cuba Black Box Münster, 14. Mai 2019
Zum Konzert konnten wir vorab lesen: „Die vielseitig aktiven drei Osloer zaubern aus einem einfachen akustischen Trio-Setup ambitionierte, individualistische Stücke zwischen zeitgenössischer Komposition - gelegentlich präpariert Cambien sein Piano - und Jazztrio; trotzdem ist diese »Future«-Musik weit vom Free Jazz oder von noisiger Avantgarde entfernt.“ Es ist wohl richtig, dass das Trio in Oslo zuhause ist; Jonas Cambien ist jedoch gebürtiger Belgier und stammt ursprünglich aus Leuven.
Nach einem Studium am Brüsseler Königlichen Konservatorium mit dem Schwerpunkt klassische und Neue Musik wechselte Jonas Cambien zum Master-Studium in Jazz und Improvisationsmusik an die Norwegische Musikakademie nach Oslo. Im Ankündigungstext heißt es weiter: „Mit den radikalen Bands Karokh und Platform hat der Pianist, der gern auch mal zu analogen Synthesizern und Elektronik greift, bereits jeweils zwei hervorragende Alben veröffentlicht; darüber hinaus spielt er mit dem Ensemble Aksiom zeitgenössische Kompositionen.“
In Münster standen auch der Albatrosh-Saxofonist André Roligheten und der Schlagzeuger Andreas Wildhagen (Large Unit) auf der Bühne. Präsentiert wurden Stücke aus den beiden Alben, die beim portugiesischen Label Clean Feed erschienen sind. Dabei, um es vorwegzunehmen, hatte man während des Konzerts den Eindruck, das Trio trage ein piktorales Klangkontinuum vor. Hier und da beschlich den Zuhörer auch die Vorstellung, er lausche einer Suite mit Variationen. Ja, es gab schon einzelne Titel für die vorgetragenen Kompositionen aus der Feder von Jonas Cambien, aber diese spielten eigentlich keine Rolle. Sie waren auch nicht Fingerzeige auf das, was zu erwarten war, oder?
In einer Kritik zu den bisherigen Alben des Trios konnte man von „Junkyard sounds“ lesen. Das ist gewiss eine sehr plastische Umschreibung dessen, was die Musik des Trios beinhaltet. „Gerümpelklang“ gab es in Münster nicht zu hören. Eher changierte die Musik zwischen Klassik, Free Jazz, Noise Music und einer durchaus der Melodie verpflichteten Musik. Doch stets wurden von dem Trio Linien gebrochen. Wenn man Afrogrooves erwartete, gab es diese nicht. Wenn man meinte, Pharoah Sanders und Roland Kirk würden präsent sein, dann erweckte das Trio einen schlafenden Vulkan und ließ feurigen Klang niederregnen.
Genau das machte den Abend so spannend, das Durchbrechen von Erwartungen und Haltungen. Aufgrund der sehr bassorientierten Spielweise von Jonas Cambien fiel nicht auf, dass dem Trio im Vergleich zu einem klassischen Trio der Kontrabass fehlte. Das sei, so Cambien in einem Vorgespräch, eher Zufall als Absicht gewesen. Es sei ihm darum gegangen, mit zwei Musikern zusammenzuspielen, die seine musikalischen Konzepte teilen und mit denen er auf einer Wellenlänge schwimmen könne.
Dass eigentlich auch auf das Schlagwerk hätte verzichtet werden können, ist vielleicht nur die Auffassung des Berichterstatters, dem die durchgehend sehr rhythmisch ausgerichtete Tastenfiguration überaus auffiel. Das Spiel am präparierten Flügel war außerdem Teil des Vortrags Cambiens. Allerdings verzichtete Cambien auf elektronische Spielereien. Distortions und Delays fehlten ebenso wie Loops. Akustisches ohne Verstärkung füllte den Raum. Und das war eine Wohltat. Auch der Saxofonist und Klarinettist André Roligheten war nicht auf Aufsteckmikrofone angewiesen, um mit seinen Holzbläsern Raumfülle zu unterstreichen. Neben dem Tenorsaxofon kamen bei ihm auch die Bassklarinette und das Sopransaxofon zum Einsatz. Hier und da spielte er Sopran- und Tenorsaxofon parallel – welch eine beeindruckende Klangwucht!
Ob die einzelnen Kompositionen, die die Anwesenden an diesem Abend hörten, „Clap“, „Times“, „Keys“, „Swear like a bear“, „Renaissance“ oder „We the people“ heißen, schien sekundär. Entscheidend waren die Strukturierung, die Schraffierung, die Schummerung, das Energetische, die Auflösung des Gebundenen und die Klangverknüpfungen.
Gedämpfte Tastentöne trafen auf den durch die Bassklarinette streichenden Atemzug. Handflächen schlugen auf Bongos und Toms. Schnalzen und Klappenschlag lag in der Verantwortung des Saxofonisten. Rhythmuswechsel standen an und wurden vollzogen, teilweise abrupt. Sohlen schlugen rhythmisch auf den Boden. Das Bild von Fußgängern, die Stiegen und Treppenstraßen herunterlaufen, stellte sich ein.
Schlägel sausten auf Felle nieder, derweil die Hämmer des Flügels gehemmt wurden. Handflächen brachten durch Schlagen die Saiten des geöffneten Flügels zum Schwingen. Übergangslos wurde begonnen, eine melodische Linie zu zeichnen. Klappen des Saxofons wurden bewegt, um Klang zu erzeugen. Hier und da verstärkte sich der Eindruck, Kugeln würden eine Murmelbahn hinabrollen. Klick-Klack machte es, so als stünde ein Versuch mit an Fäden hängenden, beweglichen Kugeln zur Frage des Impulses an.
Windverwehungen nahmen wir ebenso war, wie den feinen Hauch eines Sopransaxofons. Auf Melodisches konnten sich die Zuhörer nicht einrichten. Bequemlichkeit war nicht gefragt. Wechselspiel stand auf dem Programm. Hacken schlugen auf den Boden, unterstützten das energieaufgeladene Spiel mit den schwarzen Tasten.
Theatralisch gestaltete das Trio das gemeinsame Bearbeiten von Kompositionen. Auf- und Abgänge in verschiedenen Szenenfolgen konnten beobachtet werden. Strudelförmige Klangspiele drangen ans Ohr der Zuhörer. Dass auch mit einem auseinander gebauten Saxofon Klangformen zu gestalten sind, unterstrich im Weiteren André Roligheten. Er spielte einfach mal auf dem S-Bogen seines Tenorsaxofons. Dazu gesellten sich Klangblech und gehemmter Diskant des Flügels.
Symbiotisch schien die Vereinigung von Flügel und Saxofon. Dabei drängte sich das Bild von Gezeitenfluss auf. Ab und an schien auch wildes Schlachtengetümmel gegenwärtig – man musste dabei an Filmwerke von Akira Kurosawa denken. André Roligheten schwenkte während eines Teil des Klangspiels sein Saxofon von links nach rechts und zurück, nach oben und nach unten. Hörspiel traf auf Melodiespiel, oder?
In einem anderen Teil des Konzertabends schien der Zug der Kraniche lautstark imitiert zu werden. Redundanzen des Flügels trafen auf das Sopransaxofon, das den Formationsflug nachzeichnete. Blechgeschwirr wurde beigemischt. Chorgesang ohne Chorsänger war zu vernehmen. Ein Hi-Hat wurde mit den Besen beklopft und gewischt. Solistisches bot der Pianist des Trios dar, teilweise mit gekreuzten Händen und immer im Bass gegründet oder in diesen zurückfindend. Ab und an schien Jonas Cambien auch Ansätze von Afrogrooves ertönen zu lassen. Dann, ja dann schien der Geist von Abdullah Ibrahim durch die Black Box zu schweifen.
Wir erlebten klangvolle Höllenfahrten, Rhythmusritte, Donnerhall und Windhosen sowie Springfluten. Fernöstliches brachte uns André Roligheten mit seiner Bambusflöte (?) nahe. Durch die Präparation des Flügels gelang es Jonas Cambien, Anmutungen von Gamelanmusik zu erwecken.
Ein Hingucker war gewiss das gleichzeitige Spiel von Sopran- und Tenorsaxofon, das André Roligheten zu verdanken war. Dieser schien auch in Alphorngesang versiert, so der vorschnelle Klangeindruck in einer Passage des Konzerts, und schließlich verstand er sich auch darauf, seine Bassklarinette nicht samten, sondern krächzend klingen zu lassen.
Irgendwann waren dann die inszenierten Hörspiele zu Ende. Abwechslungsreich waren sie, nie vorherbestimmt und immer mit neuen Wendungen versehen. Wer an diesem Abend nicht in der Black Box war, hat etwas versäumt, ohne Frage!
Text und Fotos: © Ferdinand dupuis-panther – Text und Fotos sind nicht Public Commons
Informationen
Line-up
André Roligheten – Saxophon
https://roligheten.com
Andreas Wildhagen – Schlagzeug
https://www.revolvy.com/topic/Andreas%20Wildhagen
Jonas Cambien – Klavier
www.jonascambien.com/trio
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