Jacky Terrasson Trio in St. Ingbert (16.4.2016)

Geboren in Berlin, in Paris aufgewachsen und nun in New York lebend – das sind kurz und knapp die ersten biographischen Daten zu dem „Pianisten des Glücks“, wie eine französische Zeitung einst titelte. Dass Terrasson am Berklee College of Music in den USA studierte und 1991 Mitglied der Band von Art Taylor wurde, muss unbedingt erwähnt werden. Gleiches gilt für seine gemeinsamen Auftritte mit Cassandra Wilson, Dianne Reeves und Dee Dee Bridgewater.

Von den Auszeichnungen, die Jacky Terrasson erhielt, seien nachstehende hervorgehoben: 2003 wurde ihm der „Prix Django Reinhardt“ als französischer Jazzmusiker des Jahres verliehen. Ebenfalls 2003 erhielt er für „Smile“ den Preis „Les Victoires du Jazz“ als bestes französisches Jazzalbum des Jahres. Seit 2012 bildet er zusammen mit Burniss Travis am Bass und Justin Faulkner (Schlagzeug) ein als klassisch zu bezeichnendes Terzett

Für das Konzert in St. Ingbert im Rahmen des 30. Internationalen Jazzfestivals war am Schlagzeug nicht Justin Faulkner, sondern der aus Madagaskar stammende Tony Rabeson zu hören, dessen Name bei der Vorstellung in der allgemeinen Unruhe im Saal ebenso unterging wie der Name des französischen, in New York ansässigen Bassisten Thomas Bramerie. Mit dem Schlagzeuger war Jacky Terrasson noch nie zuvor gemeinsam aufgetreten und hatte auch noch nie mit zusammen gespielt. Nur die Probe beim Soundcheck gab es, um sich aufeinander abzustimmen, so der in New York lebende Pianist.

Konzertant war der Vortrag von Jacky Terrasson, auch wenn der Veranstaltungsort dem nicht sehr zuträglich war. Der offene Saal in der St. Ingberter Stadthalle erwies sich einem intimen und konzertanten Vortrag, wie es das Trio von Jacky Terrasson pflegt, sehr abträglich. Mitten in einzelnen Songs standen Zuhörer auf, um sich mit Wein und Sekt zu versorgen. Manche wanderten im Saal herum, um nach einem anderen Sitzplatz Ausschau zu halten. Wiederum andere hatten es nicht nötig nach dem zweiten Gong ihre Plätze einzunehmen und kamen einfach zu spät. Dass man das Konzert verlässt – das taten eine Reihe der Zuhörer – ist ja durchaus legitim, jedoch musste das m. E. nicht nach den ersten Takten eines neuen Songs geschehen, sondern in den kurzen Pausen zwischen den Songs.

 

Swing im Geiste Djangos

Überaus zu bedauern, war die Tatsache, dass der Saal zum beinahe kammermusikalisch geprägten Konzert des Jacky Terrasson Trios nur noch zu Zweidritteln gefüllt war. Ein Teil der Festivalgänger war augenscheinlich nur gekommen, um im ersten Set das Brady Winterstein Trio und Gäste zu hören. Ja, da gab es leichte Kost rund um den Swing von Django Reinhardt. Mitgesungen wurde auch noch, als Songs wie „We are the champions“ im Stil Django Reinhardts präsentiert wurden. Obendrein gab das Trio dann noch aus dem Füllhorn des Pops der 1960er Jahre „Happy together“ von The Turtles zum Besten. Das Publikum sang begeistert mit und war gar nicht mehr zu halten. Dabei entglitt das Jazz Festival ins allzu seichte Fahrwasser von Pop. Ja, man kann, wie man an Di Meola und Frisell sieht, durchaus in der Fundgrube des Pops und Rocks suchen und Songs entsprechend arrangieren, aber das, was das Brady Winterstein Trio bot, war allerdings sehr seichte Unterhaltung. Das Publikum stand nach dem Konzert auf und spendete stehenden Beifall, auch für „Nuages“ und andere Reinhardt-Titel. Ob ein solches Subgenre des Jazz heute noch zeitgemäß ist und auf einem Festival präsentiert werden sollte, muss angesichts von Free Jazz und sehr aktueller Strömungen des Crossover und der freien Improvisation – diese waren überhaupt nicht auf dem Festival vertreten – allerdings an dieser Stelle hinterfragt werden.

 

In medias res

Jacky Terrasson und seine Mitspieler kamen nach einer kurzen Vorstellung – diese ging wegen des Zuspätkommens von Konzertbesuchern in der Unruhe im Saal unter – gleich zur Sache. Sehr poetisch und lyrisch begann Jacky Terrasson sein Spiel am Konzertflügel. Es schien, als werde eine kleine Melodie sorgsam umspielt, eine Melodie, die nach Frühlingserwachen klang. Was wir hörten, mutete zerbrechlich, zart und behutsam an. In diesen Kontext fügte sich der Bassist mit seinem Tieftonmöbel ein, dabei das „Vorspiel“ Jacky Terrassons gekonnt aufgreifend. Dezent brachte der Mann am Schlagwerk dazu seine Bleche in Schwingungen. Oh, das fröhliche Spiel schien ein Ende zu haben, hörte man doch eine bedrohlich wirkende Basslinie, die Terrasson seinem Tastenmöbel entlockte. Doch das war nur ein Zwischenspiel, ehe es konzertant heiter weiterging. Wir lauschten gebannt, mehrheitlich jedenfalls. Vorhersehbar schien nicht, was das Trio da präsentierte. So war ein energetisch angelegtes Schlagzeugspiel, das einen aufkommenden Sturm einzufangen schien, eher überraschend. Doch auch ein laues Klanglüftchen strich über die Häupter der Zuhörer. Bisweilen hatte man vielleicht das Bild hopsender Kinder vor seinen Augen. Hintergründig blieben dabei Bass und Schlagwerk. Die Bühne gehörte von den Klangwelten her Jacky Terrasson. Ohne Frage, seine beiden Mitspieler erhielten auch ihre Momente, um sich zu zeigen. Der Schlagzeuger sorgte dabei nur selten für wirklich viel Radau und Rabatz. Er war als Schlagzeuger – sehr ungewöhnlich – eher ein Mann der sanften Schläge auf Blech und Fell.

 

Lyrischer Klangfluss mit Überraschungen

Tempowechsel, mal ein Pianissimo, mal ein Forte, ein lyrischer Klangfluss, aber auch ein „Paukenschlag“ – ein harter Schlag auf eine der Basstasten – das bot das Trio den Anwesenden. Auffallend waren die geradezu tänzerischen Bewegungen, die Terrasson dabei an den Tag legte, immer auch um unterschiedlich starke Energie auf die schwarzen und weißen Tasten auszuüben. Mancher sah das vielleicht als affektiert und manieriert an. Doch m. E. gehörte das zum Duktus, zum Wechsel von laut und leise, schnell und langsam.

Beim Zuhören kamen Bilder von tanzenden Paaren in einem Park, vom Gesang gefiederter Freunde, von flatternden Drachen am Himmel, von Frisbee-Spielern, von einem Sonntag im Central Park, auf Coney Island oder im Englischen Garten auf – a lazy afternoon halt. Doch das narrative Spiel wurde immer wieder gebrochen, unvorhersehbar, und zwar durch Jacky Terrassons über die Basstasten springenden Hände oder durch ein sehr energetisch gesetztes Klong, Klong – im Sinne von Monk. Techno-Anmutungen gab das Trio zum Besten, aber auch kurze Momente, in denen Michael Jackson auf der Bühne zu stehen schien: „Beat it“ mit wenigen Takten, die dann ebenso wie Anmutungen von „So What“ in Paraphrasierungen und Phrasierungen verschwanden.

Das Trio sorgte zudem für ein Hörerlebnis, das uns lichte Wolken, Sonnenstrahlen sowie Nebelschwaden über der Stadt sehen ließ. Immer wieder forderte Terrasson seine Mitspieler mit kurzen knappen Gesten und durch Blicke auf, sich auf ein Duett einzulassen oder das Solo zu übernehmen. Balladenhaftes wurde gespielt, auch ein Lied vom Abschied, so hatte es den Eindruck. Verhaltene Euphorie traf auf einen euphorischen Ausbruch. Bisweilen wechselte dabei Jacky Terrasson zwischen seinem Rhodes und dem Konzertflügel. Immer wenn das Rhodes erklang, schien Fusion sehr nahe zu sein, und man wartete förmlich auf rockige Passagen. Im Gegenteil, gab es nicht auch Zugriffe auf das Great American Songbook?

 

Die Perkusssion des Grand Piano und „Caravan“

Dass ein Grand Piano auch eine perkussive Seite besitzt, wenn man es denn versteht, die Saiten im Korpus entsprechend einzusetzen, unterstrich Terrasson im weiteren Verlauf des Konzerts. Er griff dafür in den Korpus und traktierte die gezogenen Saiten mit den Handinnenflächen, als würde er Congas oder Bongos vor sich haben. Bass-Drum und Bass fielen in diese Perkussion mit ein. Hin und wieder strich Terrasson auch hart mit den Fingerspitzen über die gespannten Saiten seines Tasteninstruments.  Aus dieser perkussiven „Einführung“ entwickelten sich dann Zitate aus „Caravan“, einem Song mit leicht orientalischen Klangformen. Bei „Caravan“ handelt es sich im Übrigen um eine Komposition von Juan Tizol und Duke Ellington aus den späten 30er Jahren!

Mit seinem dickbäuchigen Tieftöner entführte uns der Bassist des Trios, Thomas Bramerie, aus St. Ingbert in die Karawanserei irgendwo im Vorderen Orient. Wir sehen vor unserem geistigen Auge das geschäftige Treiben, das Kommen und Gehen, bei dem auch der Schlagzeuger Tony Rabeson ins Spiel miteinbezogen wurde, Jacky Terrasson schlicht pausierte und den beiden anderen Musikern zuhörte. Afrikanisch inspirierte Rhythmen galt es zu erkennen. Als Jacky Terrasson dann seine Pause beendete hatte, steuerte der Song auf seinen Höhepunkt zu, teilweise mit Oh, oh vom Pianisten kurz mal kommentiert.

Was im weiteren Konzertverlauf als eine Klaviersoloimprovisation begann, endete schließlich in einigen Takten des wohl weltweit bekanntesten Boleros von Ravel, abgeschlossen mit einem Kling-Klong. Schließlich war auch dieses kammermusikalische Konzert zu Ende, das auch einige sperrige Momente aufwies. Die, die geblieben waren, dankten den Musikern mit beinahe frenetischem Beifall, sodass das Trio nach dem Abgang zurück auf die Bühne kam und unter anderem „Smile“ vortrugen, so jedenfalls die Ansage des Veranstalters am Ende des Abends. Von wem der Song stammt, verriet uns Terrasson nicht. Er verzichtete im Übrigen während des Konzertabends komplett auf Zwischenansagen und ließ die Musik lieber für sich sprechen. Des Rätsels Lösung zu „Smile“: Charlie Chaplin verdanken wir den Song, den auch Nat King Cole sowie Bobby McFerrin und Chick Corea einst in ihr Repertoire aufgenommen hatten. So wurde ein großartiges Konzert mit einem strahlenden Lächeln beendet.

Es war großes Kino, was das Trio den Zuhörern bot. Es zeigte, dass das klassische Jazztrio in seinen Spielformen längst noch nicht ausgereizt ist und dass es stets aufs Wie ankommt, auch bei „Caravan“.

Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther

 

Informationen

Musiker


Thomas Bramerie


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Jacky Terrasson
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