Jazz it im Park, Landesgartenschau Bad Iburg, 22. April 2018


Hoch über dem Landesgartenschaugelände thront die einstige bischöfliche Residenz, trutzig und mächtig. Bestehende Parks reihen sich aneinander. Sie alle erhielten eine Frischzellenkur. So zeigt sich das Gelände bis in den Oktober 2018 mit künstlichen Seen, beschaulich dahinfließenden Wasserläufen, farblich abgestimmten, quadratischen Blumenrabatten und verschiedenen Themengärten als Ideengeber für den eigenen Garten. Ein Wasserbecken lädt zum Wassertreten ein, ganz im Sinne von Sebastian Kneipp. Besondere Attraktion ist gewiss der Baumwipfelpfad, auf dem die Besucher tief hinein in den Waldkurpark gelangen. Zwischen den Baumkronen spazierend folgt man einer Art Waldlehrpfad. Auf ihm ist Wissenswertes über den Teutoburger Wald, die verschiedenen Baumarten des Waldes und auch die Waldbewohner wie Buntspecht und Eichhörnchen zu erfahren.



Osnabrücker Musikstudenten zu Gast

Für musikalische Unterhaltung wird im „Zeltpavillon“ nahe dem Stadteingang des Gartenschaugeländes gesorgt, so auch am Sonntag, den 22. April. Dann hieß es Bühne frei für Studierende der Jazzabteilung des Instituts für Musik (Osnabrück). Mehrere Bands stellten sich mit ihrem Schaffen vor, unterstützt von ihrem Hochschullehrer John Hondorp an der Hammond B3. The Next Generation of Jazz hatte die Chance, vor einem interessierten Publikum das eigene Können unter Beweis zu stellen. Dafür hatte John Hondorp mit einer interessanten Auswahl an Bands gesorgt. Straight ahead Jazz war ebenso vertreten wie Pop-Jazz. Das Zusammenspiel des niederländischen Hammond-Orgel-Spielers mit dem Altsaxofonisten Lorenz Schönle und dem Drummer Vincent Golly (Pimpy Panda) - Motto „Hammond Über-Jam“ - war aus meiner Sicht das Highlight der Jazz-Matinee.


Zum Auftakt „Kein Quartett“, aber ...

Ehe die Sängerin Johanna Schmoll die Bühne betrat, gehörte die Bühne dem Trio „Kein Quartett“, bestehend aus dem Drummer Henry Hahnfeldt, Jan-Lukas Roßmüller am E-Piano und dem Bassisten Luis Lange. „April“ lautete der Titel des Dreigestirns aus Osnabrück. Pulsierende satte Tastenfolgen drangen ans Ohr der Zuhörer. Einem Donnerhall glichen die musikalischen Interventionen des Drummers und Bassisten. Es schien so, als wäre der wechselhafte April in den Händen der drei jungen Herren bestens aufgehoben und als wäre auch ein musikalisches Wetterleuchten durchaus an der Tagesordnung. Sonnenstrahlen brachen durch ein klangliches Wolkenband, so meinte man, folgte man den musikalischen Konturen und dem prägnanten Pianospiel im Diskant. Für Windgänge hingegen waren Bass und Drums zuständig.


Romantischer Bop

Als „Good Bait“ auf dem Programm stand, wurde aus dem Trio ein Quintett, denn neben Johanna Schmoll war auch John Hondorp am Hammond B3 nun auf der Bühne zugegen. Keinem Geringerem als dem Komponisten und Pianisten Tadd Dameron ist der genannte Titel zu verdanken. Der Saxofonist Dexter Gordon nannte Dameron einst den Romantiker unter den Bop-Vertretern. Vom Charakter her konnte man den Song als Downtown New York entsprungen ansehen. Es schien angesichts des Melodieflusses schon beinahe die blaue Stunde angebrochen zu sein. Dennoch schwebten noch Paare über die Tanzfläche einer schummrig beleuchteten Bar, so ein Bild, das im Kopf entstand.

Irgendwie waren an diesem Sonntagmittag auch die „Fabulous Baker Boys“ in Bad Iburg zugegen. Dumpf schwirrte die Hammond B3, derweil sich das E-Piano dezent auf das Melodiöse fokussierte. Beckenflirren war zu vernehmen. Beschwingt und losgelöst kam der Song im Weiteren daher, was auch dem fulminanten Fingerspiel von John Hondorp geschuldet war.

Balladenhaftes schloss sich diesem Song an, als „Some time ago“ erklang. „Life began when you came some time ago ...“ so die Zeilen, die Johanna Schmoll sang. Dazu strichen Besen bedächtig über Snare und große Becken. Pastellfarbene Klangbilder entwickelten die Musiker vor unseren Augen Schritt für Schritt. Der Gesang von Johann Schmoll war erfrischend, weil sie nicht im bemühten Sopran unterwegs war, sondern ihre volle Bruststimme entfaltete. Süßlich waren die Solopassagen, die in den Händen von Jan-Lukas Roßmüller lagen. Ergänzend breitete John Hondorp einen hochflorigen Klangteppich aus.


Scat Vocals und Cole Porter

Dass Johanna Schmoll auch Scat Vocals beherrscht, unterstrich sie bei dem Song „You'd be so nice“ (Cole Porter) ganz nachdrücklich. Mit „The way you look tonight“ stand ein weiterer Standard auf dem Programm. Bekannt gemacht hat dieses Stück Nat King Cole, mit dem sich Johanna Schmoll zu messen hatte.

Im Duktus war “When my anger“ von Beady Belle, einer norwegischen Nu Jazz-Band, balladenhaft. Auf Elektronisches und auf Acid Jazz verzichtete das Quintett gänzlich, sieht man einmal von sphärisch-psychodelischen Anmutungen ab, die John Hondorp seinem Hammond B3 entlockte. Vokalstakkatos beherrschten „Anthropology“, gleichsam eine Verneigung vor dem „Genius“ Charlie Parker durch Johann Schmoll und ihre Mitmusiker.

Mit einem Gesangsolo eröffnete der Song „Jordu“ - das letzte Stück des Programms von Johanna Schmoll -, ehe dann Bass und Hammond B3 sich einswingten und sonore Klangbilder malten. Dazu ließ Henry Hahnfeldt die Sticks auf seinem Schlagwerk leicht tänzeln.


Freie und gebundene Rotationen: Hammond-Über-Jam

Spielfreude pur strahlten Lorenz Schönle und Vincent Golly aus, die gemeinsam mit John Hondorp ein wahres Jazzfeuerwerk entfachten. All drei gingen gänzlich in ihrem kreativen Spiel auf, das nicht vorherbestimmt war, sondern sich frei entfalten konnte. Bisweilen genügten Blickkontakte, um das Tempo oder die Rhythmik zu verändern; manchmal gab es aber auch kurze Anweisungen von Vincent Golly oder John Hondorp nebst zustimmendem Kopfnicken.

Erstmals spielten die drei genannten Musiker überhaupt zusammen, ließen sich in Solos und manchmal im Zwiegespräch Freiräume, die so charakteristisch für den Jazz sind. Dabei kam der Vortrag ohne Set-Liste aus. Titel für jeweilige Stücke benötigte man nicht. Alles schien im Fluss, im ungehemmten Spielfluss.


Klangliches Wetterleuchten

Mit einer sehr redundanten Passage begann John Hondorp, bei einigen Zuhörern sicherlich die Erwartung an Jazz Rock weckend. Aus diesen Redundanzen erwuchs eine Verstetigung, einem dahinfließenden Strom gleich. Diesem musikalischen Gewässer fügte der Altsaxofonist eine eigene Würze hinzu und zeichnete klangliche Wolkenschwaden in den Himmel. Stets war das Suchen nach der Schönheit einer Melodie das Bestreben, wenn auch von klangvollem „Wetterleuchten“ unterbrochen.


Rhythmus im Fokus

Galoppierende Rhythmen oblagen dem Schlagzeuger, der auch für die Verlangsamung und Verschärfung des Tempos die Verantwortung übernahm. Ein wenig nach Klage und Wehmut klang das, was der Altsaxofonist zeitweise zu Gehör brachte. Tzicktzicktaktiktik schallte es ihm vonseiten des Drummers entgegen. Beide vereinten sich dann in einem reißenden akustischen Strom, unterstrichen den Aufbruch und das Vorwärtsstreben in ihrem gemeinsamen Spiel.

Ein stetes Auf und Ab zeichnete sich vor den Augen der Zuhörer ab. Daran war auch das Hammond B3 beteiligt. Wogen und Wellen bezeichnen im Bild das, was zu hören war. Teilweise gab es Rhythmusverzögerungen und -verschleppungen. Das Altsaxofon legte das Marktschreierische ab und wandelte auf sanften Pfaden, die von einem Windhauch verweht wurden. Funk wurde am Rand gestreift, ein wenig im Sinne von Booker T and The MGs. Dazu fokussierte sich Vincent Golly auf das Spiel mit Hi-Hat und Bassdrum; Tickticktick traf auf Dödadödadu. Ein klangliches Inferno wurde angesteuert, um dann in eine kurze Entladung aufzugehen. Balladenhaftes aus dem Trichter des Altsaxofons traf schließlich auf die „ätzende Rhythmik“ des Schlagwerks.


Parker und Coltrane?

Eine gewisse Affinität zu Parker und Coltrane konnten Jazzkenner wohl nicht beiseite wischen. Der Spaß am Spielfluss machte das jedoch zur Nebensache. Die Interaktion auf der Bühne war sehr emotional und wenig kopfgesteuert. Das war der Mimik, dem Grinsen und Lachen, der drei Musiker anzusehen. Sie hatten ihren Spaß und der übertrug sich auch auf das Publikum, wenn auch zwischen Bühne und Zuschauern eine räumliche Distanz vorhanden war. Das war dem Bühnenaufbau und der Art der Bestuhlung unter dem Zeltdach geschuldet. Eigentlich hätte dem Hammond-Über-Jam ein intimer Raum besser zu Gesicht gestanden.


Der Mond schien musikalisch schon am Nachmittag

Als das Trio Luah die Bühne betrat, nach reichlichen Verzögerungen und so mancher technischen Hürde, die die drei Musikerinnen zu nehmen hatten, ging der Mond auf. Luah bedeutet nämlich, so Elsa Johanna Mohr, Mond auf Portugiesisch. Warum die drei Musikerinnen, die Sängerin, Komponistin und Ukulele-Spielerin Elsa Johanna Mohr, die Perkussionistin und Vokalistin Lena Senge sowie die Gitarristin und Vokalistin Ula Martyn-Ellis, diesen Bandnamen ausgesucht haben, verriet keine der Drei dem Publikum.


Klanggeflecht zur Dritt

Klanggeflecht aus Effekten und vor allem aus stimmlichen Arabesken und perkussiven Knoten zeichnete das Trio aus. Kompositorisch wandelten die drei Musikerinnen auf den Pfaden von Pop, Jazz und Folk, stets aber auch mit einer Nähe zu Singer/Songwriter. Gegründet wurde das Trio 2017 durch Elsa Johanna Mohr, die die beiden anderen Musikerinnen während des Studiums kennengelernt hatte.Poesie schien allen Songs gemeinsam, die am Sonntagnachmittag vorgetragen wurden, mal mit Hall und Echo, mal ohne; mal mit Xylofon, so der Eindruck, mal ohne. Oder war da gar nur ein Toy Piano mit im Spiel?


Pop-Poesie oder was?

Die Begleitungen der Songs waren zumeist weich gezeichnet. Lyrisches war dominant, so auch bei den Zeilen „I just talked to you … it took all my courage to talk to you ...“. Mehrstimmigkeit war charakteristisch für das Trio, das weitgehend von den Kompositionen von Elsa Johanna Mohr lebt. Gewiss die beiden anderen Musikerinnen tragen auch ihr Scherflein zum musikalischen Ganzen bei, ob mit Perkussion oder Gitarrenriffs. Gesungen wurde von „the spark in the night“ und von „the light in the dark“, derweil Besen über das Fell des Tambourins strichen. „A touch, a kiss and I am flying high“ paarte sich mit einem kurzen Glockenspiel.

Nachfolgend hieß es in einem weiteren Song aus der Feder der Bandgründerin: „Follow the line“. Mit dem Hang zu Country und Folk trat die Gitarristin mit ihrem Saiteninstrument auf. Verszeilen verwoben sich mit der stimmlichen Akrobatik von Scat Vocals.

Bei „Hours“, basierend auf einem Gedicht einer Freundin der Bandleaderin, vertrauten die Musikerinnen auch auf Effektgeräte, wurden scheinbare Loops evoziert. Kristalline und fragile Melodienlinien kamen zum Vorschein. Derweil zeigte sich der Gesang eher geerdet. „Sparkling Water“ lautete ein weiterer Song aus Mohrs Feder. Dabei fing Ula Martyn-Ellis das Sprudeln des Wassers mit ihrem Saitenspiel sehr überzeugend ein.

Grenzgänge zum Pop – diese unternahmen Elsa Johann Mohr und Co – mag man oder mag man nicht, so mag man denn auch das Trio Luah oder eben nicht!


Ein Nachgedanke

Es sei zum Schluss darauf verwiesen, dass zwei weitere Bands, so Francis, the Trio und loos.extended, auftraten, deren Darbietungen das Publikum mit herzlichem Beifall bedachte. Es ist zu hoffen, dass die jungen Musiker es schaffen werden, sich auf dem hiesigen Musikmarkt zu behaupten, auch mit poetischen oder gar folkig-rockig anmutenden Jazzdarbietungen wie bei der Band von Ula Martyn-Ellis, die nicht nur Francis, the Trio angehört, sondern auch, wie oben ausgeführt, eine der drei Stimmen vom Trio Luah ist.


Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther. Text und Fotos sind nicht public domains und auch nicht public commons.


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