JazzToday - Dave Gisler Trio

Black Box Münster 18.4.2024




Ein Dreigestirn war in der „Schwarzen Kiste“ zu hören: Dave Gisler (Gitarre), Raffaele Bossard (Kontrabass) und Lionel Friedli (Schlagzeug).


Vorab war über diese Schweizer Musiker Nachstehendes zu lesen. „Dave Gisler genießt einen hervorragenden Ruf als eigenwilliger Klangarchitekt an der E-Gitarre. Mit dem Trio präsentiert er eine schillernde Auslegeordnung von Möglichkeiten einer genresprengenden Musik, die im Jazz zuhause ist, aber sich auch beim Rock, Punk und Noise bedient. … Seit 2019 sind Dave Gisler, Raffaele Bossard und Lionel Friedli wiederholt auf Tour mit der leider viel zu früh verstorbenen US-Trompeterin Jaimie Branch.  … 2020 erschien das Live-Album «Zurich Concert» (Intakt Records), das mit Jaimie Branch als Gastmusikerin am unerhört! Festival aufgenommen wurde. … Nun sind sie wieder unterwegs, haben ihr aktuelles Album im Gepäck und neues musikalisches Material. … Der Sound von Dave Gisler ist gemacht für intensive Live-Erlebnisse.“

„Duckt euch, hier fliegen Glückskeksbrösel durch die Luft“, schrieb Rigobert Dittmann und Filipe Freitas hörte „ein Feuerwerk an musikalischer Intensität und prachtvoller Improvisation».“

  


Beide Zitate werden fast schon inflationär genutzt, wenn immer ein Konzert des Gisler Trios angekündigt wird. Auf alle Fälle scheint das Bild der fliegenden Glückskeksbrösel wenig geeignet, die Musik des Trios zu erfassen. Und diese ist schwer zu kategorisieren, auch wenn in der kurzen Begrüßung durch Philipp Buck ein Satz fällt, der die Musik des Trios als Rock ankündigte. Um es vorwegzunehmen: Genreübergreifend ist wohl die Kategorie und Beschreibung, die der Musik des Dreigespanns aus der Schweiz am dichtesten nahekommt.


Gespielt wurde ein längerer Set ohne Pausen und ohne große Zwischentexte mit Ausnahme der Bandvorstellung durch Dave Gisler. So ergab sich ein Klangkontinuum, auch wenn dieser Begriff nicht so ganz zutreffend ist. Da gab es an diesem Abend in der Black Box keine Klangverstetigungen, sondern immer neue Wendungen, mal Noise, mal freie Impro, mal Blues, mal R&B, mal Rock und mal auch durchaus melodisch anmutende Popmusik. Die Band schöpfte dabei, so Dave Gisler in einem Vorgespräch, aus dem bisher eingespielten Material, verstand daraus Klangcollagen zu entwickeln und durchaus dramatisierende Inszenierungen zu präsentieren.

Das Trio erwies sich dabei nicht als Monolith, sondern splitterte sich auf: Mal schwieg der Drummer, mal der Bassist oder der Gitarrist. Gelegentlich hatte man den Eindruck, jeder der drei Musiker versenke sich in sein eigenes Klangbild, um dann im nächsten Moment aus der eingeschlagenen Umlaufbahn auszubrechen und auf sich kreuzende Klangwege einzuschwenken.

   


Es schien so, als würde wie aus einem riesigen unterirdischen Wasserreservoir sich ein Klangstrom ergießen, so vielleicht eine bildhafte Annäherung an das Gehörte. Nachdem das Trio den Bühnenbereich eingenommen hatte, ging es spontan los, knarzte eine Tür, dank an den Bassisten. Gitarrensaiten wurde mit einem Stück Bewehrungsdraht traktiert; sprich mit Bogenstrich wurden die Saiten zum Klingen gebracht. Das klang so, als wäre man in einem metallverarbeitenden Betrieb und würde das Geräusch von Drehmaschinen einfangen, die Späne von einem Werkstück abschälen.  Unentwegt hörte man das Hi-Hat. Eine gewisse nervöse Art des Drummings drang ans Ohr der Anwesenden. Das klang aufgewühlt, schien Attacke zu signalisieren. Derweil vernahm man Dave Gisler, der gleichsam „Alarm, Alarm!“ ausrief. Außerdem ließ er sein Saiteninstrument jammern, heulen und jaulen. Zugleich aber kamen die Gitarrenpassagen recht rotzig daher, so wie man es eher aus dem Punk kennt. In den Tiefen seines Instruments bewegte sich der Bassist, verstärkt im Klang durch den Tritt aufs Pedal.

Überhaupt gab es viele Elemente des 2elektronischen Schatzkästleins2 zu bewundern, die Dave Gisler vor sich im Halbkreis auf dem Boden ausgebreitet hatte. Da wurden Knöpfe und Pedale eingesetzt, Frequenzverschiebungen und Sphärisches ermöglicht. Von Hall reden wir mal gar nicht. Das schien ein Selbstläufer.

  


Hart griff der Bassist mit den Fingern, zumeist zwei Fingern in die Basssaiten. Ab und an ließ er alle Finger über die Saiten streichen. Hin und wieder schlug er auch mit ihnen auf die Saiten, auch jenseits des Stegs. Selten schob er die flache Hand am oberen Rand des Instrument unter die Saiten.  Heftige Bogenstriche führte er aus und ließ Klänge entstehen, die an das Anfahrgeräusch einer Berliner S-Bahn denken ließ. Dank eines tanzenden Bogens auf den Basssaiten hatte man den Eindruck, man erlebe ein Inferno, ein Malstrom des Klangs. Ähnliches galt auch für das Spiel des Gitarristen, der, wie er im Vorgespräch verriet, durchaus von Hendrix beeinflusst wurde. Neben dieser Legende der Rockmusik der späten 1960er Jahre fiel dem Berichterstatter beim Zuhören auch der Name Alvin Lee ein. Nun ja, da mag es gewisss auch andere Assoziationen geben.


Langwellige und kurzwellige Klänge füllten die Black Box ebenso wie Blechrauschen, wenn der Drummer seine Sticks auf den Becken tanzen ließ. Durchaus melodische Passagen waren auch zu vernehmen, dabei an Peter Green erinnernd. Ob das Dave Gisler allerdings auch so sieht, sei mal dahingestellt. Bassgemurmel war auszumachen und auch ein wenig Lyrisches für einen Moment. Finger tanzten über Snare und Tom, hinterließen einen weichen Klang. Springende Klangpassagen steuerte der Bassist zum Klanggemälde bei, während der Gitarrist Hebungen und Senkungen auf seinem Saiteninstrument vorbrachte. Hörten wir da nicht auch schrille Vogelstimmen?


Klangschlaufen wurden zelebriert ebenso das Tanzen der Sticks auf dem Schlagwerk. Tschätschtschä nahm der Zuhörer auf. Hörten wir da nicht auch ein Wähwähwäh und ein Wauhwauh oder Wowwow? Flageolett und zerbrechliche Töne gehörten zum improvisierten Arrangement. Finger tippten auf Basssaiten, die anklangen, aber schnell verklangen. Das Besenwerk des Schlagzeugers wurde von Kettengerassel begleitet. Melodische Bruchstücke stimmte der Gitarrist an und ließ diese Fragmente immer wieder an einer Abbruchkante enden. Da gab es also keinen steten Fluss, sondern Ansatz-Bruch-Ansatz-Bruch … .

Dave Gisler wischte im weiteren Verlauf des Konzerts mit der Hand über die Saiten. Schrill und schräg klang das. Entwickelt wurde von Dave Gisler zudem ein Klangteppich, in die Basslastiges durch den Bassisten eingewoben war. Über eine längere Phase entwickelten sich Bluesanmutungen, ohne dass man nun an B.B. King oder John Lee Hocker denken musste. Eher war da im Geiste ein Gary Moore zugegen, oder?

  


In einem weiteren „Stück“  kamen dann auch Klangschalen zum Einsatz, wurde so das traditionelle Schlagzeug erweitert. Erdtöne wurden strichweise gezeichnet, dank an Raffaele Bossard. Tropfen an Tropfen gesetzt, so erklang die Gitarre. Darauf stellte sich auch der Bassist ein, änderte so seinen Duktus, insbesondere in einem in den Klangverlauf eingezogenen Solo. Als Dave Gisler mit Bottleneck spielte, war dann R&B gegenwärtig. Etwas abrupt war dann die Beendigung dieses Konzertteils. Das galt aber auch für andere „Stücke“, die nicht ausliefen im Klang und auch kein Furioso als Schlusspunkt aufwiesen, sondern einfach endeten.

Auch die übrigen Stücke des Konzerts ließen sich wie die zuvor gehörten mit dem Begriff des Eruptiven, Ekstatischen und Explosiven umreißen. Und mit all den „Lavaströmen des Klangs“ war dann nach mehr als einer Stunde Schluss. Ein Encore gab es nicht, obgleich die Anwesenden herzlichen Beifall spendeten. Es schien, als habe das Trio alles gesagt, was zu sagen war.

© fotos und text ferdinand dupuis-panther




Venue

Musicians
Dave Gisler
Raffaele Bossard
Lionel Friedli


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