Bernard van Rossum nach dem Sturm, im Museum für Lackkunst
Bernard van Rossum ist ein Saxofonist, Komponist und Arrangeur, der sowohl in Spanien – zwischen Alicante und Valencia –, als auch an den Grachten von Amsterdam zuhause ist. Seine musikalischen Studien hat er sowohl in Barcelonas „Conservatori del Liceu“ als auch an der „University of North Texas“ in den USA absolviert, ehe er dann im Fach Jazz-Saxofon einen Abschluss am Amsterdamer Konservatorium erwarb. Dort ist er unterdessen als Dozent tätig.
Seine Kompositionen schreibt er sowohl für das Bernard van Rossum Quartett als auch für die BvR Flamenco Big Band, in der auch Musiker spielen, die mit Paco de Lucia zusammengearbeitet haben. Für die Arbeit mit seiner Big Band wurde van Rossum mehrfach ausgezeichnet. So ist der Saxofonist unter anderem Gewinner des Meerjazz International Big Band Wettbewerbs 2014.
Rom, Barcelona, Amsterdam
Für den Abend im Museum für Lackkunst hatte van Rossum den in Rom lebenden Kontrabassisten Marco Zenini und den aus Barcelona stammenden Pianisten Xavi Torres mit nach Münster gebracht. Alle drei hatten sich allerdings in Amsterdam kennengelernt. Seither sind sie immer wieder in Sachen Jazz unterwegs. Wie stets bei der Reihe JazzLuck war Ben Bönniger der Herr über Hi-Hat, Bassdrum, Toms, Snare und Becken.
Auch Milestones und I Though About You
Das Konzert war restlos ausverkauft, wie auch schon die Konzerte zuvor. Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass JazzLuck von Münsteraner Jazzfreunden gerne angenommen wird. Dabei ist durchaus Straight Ahead Jazz angesagt, so auch an diesem Abend. Nicht nur eigene Kompositionen mit teilweise vertrackten Rhythmen hatte van Rossum in seinem Gepäck mitgebracht, sondern eben auch einige Standards, darunter auch die Ursprungsversion von „Milestones“, außerdem „Like Someone To Love“ und „I Thought About You“. Diese Standards – van Rossum, Zenini und Torres kamen gerade aus Berlin, wo sie an mehreren Abenden zur Unterhaltung der Gäste einer Cocktail- und Whiskey-Bar Standards gespielt hatten – wurden mit eigenen Kompositionen van Rossums feinsinnig verwoben und entsprechend dem eigenen Duktus vorgetragen. Dass dabei Bebop auch mitschwang, sei an dieser Stelle kurz angemerkt.
Nach dem Sturm
Kopflastig waren weder die eigenen Kompositionen wie „Hope“ oder „Tras La Tormenta“ noch die Standards, darunter auch Monks „I Mean You“. Bei diesem Stück war es weniger Torres, der in Monkscher Manier aufspielte, also das typische „Plink, Plank, Plonk – Monk“ zum Besten gab, sondern van Rossum, sodass sich die Klangfärbung vom Harmonieinstrument aufs Melodieinstrument hin verschob.
Aufgemacht wurde der Abend mit der Komposition „Under Water“. Der lyrische Beginn ließ jedoch eher Bilder eines frühmorgendlichen Erwachens der Stadt aufkeimen. Bernard van Rossum setzte dazu weiche Saxofonimpulse, derweil Ben Bönniger mit sanftem Besenstrich unterwegs war. Man schien als Zuhörer den Tagesaufbruch zu erleben, die ersten Menschen, die zur Arbeit eilen, die Zunahme emsigen Treibens im Straßenverkehr, Gehupe und Gedränge. Das Trippeln von High Heels auf dem Pflaster schien zudem vernehmbar, insbesondere angesichts von Torres' Tastenspiel. Hintergründig wirbelten die Becken unter den Besen, die Ben Bönniger in den Händen hielt. Durcheinander und Verkehrsstau deuteten sich an, lauschte man Torres, der mit teilweise klassischer Attitüde aufspielte. Doch einen musikalischen Tauchgang schien man wahrlich nicht zu erleben, oder?
Modus und Duktus von „I Thought About You“ bewegten sich im Fahrwasser der obigen Komposition von van Rossum, der den Spielfluss aus dem Eröffnungsstück weitgehend beibehielt. Beschwingt kam dieser Standard daher. Ein wenig aufmüpfig erschien der Bass, der sich lautstark aufdrängte und dem Saxofon Paroli bot. Über weite Strecken begab man sich mit dem Stück zurück in die 1930er Jahre, ist der Song doch 1939 geschrieben worden. Doch van Rossum und Co verpassten dieser von Van Heusen stammenden Komposition ein frisches Gewand.
Während des Zuhörens hatte man den Eindruck, dass beim Pianosolo alle Register gezogen wurden. Auffällig war die ausgereifte Basslinie, die Xavi Torres vortrug. Einem Wortschwall glich diese, so als ob es darum ginge, wirklich zu unterstreichen, dass man an den anderen gedacht habe, wirklich gedacht habe. Im weiteren Verlauf wurde der Staffelstab des solistischen Auftritts auch an die anderen Musiker „auf der Bühne“ weitergegeben, sodass eine zirkulierende Bewegung entstand.
Ein Dreirad-Gangster in Amsterdam
Die Idee zu „Tricycle Gangster“ kam van Rossum, als er den 2-jährigen Sohn seines Nachbarn auf dem Dreirad beobachtete. Ganz selbstbewusst und cool war der Knirps unterwegs, ein kleiner Hells Angel, der viel Spaß hatte, auch und gerade, wenn es Hindernisse zu meistern gab.
Eröffnet wurde der Song mit einer Art Marschrhythmus, den Ben Bönniger kurz anspielte. Anschließend groovte es, und auch eine wenig funky, funky gab es für die Ohren. Die Konturen und Linien der Kompositionen schienen den Bewegungen des „Dreiradgangsters“ zu folgen, mal nach links, mal nach rechts, mal kreisend und mal auch rückwärts sich bewegend. Gut und gerne hätte der Song auch die Begleitung eines Road Movies sein können. Auffällig war, dass der Duktus, den van Rossum bevorzugte, sich nicht fern vom frühen Rock 'n Roll bewegte.
Im Nachgang stellte van Rossum dann einen Bolero vor, den er eigentlich für seine Flamenco Big Band geschrieben hatte und in Münster in Kleinstbesetzung zum Besten gab. Einen klassischen Bolero wie den von Ravel hörten die Anwesenden jedoch nicht. Es ging weitgehend klassisch-konzertant zu. Beim Zuhören dachte man dabei wohl an Chopins „Nocturnes“, oder?
Der verflogene Sturm
Nach der Pause präsentierten die Musiker drei weitere Eigenkompositionen von van Rossum, obendrein aber auch zwei Standards wie Monks „I Mean You“, mit dem das Konzert endete. Nicht die Ruhe vor dem Sturm, sondern nach dem Sturm fing van Rossum mit „Tras La Tormenta“ ein. Noch einmal schien sich der Sturm kurz aufzubäumen, als Ben Bönniger für viel Wirbel sorgte. Doch anschließend schien er zu einem leichten Windhauch verkümmert zu sein. Auch Xavi Torres beteiligte sich an diesem Abgesang auf das Unwetter.
Eine Note Funk versprühten die Musiker mit dem Song „Hope“, ohne allerdings Les McCann Konkurrenz zu machen. Das Stück schien zudem einen balladesken Charakter zu haben. Anlehnungen an Gospel und Blues wurden bei „Just Before Dawn“ deutlich, getragen von großen musikalischen Gesten mit bluesiger Würzmischung.
Text und Fotos © ferdinand dupuis-panther Der Inhalt (Fotos/Text) ist nicht public commons oder public domain. The content is not public commons.
Informationen
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Xavi Torres
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Marco Zenini
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