JazzLive: Jazztett, Dachtheater Warendorf, 21.02.2019




Die „Wiederentdeckung des Hard Bops“ – das ist das Motto, das die nachstehend genannten Musiker vereint: Christian Kappe (Trompete), Wolfgang Bleibel (Altsaxophon), Martin Klassen (Tenorsaxophon), Heiner Kleinjohann (Klavier),  Michael Bohn  (Bass) – dieser ersetzte beim Konzertabend in Warendorf  den erkrankten Ingo Senst - und Wolfgang Ekholt (Schlagzeug).  Im Vorfeld des Konzerts in Warendorf war Folgendes zu lesen: „Die Band steht in der Entwicklung der legendären Sextette des Jazz - wie zum Beispiel von Art Blakey, Miles Davis oder Dave Holland. Aus dem Geist des Hard Bops spielen die sechs Münsteraner Musiker eigene Arrangements und Eigenkompositionen mit Einfluss aktueller musikalischer Strömungen und Weltmusik.“

Doch ehe wir uns dem Konzertabend widmen – das Dachtheater war sehr gut besucht – noch ein paar Worte zum Hard Bop: Mitte der 1950er Jahre entwickelte sich aus dem Bebop Hard Bop, nahm Elemente von R&B, Blues und Gospel auf, insbesondere bei den Phrasierungen von Saxofon und Piano. Namen, die mit Hard Bop in Verbindung zu bringen sind, sind Horace Silver, Clifford Brown, Charles Mingus, Art Blakey, Cannonball Adderley, Miles Davis, John Coltrane, Thelonious Monk und Tadd Dameron. Zitiert sei an dieser Stelle David H. Rosenthal und „Hard Bop: Jazz and Black Music 1955-1965“: „The early fifties saw an extremely dynamic rhythm-and-blues scene take shape.... This music, and not cool jazz, was what chronologically separated bebop and hard bop in ghettos. Young jazz musicians, of course, enjoyed and listened to these R & B sounds which, among other things, began the amalgam of blues and gospel that would later be dubbed 'soul music.' And it is in this vigorously creative black pop music, at a time when bebop seemed to have lost both its direction and its audience, that some of hard bop's roots may be found.“

Wer nun erwartet hatte, dass das zu JazzLive eingeladene Sextett aus Münster und umzu nun „Merci, Merci, Merci“, „Song for my father“, „Blue Train“ oder „Moanin“ zum Besten geben würde, der irrte gewaltig. Neben Kompositionen des Pianisten Heiner Kleinjohann und des Tenorsaxofonisten Martin Klassen waren Titel zu hören, die dem ´Tenorsaxofonisten und zeitweiligen künstlerischen Leiter der WDR-Big-Band Bob Mintzer und dem Altsaxofonisten Bobby Watson zu verdanken sind.


Mit einer Hommage an George Gershwin begann der Abend, der deutlich machte, dass die Linien und Konturen weitgehend von den Bläsern bestimmt wurden. Sehr verhalten agierte der Bandleader Heiner Kleinjohann am Flügel. Seine Basshand schien kaum von Relevanz, die Rechte mit dem melodischen Glasperlenspiel befasst. Akzentuierungen waren sehr selten. Zäsuren setzen auch gleich zu Beginn Altsaxofonist, Tenorsaxofonist und Trompeter. Im Hintergrund agierte der Drummer äußert zurückgenommen. Es schien bei „I Got Rhythm But No Melody“ so, als ob die Rhythmusgruppe gleichsam nicht existierte, trotz des anderslautenden Titels. Die Phrasierungen des Tenorsaxofonisten entführten uns in die Geschichte des Hard Bops. Was wir hörten, war weitgehend schnörkellos. Die Form erwies sich als glasklar. Wellige Konturen malte der Altsaxofonist, der sich von der Lage her nur in Nuancen vom Tenorsaxofon absetzte.

Ins Melancholische schien hier und da Bob Mintzers „Change of Mind“ zu driften. Irgendwie hatte man beim Zuhören den Eindruck, man bewege sich gen Blauer Stunde, ließe die urbane Hektik hinter sich, sei in einem verrauchten Gewölbekeller, in dem sich neben wenigen Nachtschwärmern auch Jazzmusiker befinden, die unentwegt spielen. Beim Vortrag im Dachtheater erwies sich der Bassist Michael Bohn als eine Überraschung, hatte er doch erst am Tag selbst von seinem Auftritt erfahren. Sehr feinfühlig gestaltete er das angezeigte Solo auf seinem Tieftöner, der augenscheinlich pur akustisch daherkam. Über weite Strecken hatte man bei „Change of Mind“ im Übrigen den Eindruck, man lausche einer kleinen Big Band.


Up-tempo war bei „Squaring The Circle“ angesagt, eine weitere Komposition von Heiner Kleinjohann. Doch entgegen der Erwartung, dass dem Pianisten doch eine zentrale Rolle zufallen müsste, wurde man eines Besseren belehrt. Erneut zeigte sich die Dominanz der Bläser, auch dann als Wolfgang Bleibel Klarinette jenseits von „Swing, Swing, Swing“ spielte. Ein Hinhörer war auch das Spiel von Christian Kappe auf dem ganz und gar nicht sanft eingestellten oder samten klingenden Flügelhorn. Auf dessen melodische Phrasen antwortete Wolfgang Bleibel auf der Klarinette, die von der Klangfarbe einem Sopransaxofon sehr nahe kam.

„Walk Like A Cat“ stammt aus der Feder von Martin Klassen. Doch auf sanften Pfoten kam der Stubentiger nicht daher. Das Spiel auf dem Flügel ließ eher an schwere Schritte eines übergewichtigen Katers oder an die Comicfigur des fiesen Kater Karlos denken. Bei Christian Kappes Solo schien das Katzenhafte durchzuscheinen oder „imitierte“ er nicht eher eine bullige Raubkatze?

Anschließend stand „Training“ von Michel Petrucciani auf dem Programm. Wer zum Beispiel die Originalaufnahme des Petrucciani-Trios von einem Auftritt in Tokyo kennt, erwartete nun, dass Heiner Kleinjohann energetisch zu Werke geht. Doch er blieb seinem zurückgenommenen Stil treu. Es schien, als wolle er nicht im Fokus stehen.

Nach der Pause ging‘s munter weiter, vor allem mit Kompositionen von Heiner Kleinjohann wie „Boulevard Hopital“, „Waltz for Bill“ - eine Verneigung vor Bill Evans - und „Malagueña“. Das Sextett kam frisch daher, schien eingespielter und souveräner als im ersten Konzertteil.


Mit ein wenig „Latin Flavour“ wartete Bobby Watsons „Dreams So Real“ auf, mit dem der Abend seine Fortsetzung fand. War nicht auch ein wenig Bossa mit im Spiel? Feurig war der Tango nicht, den wir anschließend hörten. Der Eindruck drängte sich auf, dass man nicht in einem Tangoclub am „Boulevard Hopital“ - so der Titel des Stücks -, sondern bei einem finnischen Tangoabend in „Weißen Nächten“ sei. Die Langsamkeit der Dinge schienen im Vordergrund zu stehen. Kaskadierendes Tastenspiel umfing die Zuhörer. Das eingestreute Drumssolo erwies sich dem Charakter des Stücks entfremdet, deplatziert, wenn nicht gar aufgesetzt und nicht organisch aus der Struktur der Komposition entwickelt zu sein. Ähnliches galt auch für das Drumssolo in „Malagueña“ (comp Heiner Kleinjohann). Bei diesem Stück musste man über weite Strecken an die Fiesta in Sevilla und Valencia denken, wenn Volkstänze wie die im 19. Jahrhundert entstandene Malagueña wiederentdeckt werden.

Dem Publikum im Dachtheater gefiel der Abend. Das zeigte sich nicht nur beim Zwischenapplaus für solistische Einlagen, sondern auch mit den Rufen „Zugabe, Zugabe“ am Ende des Konzerts, das mit einer Komposition von Martin Klassen namens „Embraced Tiger“ schloss.

Die Zugabe bestand in Boby Watsons „Heckle & Jeckle“. Dabei schien die Band zu Hochform aufzulaufen, entfaltete ihren gesamten Spielwitz, vor allem im Zwiegespräch von Alt- und Tenorsaxofon. Die lautstark geforderte weitere Zugabe gab es allerdings nicht. Warum auch -  nach diesem Konzertabschluss!

Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther – Fotos und Text sind nicht public commons!



Information

Heiner Kleinjohann
http://www.heinerkleinjohann.de/band.heinerkleinjohann.html


Christian Kappe

https://www.christiankappe.com/index.php/de/
https://www.jazzhalo.be/interviews/christian-kappe-im-gespraech-mit-dem-trompeter-und-fluegelhornisten/



Wolfgang Bleibel
https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Bleibel

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https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Ekholt

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