Vorhang auf für ein Duo, das doch als ungewöhnlich zu bezeichnen ist: Die Pianistin Julie Saasson traf an diesem Abend in Münster den aus Münster stammenden Schlagzeuger Willi Kellers. Im Vorfeld des Konzerts las man im Ankündigungstext Folgendes: „Dieses Duo ist eine transzendente Einheit fast meditativer Improvisationen. Lyrische Melodien und perkussive Ausbrüche, die sich mit Schlagzeugrhythmen aus Bartoks oder Strawinskys Welt überlagern, Jazz, Afrika, Wildheit wechseln mit sehr leisen, fast unhörbaren atmosphärischen Sequenzen ab. Julie Sassoon kommt aus der Klassik, hat eine Ausbildung als Konzertpianistin und ist über den Jazz zur improvisierten Musik gekommen. Willi Kellers hat, neben unzähligen Großen des Jazz, mit Keith Tippett und Marylin Crispell gespielt, und Julie steht diesen beiden mit ihrer ungeheuren Emotionalität in nichts nach.“
Die Black Box war bis auf den letzten Platz gefüllt, unter den Gegebenheiten der Pandemie selbstverständlich. So folgte man dann dem Konzert mit Mund-Nasen-Maske und mit Abstand zueinander. Doch das tat dem Hörgenuss keinen Abbruch. Nach ein wenig Small Talk auf der Bühne und zwischen Bühne und Zuschauerraum ging es mit zerbrechlich anmutenden Klangpassagen los. Man vermeinte, sanfter Regen würde auf ein Wellblechdach niedergehen und die auftreffenden Tropfen würden zerspringen. Besenspiel vernahm man auf Hi-Hat und dem übrigen Drumset. Im Weiteren dachte man, Julie Sassoon würde uns über eine Glasplattform führen und unsere Schuhe würden „kristallenen Trittklang“ hinterlassen. Zugleich drängte sich aber auch der Eindruck auf, man lausche dem „Fallen von Klangfolgen“. Heftig schnellende Finger auf den Tasten waren auszumachen. Ticketicketicketicke – klang es von Seiten des Schlagwerkers, der unterdessen einen Holzblock auf ein Trommelfell gelegt hatte und diesen zum Schwingen brachte. Nachfolgend ließ Willi Kellers seine Finger auf den Fellen von Snare und Toms niedergehen. Tickle-tickle-tickle … . Dunkel gefärbt waren die Klaviersequenzen, die uns anschließend die Pianistin präsentierte. Dabei schien auch das Melodramatische inszeniert zu werden. Zugleich hatte man die Vorstellung, man schaue in den dunklen Nachthimmel und sehe glitzernde Sterne und vorbeihuschende Sternschnuppen. Fellgewische wurde mit dem metallenen Klang einer Kalimba, einer Daumenharfe aus Afrika, vereint. Düstere Klangfolgen mischten sich danach mit stetem Trommeln der Finger.
Nicht allein im Diskant bewegten sich die Finger der Pianistin, sondern diese schweiften auch gelegentlich in den Bass des Flügels ab. Beinahe nervös war das Getätschel von Hi-Hat und Toms. Willi Kellers ließ die Besen auch auf seinen Oberschenkeln niedergehen und erweiterte so sein Trommelset. Sprunghaftigkeit lag im weiteren Spiel. Trommelnde, hoch und nieder schnellende Finger auf den schwarzen und weißen Tasten erlebten die Zuhörer. Die Improvisation nahm Fahrt auf. Dynamik erfüllte den Raum. Aufbruch war spürbar, Entladung ebenso. Doch wohin sollte die Klangreise gehen?
Fingerspiel und Einsatz von Schlägeln lösten sich ab. Blechgeschwirr war überaus lautstark wahrzunehmen. Der zarte Klang eines Xylofons wurde als perkussives Element dem Klangfluss beigemischt. Angerissen wurden die Saiten des Flügels durch einzelnen Fingerschlag. Dann gab es auch eine Form eines melodischen Kontinuums und nicht nur eine Collage von Klängen zu hören. Willi Kellers spielte nicht nur Daumenharfe, sondern wurde auch zum Vokalisten mit röchelnder Stimme und diversen Lautmalereien. Bisweilen musste man an die Beuyssche Interventionen mit Ja-Ja-Ja und Nein-Nein-Nein denken, oder?
Klicklaute ließ der Drummer vernehmen. Derweil wanderte ein kleines Blech auf ein Trommelfell. Angeschlagen gab es einen trockenen Metallklang von sich, der ans Ohr der Anwesenden drang. Wollte man das nachfolgende Spiel von Julie Sassoon in ein Bild fassen, so meinte man, klanglich würde der Gang über eine Stuttgarter Stiege oder eine der Lütticher Treppenstraßen Stufe für Stufe umgesetzt. Kontinuierlich wirbelte Willi Kellers an seinem Schlagwerk. Da gab es keine Brüche und Pausen. Besen, Schlägel und Sticks arbeiteten wie ein Uhrwerk ohne Unterlass. Rauschende Wasserfälle und einen Malstrom schienen die beiden Akteure in Klangvariationen umzusetzen.
Immer wieder nahm sich der Drummer den Raum für Vokales, für Lautmalerisches, mit und ohne „Stimmbrüche“. Donnerhall schien sich mit hohem Stimmgewirr zu paaren. Tatatatatacktatatack und Ticketicketickeditick konnte man herausfiltern, als der Drummer sein Schlagwerk in den Vordergrund setzte. Julie Sassoon hingegen ließ klangliche Wildwasser durch die Black Box strömen. Und irgendwie schien auch ein Chronometer ein Lebenszeichen zu geben. Sobald sich die beiden Musiker auf ein Furioso und Crescendo einließen, meinte man Ohrenzeuge eines Veitstanzes zu werden. Die Kumulation wurde gesucht und gefunden, um nach der Anspannung in die Entspannung zu fallen.
Gelegentlich gab es auch melodische Passagen zu hören, zu dem die Musiker ein Pfeifen auf den Lippen hatten. Oder war es allein der Drummer, der die melodischen Phrasen von Sassoon aufnahm und pfiff? Und da war dann auch wieder der trockene Metallklang der Daumenharfe, allerdings für gezählte Momente. Beinahe ins Songhafte glitt die Pianistin im Weiteren ab. Harfen-Anmutungen gab es obendrein, und auch das Greifen in die Saiten des geöffneten Flügels sahen die Anwesenden. Oha, nun spielte Willi Kellers auch noch eine einfache Rohrflöte, deren Klang uns an Vogelstimmen denken ließ. Vor allem das Perkussive, das wir dem Drummer zu verdanken hatten, weitete den Klangkanon des Duos ganz erheblich aus. Wollte man ein Bild zur Musik malen, dann wäre das gestische Informel oder auch das Farbdripping genau richtig. Manchmal erahnte man Wellentäler und auch Wellenverläufe. Und irgendwann war die Klangcollage vollendet, mit und ohne farbige Schnipsel, wie man sie in der abstrakten Malerei von Otto Freundlich finden kann.
© Fotos und Text Ferdinand Dupuis-Panther
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