„The Beauty of the Great American Songbook“ hieß es beim zweiten Konzert der Essener Jazzvisionen. Johannes Nebel (db) und Achim Schif (g) ließen sich von den großen Vorbildern des Jazz wie zum Beispiel Victor Young inspirieren und gaben Klassiker des Jazz der 1930er bis 1960er Jahre zum Besten, so Lutz Felgner vom B. S. E. Jazzclub Essen. Auf der Bühne des Eltern-Cafés der Villa Rü standen Achim Schif, ein Essener Musiker, der an der Folkwang Universität seine Ausbildung erhielt und der eigentlich für Blues und Rock steht. An seiner Seite hörten wir Johannes Nebel, gleichfalls ein Absolvent der Folkwang-Universität, der mit ganz unterschiedlichen Jazzformationen auftritt, ob nun bei The Dorf, einem 30-köpfigen Ensemble, beim FC Fritsche oder beim Love 4tet.
Bei der Vorbereitung zum Konzert, so erzählte Achim Schif, habe man eine Stunde lang Kompositionen ausgewählt und verworfen, um an Ende festzustellen, dass der Großteil nicht aus dem legendären Great Amercian Songbook stammte. So wurde das Programm einfach erneut zusammengestellt. Da ja Karneval sei und man Jazz ja nicht so ernst nehmen wolle, wolle man auch keine Titel ansagen, sondern das Publikum die Titel raten lassen. Das war ein Vorschlag von Achim Schif, der dann neben der Musik und vielen kleinen Geschichtchen den Spätnachmittag in der Villa Rü bestimmte.
Für das Duo Nebel/Schif gibt es, darauf wies Lutz Felgner einleitend hin, ein „Vorbild“: Jim Hall und Ron Carter mit ihrem Album „Alone together“ - ein vielsagender Titel. Zugleich schraubte dieser Hinweis die Erwartungen beim sachkundigen Publikum auch sehr hoch. Man durfte also auf Nebel/Schif gespannt sein.
Auffällig war, dass sich beide Musiker während des Konzerts langsam einander annäherten. Teilweise drängte sich der Eindruck auf, sie wären stets auf der Suche nach der richtigen Würze und Mischung. Streckenweise war es ein abwartendes Herantasten vor allem durch Achim Schif wahrzunehmen, derweil Johannes Nebel seinen Viersaiter zum rhythmischen Brummen brachte.
Bluesig eingefärbt war das erste Stück des Abends. Weich war der Gitarrensound, der da an die Ohren der Zuhörer drang, die sehr zahlreich den Weg in die Villa Rü gefunden hatten. Beim Zuhören wanderten die Gedanken nach Venice Beach oder an den Lido während eines sonnigen Nachmittags, der zum Flanieren einlud. Auch ein Hauch Swing erfüllte im Weiteren die Villa Rü. Für den richtigen Rhythmus und die obligatorische Basslinie sorgte dabei Johannes Nebel. Mit ausgereifter Fingertechnik kümmerte sich Achim Schif derweil um das Melodische, um den Anwesenden „There Is No Greater Love“ nahezubringen. Diesen Song von 1936 hat u. a. Billy Holiday bekannt gemacht. Auch die viel zu früh verstorbene Amy Winehouse hatte diesen Liebessong in ihrem Repertoire. Lauschte man dem nachfolgenden Stück „Softly As In a Morning Sunrise“, eigentlich ein Song über die verpasste Liebe und voller Bitterkeit, so hatte man den Eindruck, dass die Klangfarben denen von „There Is No Greater Love“ sehr ähnelten. Schloss man die Augen, so konnte man sich eine frühsommerliche Autofahrt in einem offenen roten Ford Mustang vorstellen und sei es nur, um den Liebeskummer vom Wind davonwehen zu lassen.
„Alone together“ stand auch auf dem Programm des Nachmittags. Diesen Titel mussten die Zuhörer nicht raten, denn Achim Schif hatte sich schlicht verplappert, als er eigentlich über Jim Hall und Ron Carter plaudern wollte.
Ja. Achim Schif war recht gesprächsfreudig, und so erzählte er auch, dass er und Johannes Nebel auf der Hochschule mangels Alternativen in der sogenannten Auswendiglern-Combo gelandet waren. Sie befasste sich ausschließlich mit Standards. Daher stammte auch ihr Wissen über das legendäre Great American Songbook. Was man an der Hochschule lernte und wie sich dies bei einer Komposition wie „Alone together“ anhörte, demonstrierte er kurz nach der eigenen Interpretation dieser klassischen Jazz-Komposition. Achim Schif verdeutlichte dabei nachdrücklich, dass man dieses Stück auch sehr behäbig und mit ausklingenden Noten und Akkorden spielen kann.
Erwähnung finden sollte auch Achim Schifs Dank ans Publikum, das mucksmäuschenstill war und zuhörte. Das seien sie gar nicht gewohnt. Meist spielten sie ganz leise, um die Unterhaltung der Anwesenden nicht zu stören, wenn sie für Betriebsfeiern und Jubiläen engagiert seien. Dabei war Achim Schif wohl nicht die Geschichte bekannt, dass Jim Hall einst bei einem Auftritt immer leiser und leiser spielte, dann sogar aufhörte, weil ihn das ständige Geplapper der beim Konzert Anwesenden zornig gemacht hatte. Das allerdings war in der Villa Rü nicht nötig. Alle, die gekommen waren, waren der Musik wegen gekommen.
Nach „Stella by Starlight“ und „Beautiful Love“ gab es zum Konzertende hin „All Blues“ von Miles Davis und als krönenden Abschluss „Oleo“, eine Hard-Bop-Komposition von Sonny Rollins, zu hören. Es schien mir, dass diese beiden Kompositionen Achim Schif und Johannes Nebel viel mehr am Herzen lagen als die bisher dargebotenen Standards. Irgendwie hatten sich beide auch mehr und mehr freigespielt. Vor allem Achim Schif konnte bei den besagten „Schlussakkorden“ seine Vorliebe für Bluesmusik ausleben. Der Beifall des Publikums war dann auch Anerkennung, nicht allein für die Schönheit der Jazz-Standards.
Text und Photos: ferdinand dupuis-panther
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Ort
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45131 Essen
Musikalisches
Alone together
https://www.youtube.com/watch?v=L2Omlufc2rw
Stella by Starlight
https://www.youtube.com/watch?v=Iqs3w1Q5sto
All Blues
https://www.youtube.com/watch?v=uRBgy43gCoQ
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