Der Saxofonist Matthew Halpin trat beim Konzert im Museum für Lackkunst (Münster) gemeinsam mit dem Pianisten Clemens Orth und dem Bassisten Reza Askari auf. Wie stets bei der Reihe JazzLuck saß der Münsteraner Ben Bönniger am Schlagzeug, mit Blick für das Ganze und stets aufmerksam auf seine Mitspieler reagierend und auch im Spiel bisweilen fordernd.
Matthew Halpin – klassisch ausgebilder
Matthew Halpin, Jahrgang 1991, ist ein klassisch ausgebildeter irischer Saxofonist, der seine formale Ausbildung an der Royal Irish Academy erhielt. Im Selbststudium entdeckte er die Faszination für Jazz, inspiriert von verschiedenen Dubliner Jazzbands. Er nahm an zahlreichen Jazzworkshops teil, darunter das Sligo Jazz Project in Irland, das Veneto Jazz Festival in Italien sowie den BANFF International Workshop in Jazz and Creative Music in Kanada, für dessen Teilnahme er ein Stipendium erhielt. Im Rahmen dieser Workshops arbeitete Halpin mit Größen wie Dave Douglas, Dan Weiss, Jamie Oehlers, Rudresh Mahanthappa, The Bad Plus, John Goldsby und Donny McCaslin zusammen.
Station: Berklee College of Music
Neben der formalen Ausbildung am Stratford College in Dublin weist Halpins Vita auch das Studium am Berklee College of Music in Boston auf. Dort studierte er von 2009 bis 2013 bei George Garzone und Joe Lovano und beschäftigte sich während dieser Zeit intensiv mit Improvisation. Er gründete noch während seiner Studienzeit mit Mitstudenten das Matthew Halpin Quartet. Ein weiteres nennenswertes Projekt, das von Halpin ins Leben gerufen wurde, heißt "Earwax Control". Dieses Projekt erweitert das Konzept von Improvisation um ein weiteres Medium, den Film. In den unterschiedlichsten Formationen fand er es spannend, zu alten, kunstvollen Filmausschnitten und Clips frei zu improvisieren. Gemeinsam mit seinem Projektpartner Alan Swaine kreierten sie durchschnittlich zehn bis fünfzehn Minuten lange tonlose Filmabfolgen, die dann auf Leinwand bei den jeweiligen Konzerten abgespielt wurden.
Lebens- und Arbeitsort Köln
Inzwischen hat sich Halpin in Köln niedergelassen, wo er sich musikalisch „angekommen“ fühlt und plant, seine Projekte mit Musikern aus Köln und Umgebung weiter zu entwickeln. Vor gut zwei Jahren veröffentlichte er mit The Owl Ones, einer Trio-Formation aus Köln, die Debüt-CD “Shadow Loves The Sun”. Auf dem Album zu hören sind neben der österreichischen Sängerin Veronika Morscher auch die beiden Pianisten Kit Downes (GB) und Pablo Held (D). Zudem besteht noch ein weiteres Trio namens Last Chance Dance, in dem Halpin mit David Helm und Fabian Arends zusammenspielt.
Von I remember you bis Never let me go
Nein, um es vorwegzunehmen, Eigenkompositionen eines der beteiligten Musiker standen nicht auf dem Programm. Das sehr zahlreich erschienene Publikum – trotz Unwetter und Altweiberfasnacht in Münster – erfreute sich an einem abwechslungsreichen Programm mit Standards. „Never let you go“ (Jay Livingston, Lyrics: Ray Evans), „I loves you Porgy (Ira und George Gershwin), „Duke Ellington's Sound of Love“, aber auch „Turn around“ und „Ask me now“ (Thelonious Monk) gehörten zum bunten Klangteppich, den die vier Musiker ausrollten. Ihnen waren Spielfreude und Spaß anzumerken, teilweise auch ins Gesicht geschrieben.
Als „Aufwärmer“ – draußen regnete und stürmte es – präsentierte das 4tet „I remember you“, einen Filmsong aus den 1940er Jahren. Mit der Musik unternahmen die Anwesenden eine Art Zeitreise. Schlossen sie die Augen, so konnten sie sich vorstellen zur sogenannten Blauen Stunde in einem der gängigen Klubs in Downtown New York zu sein, vielleicht im Village Vanguard. Ben Bönniger agierte zwischen Tom und Snare, derweil Matthew Halpin in weichen Klangfarben schwelgte. Dennoch schien das Saxofon stets allgewaltig, sodass dem Pianisten Clemens Orth und dem Bassisten Reza Askari fast nur Nebenrollen zufielen. Ja, es gab ein Pianointermezzo, doch das war wirklich nur ein Intermezzo. Ben Bönniger nutzte dies, um das Tempo nachhaltig zu forcieren. Dafür ließ er auch mehr die Becken sprechen. Nun konnte man auch das Spiel des Pianisten eher wahrnehmen, auch das im Diskant. Tonale Kaskaden ergossen sich im Raum. Derweil blieb Reza Askari mit seinem Viersaiter ganz erdig-geerdet. Welche Klasse dieser Bassist hat, zeigte sich beim Solo, bei der die Linke nicht am Hals verharrte, sondern auch den „hohen Tieftönen“ Gehör verschaffte.
Keinem Geringeren als dem Bassisten Charles Mingus ist „Duke Ellington's Sound of Love“ zu verdanken. Beim Zuhören hatte man den Eindruck, die Musiker entführten uns in einen Ballsaal mit anmutig tanzenden Paaren, die sich ganz selbstvergessen der Musik hingeben. So konnten es auch die Zuhörer. Sanft ließ Matthew Halpin seine Phrasierungen auf dem Saxofon über den Pianopassagen schweben. Man erlebte einen feinen Melodienhauch, sehr passend für ein „Liebesgeflüster“, dem sich auch Clemens Orth bei seinem Solo ganz und gar verschrieb.
Dann ein Tempowechsel im nächsten Stück; das Lyrische schien abgestreift. Das Narrative jedoch war weiterhin Teil des Programms. Das klang bisweilen nach einem Gassenhauer des Jazz, sprich nach Vaudeville. Irgendwie erwartete man, dass im Verlauf des Songs ein Siedepunkt erreicht würde. Auch das Bass-Solo schien beinahe entfesselt, bedenkt man, dass der Charakter des Basses eher mit dem Wort behäbig zu beschreiben ist. Zu diesem Solo tippte Ben Bönniger seine Becken nur leicht mit einem gezielten Tick-Tick, Tick-Tick an. Hin und wieder gab es auch Ansätze für ein Schlagzeugsolo, das jedoch nicht wirklich ausgestaltet wurde. Auch in diesem Song hielt Matthew Halpin mit seinem Atemrohr das musikalische Zepter in der Hand.
Vor der Pause gab es dann noch „Turn around“ zu hören: Damit waren wir bei Ornette Coleman und dem Jahr 1959 angelangt, als dieser Song auf dem Album „Tomorrow is the question“ veröffentlicht wurde. Ben Bönniger und Mattew Halpin eröffneten die „Kehrtwendung“. Es schien sich eine Art Dialog zwischen Snare, Tom sowie Basstrommel auf der einen und dem Saxofon auf der anderen Seite zu entwickeln. Galoppierende Passagen setzte Clemens Orth an seinem Tasteninstrument diesem Zweigespräch hinzu. Irgendwie wartete man gespannt auf ein Furioso. Das war kurz zu verspüren, dann jedoch überwog im Weiteren die Weichzeichnung.
Im zweiten Teil des Abends trug das Quartett Songs wie „Never let me go“ und „I loves you Porgy“ vor. Doch auch dem Meister des Bebop, Thelonious Monk, wurde gehuldigt, als dessen „Ask me now“ gespielt wurde. Erwähnt sei dabei, dass für die Hommage an Monk aus dem Quartett ein Trio wurde, derweil der Pianist pausierte. Das war unerwartet, denn Monks Spiel ist ja gerade auf das Piano fokussiert, mit und ohne das bekannte Plink, Plank, Plonk – Monk.
Mit dem einen oder anderen durchaus ohrschmeichlerischen Standard im Ohr verließen die Zuhörer den Ort des Konzerts. Es war das vorletzte Konzert der Frühjahrssession. Die Planung für die Herbstreihe ist, wie zu erfahren war, im Übrigen im vollen Gange. Man darf gespannt sein.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Museum für Lackkunst
http://www.museum-fuer-lackkunst.de/
Matthew Halpin
http://www.matthewhalpinmusic.com/
Ben Bönniger
http://www.jazzhalo.be/interviews/ben-boenniger-interview-mit-dem-muensteraner-schlagzeuger/
Clemens Orth
http://www.clemensorth.com/
https://www.youtube.com/watch?v=9X6Kh0aV4r4
Reza Askari
https://myspace.com/rezaaskari/music/songs
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