernprinzip, zumal mit dem Akkordeon und der Posaune, die Alois Eberl wechselseitig spielte, zwei Instrumente ihre Klangfülle entwickelten, die auch eher selten zu hören sind, sieht man von kirchlichen Posaunenchören, den Funkkapriolen des schwedischen Posaunisten Nils Landgren und dem Musette oder den Tango-Adaptationen des italienischen Akkordeonisten Luciano Biondini einmal ab.
Wer beim Namen des Duos an Karnevalsmusik dachte, wird überrascht gewesen sein, weder Samba, Bossa noch Salsa oder Guggenmusik zu Gehör bekommen zu haben. Statt dessen präsentierte das Duo gleich zu Beginn des Konzerts „African Suite (Montagu, Impala Stomp, African Lament)“. Und auch diese Suite erlebten die Anwesenden fern der gängigen Musik Afrikas gleichgültig, ob sie von Manu Dibango, Abdullah Ibrahim oder Ali Farka Touré komponiert wurde. Nein, das Duo vertiefte sich nicht in Griot oder Gnawa oder westafrikanische Beats.
Statt dessen musste man beim Klang des gestrichenen Cellos an ein Lamento denken, an Sakrales und nicht an stampfende Rhythmen, auch wenn Alois Eberl seinem Zuginstrument rhythmisierte Schraffuren entlockte und diese als Beigabe dem Spiel von Anna Lang hinzufügte. Hier und da meinte man, dass das Cello ein Klagelied anstimmte, dass ein Seufzen zu vernehmen war. Wehmut schien präsent, trotz des andere Assoziationen weckenden Titels der Suite. Hier und da meinte man gar, der schwedische Bassist Lars Danielsson sei mit seinen „Liberetto-Kompositionen“ für einen Moment präsent. Auch ein wenig Musette flammte kurz auf, ehe dann Alois Eberl als Vokalist zu hören war. Gewisper traf dabei auf Lautmalereien jenseits von klassischem Scat Vocal, wie wir dies unter anderem von Ella Fitzgerald kennen. Eher musste man beim Zuhören an den Gesang von französischen und italienischen Barden der vergangenen Jahrzehnte denken. Gleichzeitig drängte sich der Eindruck auf, dass man die Getragenheit eines Fados aus dem Lautgesang heraushören und ab und an auch die Anlehnung an den Gesang von Gil Gilberto herausfiltern könne. Als Begleitung vernahmen wir „sprunghafte“ Gitarrenklänge, die allerdings einem Cello entlockt wurden. Darüber hinaus schien das Zuginstrument unter den Händen von Alois Eberl im Klang teilweise einer Kirchenorgel zu ähneln.
Aus der Feder von Anna Lang stammt die nachfolgend zu hörende Suite mit folgenden drei Teilen: „Der Wächter des Drachen“, „Sweeping Dragon“ – namensgebend für die jüngste CD-Veröffentlichung – und schließlich „Bazar“. Drachen beherrschen die Sagenwelt bei uns, sind in Märchen präsent. Doch wer glaubt schon an Drachen? Kinder vielleicht, die auch ein Faible für Dinos haben. In diese „Sagenwelt“ entführte uns das Duo und zeigte dabei auch, dass Drachen eine wilde Party feiern können. Gestisches Bogenspiel traf dabei auf einen Posaunisten, der sein Blasinstrument zu einem Sing- und Atemrohr umwandelte.
Bildlich gesprochen hatte man im weiteren Verlauf den Eindruck einer feurigen Klanglava, die sich unablässig ergoss. Klassische Reminiszenzen tauchten auf und ein wenig Mozartscher Geist schien die Zuhörer zu umgarnen. Tieftöniges wurde mit dem Hauch einer Windmaschine verbunden. Sakral-Getragenes schien auch mit im Spiel zu sein. Loops trafen auf zirkuläre Atmung, sodass die Posaune fast wie ein Didgeridoo klang. „Funkige Klangwellen“ waren Anna Lang zu verdanken. Derweil verwandelte sich die Posaune klanglich in ein Waldhorn, oder? Schwirren, Flirren, Brummen, Zischen und Röhren – auch dass war zu hören, dank an Alois Eberl. Gab es nicht auch Obertöniges wahrzunehmen? Und am Ende schien der Drache ganz entfesselt zwischen Acid Jazz und Techno-Geschwirr.
Der erste zusammenhängende Satz, den der Sohn des Duos mit etwa 1 ½ Jahren sprechen konnte, lautete: „Der Mond kommt auch Eiswürfel essen“; fürwahr eine Satz-Schöpfung, auf die ein Erwachsener nicht käme, es sei denn, er sei DADA-Jünger. Doch zuvor hörten wir noch „Luftiges“: „Air from you“ – auf der jüngsten CD des Duos das letzte Stück. Überzeugend war die Klangmelange, in der insbesondere ein Klang-Aquarell von Weite, von der Überschreitung des Horizonts, im Mittelpunkt stand. Schwebende Klangwolken malte der Posaunist, derweil die Cellistin sich in Gitarrengefilde begab. Tanzbare Musik schien für Augenblicke das Publikum zu erfassen. Erneut erwies sich der Posaunist auch als versierter Vokalist, der es verstand, sanfte Linien und dichte Konturen entstehen zu lassen. Und im O-Ton war dann auch der Sohn des Duos zu hören: „Der Mond kommt auch Eiswürfel essen“.
Ein wenig irische Folklore jenseits von Reel stand bei „Running in Hyde Park“ auf dem Programm. Dabei ging die Volksweise auch in Country Music und Singer/Songwriter über, oder? Mit „Tap Hop“ wurde das eigentliche Konzert beschlossen, aber …: Gleich drei Zugaben waren an diesem sehr nachhaltig im Gedächtnis bleibenden Konzertabend zu hören, darunter auch das sphärisch konzipierte „The Drone“. Das Publikum spendete nicht nur herzlichen, sondern frenetischen Beifall für ein Duo, das es verstand, unterschiedliche Genres zu einer Collage zu vereinen: Klassik, Pop, Jazz, Folklore, ein bisschen Mozart und ein bisschen Brahms, durchaus auch Rocklinien, wie man sie von Jack Bruce, dem Bassisten von Cream, her kennt. Dabei biederte sich das Duo nicht mittels eingängiger musikalischer Zitate an, sondern schuf stets überraschende Klanglandschaften. Das galt auch für das Stück „Serenade for Mt. Hadley“, komponiert von Alois Eberl, nachdem er mittels Teleskop den Mond beobachtet hatte und von der genannten Monderhebung angezogen wurde, an der auch Apollo 15 gelandet war.
Zum Schluss
Anna Lang hat zum Thema Bandnamen unter anderem Folgendes zu Papier gebracht: „ …. Sinfonia … Weil wir in den Kompositionen und deren Arrangements grundsätzlich ein sinfonisches, orchestrales, breites, großes, stereophones Klangbild und Hörerlebnis anstreben – und das eben nur zu zweien…“. Und zum zweiten Teil des Bandnamens: „ … Die Verbindung von Karneval mit Fasching - unser neues Album betreffend - würde zu einem Missverständnis führen, weil wir bei diesem Album die Verkleidung und Maskierung fallen lassen. Die Musik möchte den echten, wirklichen Zustand widerspiegeln. Vielleicht so wie ein guter Schauspieler, der auch ohne Kostüm in seiner Rolle ist und in Trance kommt.“
© Fotos und Text Ferdinand Dupuis-Panther
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