Ben Bönniger trifft Tobias Bülow, Markus Conrad, Caspar van Meel und Gero Koerner
Diesmal hatte sich der Organisator von JazzLuck, der Münsteraner Schlagzeuger Ben Bönniger, folgende Musiker ins Museum für Lackkunst eingeladen: Tobias Bülow (Bansuri flute, percussion), Markus Conrad (guitar), Caspar van Meel (bass) und schließlich noch als „Gast“ Gero Koerner (piano). Die übrigen drei Musiker außer dem „Hausherren“ Ben Bönniger und dem Pianisten Gero Koerner spielen ansonsten im Trio „Ohrlaub“ zusammen. Beim Konzert changierte deren Musik zwischen kammermusikalischem Jazz und Weltmusik, sicherlich auch bedingt durch das Spiel des Flötisten Tobias Bülow, der auf der indischen Bansuri außereuropäische Klangfacetten mitbrachte.
So waren die Zuhörer – das Konzert war restlos ausverkauftr – auch auf einer musikalischen Reise zwischen Orient und Okzident, zwischen Europa, Asien und Afrika, unterwegs. Ben Bönniger verzichtete an diesem Abend auf sein herkömmliches Schlagwerk. Statt dessen brachte er Rahmentrommel, Djembé und Trigonga mit seinen Handflächen, Schlägeln und Besen in Schwingungen. Zudem sausten seine Faust und die Besen auch auf einen halben, ausgehöhlten Kürbis nieder: Dumbum, Dumbum – kurz, dumpf und trocken. Dann wurde ein ums andere Mal Jazz auch zur beinahe sportiven Körperarbeit.
Bis auf drei Kompositionen, die die „Gastmusiker“ mitgebracht hatten, stammten alle anderen entweder von Markus Conrad oder aber Tobias Bülow, der bei seinem Auftritt eine Reihe von Bansuris feinst zerstäubten Klang einhauche. Markus Conrad wandelte im Übrigen bei seinem Saitenspiel auch auf den Pfaden des spanischen Flamenco, aber nicht nur. Wem beim Zuhören Paco de Lucia oder Al di Meola in den Sinn kamen, der lag wohl gar nicht so falsch.
Der Bassist soliert
Aufgelockert wurde die musikalische Präsentation durch das Basssolo von Caspar van Meel, der sich eines Stückes von François Rabbath annahm, einem aus Syrien stammenden Musiker, der dieses Solostück komponiert hatte. Der Name der Komposition, die wir hörten, lautet „Ode d'Espagne“. Beim Zuhören konnte man den Eindruck gewinnen, es handele sich um sakrale Musik, vielleicht sogar um ein Klagelied, auch wenn sich die Komposition nicht allein im Elegischen ausbreitete, sondern auch temporeich und verspielt daherkam.
Das Boot "Ruhrstahl" steht im Fokus
Noch eine weitere Zäsur im Programm gab es zu erleben, als Tobias Bülow sein Monochord vor den Zuschauern präsentierte. Bei einem Ruderclub in Witten, am Ufer der Ruhr, hatte er vor längerer Zeit ein leckgeschlagenes Zweier-Wander-Ruderboot namens „Ruhrstahl“ entdeckt. Dieses vor sich hin rottende Boot konnte er hälfteln und nach Hause mitnehmen, da die Eigner keine Verwendung dafür hatten. Als er dann ein vorhandenes Monochord in den Bootskörper hielt und anspielte, war er über den Klang überrascht. So entstand die Idee, aus dem Bugteil ein Monochord mit 30 Klaviersaiten zu bauen, die alle auf A gestimmt wurden.
Saitenschlag und Schläge auf den Bootskorpus bildeten dann in dem Boots-Solo den Kern der freien Improvisation, zu der auch Caspar van Meel und Gero Koerner beitrugen. Vor allem das perkussive Moment war doch beeindruckend, denn je nachdem, an welcher Stelle des Bootskorpus die Handflächen auf das Holz niedergingen, gab es unterschiedliche Klangfacetten zu erleben
Sinnsuche und mehr
Nein, trotz des Titels der Eröffnungskomposition - „Searching for Sense“ - wurden die Zuhörer nicht Zeuge von New-Age-Musik. Um wie auch immer geartete Erweckung ging es an diesem Abend gleichfalls nicht. Fernöstliches, aber auch Nahöstliches vereinte sich mit europäischen Musikanlagen. Pastellene Klangfacetten verwehten im Raum. Handflächen gingen auf Djembé und Triconga nieder, dabei eher wuchtige Klangbilder erzeugend. An warme Windzyklen musste man vielleicht denken, lauschte man Tobias Bülows Spiel auf der westindischen Bambusflöte. Zog da nicht der Scirocco von der Sahara her über das Mittelmeer in unsere Breiten?
Bass und Gitarre waren derweil im Zwiegespräch verstrickt. Die Annahme, der Bass sei phlegmatisch und lethargisch, führte das Solo ad absurdum, das Caspar van Meel nachfolgend zu Gehör brachte. Tänzelnd zeigte sich der Tieftöner unter den Fingern des in Essen heimisch gewordenen niederländischen Musikers. Beinahe zirkulierend erschienen die weiteren Solos, so auch das von Gero Koerner am Flügel, der kreativ aufgriff, was van Meel seinem Bass entlockt hatte. Dynamisch und energetisch agierte derweil Ben Bönniger, der sein klassisches Schlagwerk ja bewusst nicht mitgebracht hatte. Fein ziselierte Gitarrenläufe trug Markus Conrad zur musikalischen Sinnsuche bei.
Im weiteren Konzertfortgang hörten wir die Komposition „Weit“. Beinahe gläsern-transparent und zerbrechlich erschien, was Markus Conrad in der Eröffnung vortrug. Ein Hauch von Bansuri gesellte sich ebenso dazu wie die auf Djembé und Rahmentrommel treffenden Schlägeln und den Händen von Ben Bönniger.
In Gedanken konnte man sich angesichts der Klangfärbungen des Stücks eine ruhige See vorstellen. Naheliegend war das Bild von kleinen Schaumkronen auf dem Wasser, von Strandreitern und Badenden, also von Szenen, wie sie Max Liebermann bei seinen Seeurlauben in den Niederlanden in Öl festgehalten hat. Sind da nicht auch Stand-up-Paddler unterwegs? In melodische Fahrwasser tauchten die Anwesenden ohne Frage ein. Dabei waren die Melodieführungen, die Themen sehr einsichtig, nicht verkopft und von Improvisationen übermäßig überlagert. Jeder konnte den Strukturen der Musik folgen und diese genießen, bisweilen auch im hier und jetzt ganz entspannt!
Hello, Trane
Eine Hommage an John Coltrane schrieb einst der Bassist Stanley Clarke. Wie gemacht schien dieses Stück für Caspar van Meel, der mit dem gestrichenen Bass zunächst hervortrat, in tiefen dunklen Farbnuancen. Überfliegerisch zeigte sich dazu der Gitarrist Markus Conrad. Anfänglich bewegte sich neben den beiden auch Gero Koerner am Flügel in einem eher bedächtig gehaltenen Modus. Getragen und mit Pathos erschien das, was wir hörten. Doch das war lediglich der Anfang des „Songs for John“.Losgelöst, entspannt, offen, fast ohne Bodenhaftung, schwebend – so kann man wohl den weiteren Teil des Stücks charakterisieren.
Das Schlagwerk wurde dabei anfänglich ebenso wenig vermisst wie die Bansuri. Hin und her wechselten die musikalischen Bälle zwischen dem Bassisten, Pianisten und Gitarristen. Wie auch in anderen Songs des Abends waren Rotationen bezüglich der Solopartien feststellbar. Ein musikalisches Karussell drehte sich bildsprachlich gesprochen im Museum für Lackkunst. Auffällig war, dass die Fingerführung auf dem Hals und Bauch des Tieftöner ihre Entsprechung in den sonstigen Körperbewegungen von Caspar van Meel fand. Es schien als singe der Bassist zwar nicht laut, aber doch innerlich seine Saitenlinien mit, und die Körperspannung müsse einfach raus.
Oud-Mutationen für Gitarre oder was?
Dass ein Gitarrist auf seinem Instrument auch wie eine Oud erklingen lassen kann, unterstrich Markus Conrad bei der Interpretation von „Badhra“, einem Titel aus der Feder des in Frankreich lebenden Oud-Spielers Anouk Brahem, der unter anderem mit John Surman und Dave Holland auftritt. Lauschte man dem Bassspiel, vermeinte man eine Scrutibox zu hören, täuschend ähnlich auf alle Fälle die Klangbreite des Basses, den Caspar van Meel zum Klingen brachte.
Melodische Winde entlockte Tobias Bülow dazu seiner indischen Flöte. Hm, da waren doch auch klassische Anlehnungen mit im Spiel, als der Bassist gleichsam ein Klagelied anstimmte, oder? Bilder von Karawanenzügen und vom Feilschen und bunten Treiben auf dem Basar entfalteten sich bei dem einen oder anderen im Kopf. Tanzten da etwa Sufis oder Derwische, fragte man sich beim Fortgang des Stücks, das immer mehr an dramatischen Formen gewann. Und zum Schluss gab es dann, welche überraschende Wendung, sogar Vogelgezwitscher zu hören, dank sei Tobias Bülow auf der Bansuri.
Im Duo präsentierten Tobias Bülow und Markus Conrad anfänglich „Ramenco“. Jedem musste bei dem Titel klar sein, das Al Andalus bzw. Andalusien nicht weit war. Überaus interessant war es mitzubekommen, in welche Weise sich in der Folge zwei Perkussionisten zu verwegenen Schlagwerkrhythmen stimulieren konnten: Tobias Bülow an der Darbuka, ein in der türkischen Musik sehr wesentliches Schlagwerkinstrument, und Ben Bönniger an Djembé, Rahmentrommel und Holzconga.
Verdienter Applaus
Nach der Pause stand u. a. mit „Friday Night Like“, ein Werk von Markus Conrad auf dem Programm. So mancher dachte dabei an einen arabischen Schwerttanz, hörte er bereits die ersten Takte. „Orient meets Okzident“ war auch hier durchaus das Motto. Eine Zugabe war am Ende keine Frage, was gewiss dem anhaltenden Beifall geschuldet war. Im Übrigen hatten die Anwesenden bei Solos der Musiker auch nicht mit Applaus gegeizt. Zu Recht!
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther / Text und Fotos sind nicht public commons!
Informationen
http://www.museum-fuer-lackkunst.de/de/jazz_luck
Tobias Bülow (bansuri, perc)
http://tobis-music.de
http://www.jazzhalo.be/reviews/concert-reviews/jazz-in-nrw-2-30-saiten-und-ein-a-tatort-jazz-im-kunstmuseum-bochum-4-oktober-2017/
Caspar van Meel/Tobias Bülow/Markus Conrad
http://www.ohrlaub.net
http://www.ohrlaub.net/musik.html
Markus Conrad (guitar)
http://grandjamband.com/performer/markus/
Gero Koerner (piano)
https://www.gerokoerner.com/
http://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/g/gero-koerner-trio-plays-greatest-hits/
Ben Bönniger (perc)
http://www.jazzhalo.be/interviews/ben-boenniger-interview-mit-dem-muensteraner-schlagzeuger/
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