In der Konzertankündigung lasen wir: „Progressives . Ursprüngliches . Non-Linearitäten:Komplexe Konzepte innerhalb der vertrauten Klanglichkeit eines Jazztrios versetzt mit der kräftigen und ursprünglichen Energie dreier umtriebiger, junger Schweizer Musiker.“ Diese drei Musiker - Tapiwa Svosve am Saxofon, Silvan Jeger am Kontrabass und Vincent Glanzmann am Schlagzeug - formten beim Konzert eine nahezu geschlossene, verschworene Dreiheit. Die Musiker formten auf der „Bühne“ ein sehr kleines Dreieck, eng aneinander stehend/sitzend, fokussiert auf sich und ihre Musik, vom Publikum für die meiste Zeit abgewendet. Irgendwie hatte die Bühnenpräsentation etwas von Versenkung in die eigene Musik.
Endlich hatte es das Trio aus der Schweiz geschafft, überhaupt in der Black Box aufzuspielen. Mehrmals schon war das nicht möglich. In seiner Ansage formulierte Tobias Brügge zu Beginn des Konzerts sinngemäß und mit ironischem Unterton, dass es Uassyn in der Vergangenheit mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks stets gelungen war, immer dann auf dem Terminkalender der Black Box zu erscheinen, wenn Lockdowns angesagt waren. Wie stets in diesen Tagen war die Black Box sehr gut gefüllt. Kein Wunder, die Karten – sprich die Sitzplätze – waren limitiert, sodass das Konzerterlebnis zu einem exquisiten Event wurde. Und noch eine kurze Anmerkung vor der eigentlich Konzertbesprechung: Der Name der Band ist ein reiner Fantasiename und entstammt nicht irgendeiner exotischen Sprache.
Es ging gleich ohne viel Vorgeplänkel in Medias Res und das angesichts der Formierung des Trios auf der Bühne im wahrsten Sinne. Ein sich dynamisch entwickelndes Drumming vereinte sich mit dem stimmlichen Wohlklang des Altsaxofons, das unter den Saxofonen der Holzbläser mit der größten Nähe zur menschlichen Stimme ist. Berauschend, rauschend war diese Stimme zu vernehmen. Dabei erlebten die Anwesenden einen Wechsel von zart-gehauchten Klängen und eher nachhaltig-aufbrausenden. Doch der Saxofonist Tapiwa Svosve überdrehte nie, zeichnete eher eine Klanggouache und kein gestisches Informel mit wilder Linienführung und Farbklecksereien.
Auf „Zacharya“ folgte dann wie auf dem Album des Trios „Tuain“. Bei der Ansage durch den Saxofonisten hörte man allerdings „Vain“ und das beschwor gewiss andere Assoziationen zur Klangcollage. Wuchtige Bass-Sätze paarten sich mit Schnalzlauten und feinen Schummerungen, die dem Altsaxofonisten zu verdanken waren. Hörbar strömte Atemluft durch Mundstück und S-Rohr des Holzbläsers. Kurzes Schnalzen unterbrach den steten säuselnden Luftstrom. Die großen Becken vibrierten sanft, aber nachhaltig. Ab und an schwiegen die Musiker für wenige Augenblicke, ehe sie wieder in den Spielfluss eintauchten. Es gab einen gewissen Flow zu erleben, aber auch Mosaiksteine des Klangs. Geschwungene Linien mit Auf und Ab waren die Sache des Bassisten. Drangen da nicht auch Nebelhörner ans Ohr der Anwesenden? Hi-Hat und großes Becken wurden vom Drummer getätschelt. Doch auch ein kraftvolles Spiel war auszumachen. Da schien man einen Donnerhall zu erleben, die Entladung eines Trommelgewitters. Dumpfes Grollen wurde durch sanfte, weichgezeichnete Passagen abgelöst. Felle wurde mit Besen gestrichen. Der Bassist Silvan Jeger zupfte und schlug mit den Fingern auf die Saiten seines Tieftöners, dem er keine Tonfolgen, sondern Einzeltöne mit Pausen entlockte. Man hatte dabei den Eindruck, man lausche fallenden Regentropfen, die auf dem Pflaster zerplatzen. Sobald der Altsaxofonist seinen Holzbläser zum Klingen brachte, schien man von einem Klangföhn eingefangen zu sein. Auch aufkommende Fallwinde des Klangs waren zu erleben, die allerdings im nächsten Moment vergingen.
Dass ein Trio kein Monolith ist, obgleich die Bühnenpräsenz des Trios das nahelegte, unterstrichen die Musiker dadurch, dass sich das Trio auch in Zweisamkeiten auflöste, sodass der Saxofonist schlicht schwieg, während sich der Bassist und der Schlagzeuger wechselseitig antrieben und herausforderten. Was wir hörten, war vom Gestischen und von offenen Formen bestimmt. Fingerschläge auf die Bass-Saiten waren keine Seltenheit. Lineares war dabei nicht herauszufiltern. Eher musste man an eine Möbius-Schleife des Klangs denken, an das sich bis Unendliche Verlierende, also an etwas, was endet und am Ende wieder neu beginnt. Sehr verhalten agierte der Saxofonist, als er wieder Teil des musikalischen Geschehens war. Zurückgenommen und mit Sinn für das Behutsame agierte Tapiwa Svosve. Beckenstriche und Saitenschläge gab es als Begleitung.
Das Rhythmische stand bei „Kheretem“ im Fokus. Bassist und Saxofonist bedienten sich einem Stick und einer Kuhglocke, um in eine Tiketiketike und ein Toktoktiketok einzutauchen. Zudem hatte der Drummer auf den Fellen seiner Trommeln Bleche ausgebreitet, die er im „Gegenrhythmus“ zu seinen Mitmusikern anschlug. Auch einen nachhallenden Paukenschlag servierte uns Vincent Glanzmann. Irgendwann jedoch wurden die rhythmischen Wellen durchbrochen, waren Bass und Saxofon zu hören. Dabei hatte man das Bild von sich rollend im Wind bewegenden Kornähren vor Augen. Stetig war das, was zu vernehmen war. Spiralförmiges wurde durch die drei Musiker zelebriert. Tiefenklang war an der Tagesordnung. Nach und nach entwickelte das Dreigespann auch den Sinn für Turbulenzen und Orkanartiges. Vincent Glanzmann drängte sich mehr und mehr auf, nahm sich den Raum fürs fulminante Trommeln. Klangfeuerwerke wurden gezündet. Doch irgendwann verebbten die Turbulenzen und es ging beinahe nahtlos mit dem nächsten Stück weiter.
Dabei erlebten wir ein flirrendes und sonores Altsaxofon, dessen „Linienführungen“ vom Bassisten aufgegriffen und paraphrasiert wurden. Teilweise wurden dabei auch die Saiten mit einem Finger gedämpft, derweil die anderen über die Saiten fuhren. Das entstehende Klangbild kam dem Flattern von Segeltuch im Wind durchaus nahe. Lauschte man dem weiteren Stück und schloss die Augen, so konnte man sich schnittige Seekajaks vorstellen, die hohe Wellen schnitten. An deren Bordwand klatschte das Wasser für wenige Augenblicke. Und dann war alles schon wieder vorbei.
Und zum Abschluss gab es noch eine „Springflut“ zu erleben, wenn der Berichterstatter die Ansage richtig verstanden hatte und es wirklich um „Riptide“ ging. Angesichts des herzlichen Beifalls nach diesem Stück, das das Konzert beendete, gab es noch eine Zugabe. Das wiederum scheint bei Konzerten in der Black Box schon ein Ritual zu sein. Gewiss ist: Das Konzert mit leisen und lauten Tönen, mit offenen Formen, mit Bewegung, mit Eruptionen, mit Lavafluss und Föhn wird in Erinnerung bleiben.
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