Musik ist mondial, grenzüberschreitend, offen, frei, unterschiedliche Impulse aufsaugend, Crossover. Das verkörperten die drei Musiker aus drei Kontinenten, die das Freedoms Trio bilden, auch bei ihrem Auftritt in Warendorf . Der ursprünglich aus dem norwegischen Bergen stammende und nun in Stockholm, aber auch Recife (Brasilien) lebende Gitarrist Steinar Aadnekvam gehört zur jungen Generation skandinavischer Jazzgitarristen. Er traf nach zahlreichen Aufenthalten im Nordosten Brasiliens in Stockholm auf Deodato Siquir, einen mosambikanischen Drummer und Sänger. 2014 stieß der brasilianische Bassist Rubem Farias auf die beiden, und gemeinsam beschlossen sie, das Freedoms Trio aus der Taufe zu heben. Ein erstes Album entstand 2016. Nicht nur aus diesem, sondern auch aus den beiden folgenden Alben stellte das Trio eine Reihe von Kompositionen vor.
Das hatte wenig mit den Vorstellungen von gängiger brasilianischer Musik zu tun. – die meisten denken dabei an Antonio Carlos Jobim und Astrud Gilberto. Nein, Samba, Rumba oder Bossa Nova spielten an diesem durchaus lauen Frühlingsabend keine Rolle. In einem Vorgespräch mit Steinar Aadnekvam unterstrich dieser, dass die Impulse für die Musik des Trios nicht allein von afrikanischen Rhythmen und Harmonien bestimmt werden – dank sei Deodato Siquir –, sondern vor allem durch die Musik Nordostbrasiliens, sprich der Region um Recife. In diesem Kontext fielen Namen wie Jackson do Pandeiro und Hermeto Pascoal. Do Pandeiro ist einer der bedeutendsten Musiker des Forró und anderer Stile des brasilianischen Nordostens und ein Meister des Pandeiro. Letztere ist eine kleine Rahmentrommel mit Schellenkranz. Um es an dieser Stelle gleich einzuflechten, ein solches Instrument gehörte nicht zur Instrumentierung des Trios, aber das tat dem Wohlklang keinen Abbruch.
Die drei Musiker beschränkten sich auf eine akustische Gitarre, deren Schalloch nicht auf der Vorderseite der Gitarre, sondern an der Seite des Korpus zu finden war, einen elektrischen Bass, der mit Fußpedalen zu verfremden war und ein Drumsset, bestehend aus zwei Hängetoms, einer Standtom, Hi-Hat, kleinen Blechen und Snare. Auch die vielleicht bei dem Stichwort „brasilianisch geprägte Musik“ erwarteten Shakers waren beim musikalischen Vortrag nicht mit im Spiel. Wie gesagt, solche würden auch besser zu Samba und Rio passen, aber Steinar Aadnekvam und seine Mitspieler nahmen uns auf eine Reise mit, die uns in den Süden Afrikas und den Norden Brasiliens entführte. Dass hier und da Melodielinien aus der skandinavischen Folklore eingeflochten wurden, unter anderem aus Kinderliedern, räumte Steinar Aadnekvam in einem Interview ein, das ich mit ihm führen konnte.
„A State of My Own“ hörten wir zu Beginn des Konzerts, das ohne große Vorreden begann. Auch an die Chansons von Jacques Brel wurde man aufgrund der melodischen Linien und Harmonie erinnert. Der Charakter des Stücks wandelte sich aber nach und nach. Resolut trat der Bassist in Erscheinen, dabei teilweise wie ein E-Gitarrist auch in den oberen Lagen zuhause. Die Schlagwerkinterventionen waren kurz, beschränkten sich auf kurze „Stoppschläge“ auf Snare und Hi-Hat. Folgte man Steinar Aadnekvam in seinem Fingerspiel und seinen schwirrenden, flirrenden Linien, dann vermeinte man, dass „Friday Nights in San Francisco“ hier und da vollmondig durchschimmerte. Deodato Siquir agierte umsichtig, wenn auch fordernd, aber eben nicht mit aufdringlich monotonen Pattern. Langsame Passagen gingen in schnellere, tänzelnde über. Das eingebundene Basssolo erwies sich nicht wie erwartet bodenständig, sondern schien im Nachgang zu Aadnekvams Fingerspiel angelegt. Ein Genuss war das „Duett“ der beiden Gitarristen, die durchaus auch feine Rhythmik einstreuten und nicht allein dem Drummer das Rhythmische überließen.
Nachfolgend drängte sich bei „Phlyde“ die Vorstellung auf, hier werde ein Kinderlied vorgetragen. Der „Dreigesang“ war harmonisch in die Instrumentierung des Stücks eingebunden. Die Stimmen war selbst Instrumente. Gewiss man hätte sie in ihrem melodischen Fluss auch durch Flöten oder Sopransaxofon ersetzen können, aber das gehörte nicht zum Programm des Freedoms Trio. Ein wenig musste man bezüglich der Melodie an das ausgereifte Gitarrenspiel von Paco de Lucia denken, jenseits von Flamenco allerdings! Lautmalerisches paarte sich beim Bassisten mit dessen Fingerspiel. Das strahlte alles Leichtigkeit aus.
Doch das Leben ist nicht stets sorgenfrei. So lauschten wir im ersten Teil des Konzerts denn auch „Very Troubled Dogs“. Klagend und anklagend zugleich erhob der Bassist seine Stimme. Zugleich wurde man allerdings auch von der Idee beseelt, dass das Gitarrenspiel Steinar Aadnekvams einem Koboldgetänzel gleiche. Dazu zeichnete der Bassist Rubem Farias Melodieskizzen in Umbra und Siena, erdig, dunkel, satt, vollstimmig.
Mit „Terra Mae“ verabschiedete das Trio seine Zuhörer in die Pause. Zu Beginn ließ es sich der aus Mosambique stammende Drummer nicht nehmen, auf die Umweltkatastrophe in seinem Land hinzuweisen, die durch einen verheerenden Wirbelsturm ausgelöst wurde. Mahnend waren seine Worte, auch und gerade in Bezug auf Spenden, die ja nicht immer die erreichen, die es bitter nötig haben.
Nach einer Schweigeminute für die Opfer der Katastrophe wurde dann „Mutter Erde“ besungen. Harmonien und Melodieschraffuren schienen denen von „African Market Place“ (Dollar Brand/Abdullah Ibrahim) sehr artverwandt zu sein. Übrigens zum Mitsingen forderte der Schlagzeuger Deodato Siquir die Anwesenden bei „Mutter Erde“ auch auf. Das Vor- und Nachsingen gelang, wenn auch nicht in Brillanz.
Im 2.Set schienen die Musiker entspannter, warm gespielt könnte man sagen. Klangliche Luftschlangen breiteten sich im Dachtheater aus. Lautmalerischer Gesang war zu vernehmen. Stimmliches Navigieren zwischen Bühne und Zuschauerraum war nach der Pause angesagt, ehe es dann um eine kalte Dusche ging: „Cold Shower“, das Eröffnungsstück des ersten Albums des Trios. Was, Brasilien und eine kalte Dusche? So etwas würde man bei abgehärteten Nordmännern erwarten. Doch der Bandleader Steinar Aadnekvam war so an eine heiße Dusche gewöhnt, dass er überhaupt nicht mit kaltem Wasser aus dem Hahn gerechnet hatte. Doch bei seinem ersten Brasilienbesuch musste er sich eines Besseren belehren lassen. Beim Zuhören fühlte man sich eher an einen Werbejingle für Barcadi Rum oder Cuba Libre erinnert, zumindest zeitweilig. Stimmakrobatisch ging es in diesem Stück wie zuvor in den anderen Stücken obendrein zu.
Was es mit dem Bandnamen auf sich hat, das, so Steinar Aadnekvam, bündele sich in dem Song „Freedom“, aufgenommen für das dritte Trioalbum: „ Freedom is a feeling / Freedom is a style/ Freedom is a healing/ Freedom is a smile/ … Freedom is expression …/ Freedom lives in music ...“ sind Verszeilen die an unser Ohr drangen. Damit wurde dann das eigentliche Konzert beendet, aber der beinahe frenetisch zu nennende Applaus bewegte die drei Musiker zu einer Zugabe.
Doch dann war wirklich Schluss. Das Abschlusskonzert der diesjährigen Jazzsaison war überaus gelungen – mit Crossover-Jazz, also nichts für Bebop-, Hard Bop- oder Modern Jazz-Freunde. Doch das Freedoms Trio zeigte die Freiheit, die stilistische Freiheit. und wer genau die thematischen Phrasierungen und Paraphrasierung vom Gitarristen und Bassisten verfolgte, der entdeckte auch – vereinfacht formuliert – das Schema des Jazz Thema-Impro-Thame. Zudem brillierte der Schlagzeuger Deodato Siquir nicht nur durch sensibles Spiel, sondern auch durch fulminate Soli. Da prasselten die Sticks auf die Toms, wanderten zwischen den Blechen hin und her, wechselten die Pattern und das Tempo von jetzt auf nun.
Nachsatz: Dies war das letzte Konzert in der Reihe Jazzlive 18/19. Doch die Reihe wird fortgesetzt, wie die „gute Seele“ dieser feinen Konzertreihe, Armin Düpmeier, den Anwesenden bekannt gab. So wird man in der nächsten Saison unter anderem das Oodgeir Berg Trio aus Norwegen, das Jens Düppe 4tet mit der Vorstellung des Albums „Dancing Beauty“, Jan Klare mit seinem Earl-Bostic-Projekt und das Rainbow Trio von Susan Weinert genießen können. Der in Brooklyn beheimatete Vibrafonist Stefan Bauer wird auf seiner „Weihnachtstour“ im Übrigen auch wieder in Warendorf vorbeischauen. Start der Konzertreihe ist der Oktober 2019.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther – Fotos und Text sind nicht public commons!
Informationen
Musiker
www.freedomstrio.com
In case you LIKE us, please click here:
Hotel-Brasserie
Markt 2 - 8820 TORHOUT
Silvère Mansis
(10.9.1944 - 22.4.2018)
foto © Dirck Brysse
Rik Bevernage
(19.4.1954 - 6.3.2018)
foto © Stefe Jiroflée
Philippe Schoonbrood
(24.5.1957-30.5.2020)
foto © Dominique Houcmant
Claude Loxhay
(18/02/1947 – 02/11/2023)
foto © Marie Gilon
Pedro Soler
(08/06/1938 – 03/08/2024)
foto © Jacky Lepage
Special thanks to our photographers:
Petra Beckers
Ron Beenen
Annie Boedt
Klaas Boelen
Henning Bolte
Serge Braem
Cedric Craps
Christian Deblanc
Philippe De Cleen
Paul De Cloedt
Cindy De Kuyper
Koen Deleu
Ferdinand Dupuis-Panther
Anne Fishburn
Federico Garcia
Jeroen Goddemaer
Robert Hansenne
Serge Heimlich
Dominique Houcmant
Stefe Jiroflée
Herman Klaassen
Philippe Klein
Jos L. Knaepen
Tom Leentjes
Hugo Lefèvre
Jacky Lepage
Olivier Lestoquoit
Eric Malfait
Simas Martinonis
Nina Contini Melis
Anne Panther
Jean-Jacques Pussiau
Arnold Reyngoudt
Jean Schoubs
Willy Schuyten
Frank Tafuri
Jean-Pierre Tillaert
Tom Vanbesien
Jef Vandebroek
Geert Vandepoele
Guy Van de Poel
Cees van de Ven
Donata van de Ven
Harry van Kesteren
Geert Vanoverschelde
Roger Vantilt
Patrick Van Vlerken
Marie-Anne Ver Eecke
Karine Vergauwen
Frank Verlinden
Jan Vernieuwe
Anders Vranken
Didier Wagner
and to our writers:
Mischa Andriessen
Robin Arends
Marleen Arnouts
Werner Barth
José Bedeur
Henning Bolte
Erik Carrette
Danny De Bock
Denis Desassis
Pierre Dulieu
Ferdinand Dupuis-Panther
Federico Garcia
Paul Godderis
Stephen Godsall
Jean-Pierre Goffin
Claudy Jalet
Chris Joris
Bernard Lefèvre
Mathilde Löffler
Claude Loxhay
Ieva Pakalniškytė
Anne Panther
Etienne Payen
Jacques Prouvost
Yves « JB » Tassin
Herman te Loo
Eric Therer
Georges Tonla Briquet
Henri Vandenberghe
Iwein Van Malderen
Jan Van Stichel
Olivier Verhelst