Deelenhaus Paderborn, 10. Mai 2024
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In der Konzertankündigung konnte man Nachstehendes finden: „Nordic Jazz mit Mut zur stilistischen Vielfalt. Am wichtigsten aber ist allen Dreien die besondere Atmosphäre des Live – Auftrittes. Dieses nordische Lebensgefühl, das wollen sie mit ihrer Musik auf der Bühne zum Ausdruck bringen. Das Hoff-Somsen-LindholmTrio spielt Originalkompositionen, die unter anderem von Keith Jarrett, Enrico Pieranunzi, Gonzalo Rubalcaba, Rymden, Wolfgang Haffner, Russell Ferrante und Vince Mendoza inspiriert sind. Im direkten Kontakt mit seinem Publikum spielt dieses niederländisch-skandinavische Klaviertrio Musik, die sich im Fluss improvisatorischer Kräfte zu entfalten weiß. Dazu gehört ein offenes Ohr für die Mitmusiker genauso wie Mut zur stilistischen Vielfalt.“
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Bezüglich Nordic Jazz fehlen in dieser Charakterisierung nur die Begriffe Fjord-Sound und E.S.T. Nun ja, sollte man nicht die Eigenständigkeit eines Trios anerkennen und hervorheben? Ansonsten unterliegt man zu sehr einem Schubladendenken, dass dem Jazz ja eigentlich fremd ist. Die Etikettierungen wie Hardbop, Modern, Cool oder Fusion sind ja Kennzeichnungen zumeist von außen und nicht durch die Musiker selbst.
Allein die Tatsache, dass zwei der drei Trio-Musiker aus Skandinavien stammen, macht ja noch nicht Nordic Jazz. Es ist eigentlich ein Begriff, der in vieler Munde ist, aber nicht so recht definiert ist. Ist es kammermusikalischer Jazz? Ist es Jazz mit Bezügen zur romantischen und neo-romantischen klassichen Musik? Schwingt in der Musik Grieg mit? Ist es eine besondere Stimmung, die in der Musik zum Ausdruck kommt? Ist es weniger eine Hommage an das Licht des Südens als eine an das Polarlicht? Ist es eine Musik, die die Weite der norwegischen Hochebenen musikalisch erfasst? Fragen über Fragen stellten sich vor und zu Beginn des Konzerts. Sie lösten sich während des Konzerts auf, schien doch die Musik eine durchaus Erzählende und Erzählerische, eine Musik des Lyrischen, eine Musik, in der sich auch Melancholie bündelte und auch ein gewisser Symbolismus im Sinne einer Suche nach Sehnsuchtsorten.
Der Rahmen für dieses Konzert ist ein historischer. Bei dem „Spielort“ Deelenhaus handelt es sich eigentlich um zwei Fachwerk-Gebäude, ursprünglich aus dem Jahr 1741 und nun in der Krämerstraße nach Umgestaltung zu einem Komplex zusammengefügt. Das Haus beherbergt aktuell einen Bühnenraum für Lesungen, Theater, Jazz, Weltmusik und Improvisation, aber zudem auch Ateliers.
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Bei der Begrüßung zeigte sich der Vorsitzende des Jazzclubs Paderborn Rainer Schallenberg darüber sehr angetan, dass das Deelenhaus so gut besucht war. Schließlich hatten viele den Brückentag nach Vatertag genutzt, um einen Kurzurlaub zu unternehmen. Die Stadt, so Rainer Schallenberg, schien wie ausgestorben. Viel wolle er aber nicht erzählen, sondern viel Spaß beim Nordic Jazz wünschen. Und dann, ja dann nahmen uns die drei Musiker auf eine Klangreise mit, bei der ähnlich wie bei Lars Danielssons Liberetto die Schönheit der Melodie im Vordergrund stand. Doch wie gesagt, ist dies nur eine Nuance, eine Facette „nordischen Jazz“ und daneben gibt es Neo-Fusion und ebenso Jazz Rock 3.0.
Vorgestellt wurden im Konzert vor allem Stücke, die auf dem gerade eingespielten und im Herbst bei Challenge Records erscheinenden Album zu hören sein werden und nun gleichsam in einer „akustischen Preview“ zu erleben waren. Der Klangbogen spannte sich von „Autumn Breeze“ und „The World less travelled“ über „First Light“ und „Questions“ zu „Rubalcaba“, gewidmet dem kubanischen Pianisten Gonzalo Rubalcaba und mit „feinsten Intarsien“ des Bassisten Jasper Somsen versehen, sowie „Fly North“. Doch damit war das Konzert nicht beendet, denn eine Zugabe gab es als Dreingabe. Keine Frage bei dem herzlichen Zwischenbeifall während des Konzerts und dem anhaltenden Abschlussbeifall. Nur trampelnde Füße hörte man im Deelenhaus nicht. Doch das war nicht notwendig, denn das Trio spielte am Schluss „Thankful“ (comp C. Lindholm). Welche Bewandtnis es mit dem Stück hat, erfuhren wir auch: Seit Jahren führe er, Carsten Lindholm, ein sogenanntes Dankbarkeitstagebuch, in das er an jedem Tag drei Dinge, für die er dankbar ist, einträgt, so das heutige Konzert, den Jazzclub Paderborn und die sehr zahlreichen Gäste, die gekommen waren.
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Alle drei Musiker, die auf der Bühne des Jazzclubs Paderborn standen, trugen jeweils mit Kompositionen zu einem Gesamtklangbild aus „lyrischen Mosaiksteinchen“ bei. Auf Kompositionen Dritter wurde gänzlich verzichtet, auch auf Effektgeräte oder einen präparierten Flügel legte das „Dreigestirn“ Hoff-Somsen-Lindholm keinen Wert. Mehr oder minder unplugged erlebten wir also das Ensemble. Und das war Ohrenschmaus! Mit „Zwischentexten“ der Musiker wurde die Musik auch ab und an erläutert, ohne in epische Breite zu gehen. Die Musik sollte ja im Fokus stehen!
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Nicht nur die Eröffnung des Abends hatte etwas von samtener Leichtigkeit, von Lyrischem, von romantischen Klangbezügen, ohne nun gleich Franz Schubert zu zitieren. Und doch hatte man den Eindruck des Liedhaften mit dunklen und hellen Klangnuancen, dank an den Bassisten. Sehr behutsam agierte dazu der Drummer. Wie überhaupt das Zusammenspiel der drei Musiker von großer Sensibilität und steter nonverbaler Kommunikation geprägt war. Sie waren alle Gleiche unter Gleichen. Keiner dominierte und zog die Linien und Schraffuren des Klangs an sich. Man konnte bei einigen Klangfolgen an die feinsten „Wasserverstäubungen“ von Fontänen denken, obgleich es im ersten Stück schlicht um eine „Herbstbrise“ ging. Das nachfolgende Stück war im Duktus ähnlich ausgeformt wie das erste. Das Dramatische schien weniger von Bedeutung, sondern eher die Entwicklung eines erzählenden Stils. Die drei Musiker entwickelten kontinuierlich eine gewisse Dynamik, ohne all das Eruptive, das man sonst bei ähnlichen Ensembles erlebt. Eher hatte man den Eindruck, man lausche einer Etüde, einem feinen Fingerspiel des Klangs. Und für sehr kurze Zeit schien das Trio jedoch ein aufkommendes Unwetter klanglich eingefangen zu haben, um es dann schnell vorbeiziehen zu lassen.
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Das „erste Licht“ („First Light“) „entzündete“ der Drummer in der Einführung des Stücks, ehe dann nach und nach auch die beiden anderen Musiker die Szenerie belebten. Folgte da der Bassist in seinem Spiel den ersten Stadtmenschen, die schon früh unterwegs sind und deren Schritte wahrzunehmen sind? Perlendes Tastenspiel hinterließ den Eindruck, dass sich der beginnende Tag verstetigte. In dem ins Stück eingebundenen Solo von Jan Gunnar Hoff vermeinte man, auch brechendes Eis heraushören zu können.
Im weiteren Konzertverlauf drang ans Ohr der Anwesenden durchaus eine gewisse Melancholie, ausgedrückt durch die entsprechenden Harmonien. Zugleich meinte man, man könne auch Momente der Sehnsucht und des Abschiedsschmerzes heraushören. Alles schien sehr getragen, nicht fröhlich-losgelöst. Und so schienen dann auch Grieg und Sibelius für wenige Augenblicke im Deelenhaus präsent zu sein.
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Sanfte Klangkaskaden waren wahrzunehmen, dank an Jan Gunnar Hoff und sein vielseitiges Tastenspiel mit einer Vorliebe für Diskantes. Zugleich schien man stellenweise mit Volksliedhaftem konfrontiert zu werden, ohne dass die Melodie so richtig im Gedächtnis haften blieb, um sie dann mitzusingen
Nach der Pause wurde die Erzählkunst fortgesetzt, waren dann auch sommerliche Färbungen in den Melodien zu entdecken, schienen sogar ähnlich wie bei den Neoimpressionisten Punkte des Klanges zu einem lichten Gesamtbild komponiert zu werden. Teilweise wurde das Trio zu einem Duo, wenn sich Bassist und Pianist zur Zweistimmigkeit zusammenfanden.
Um den Ton F herum komponierte Jan Gunnar Hoff eine recht einfache Melodie, die uns das Trio auch zu Gehör brachte. „Questions“ lautete der Titel des Stücks. In der Melodielinie erinnerte dieses Stück gelegentlich an Liedgut deutscher Liedermacher der späten 60er und frühen 70er Jahre abseits des damals auch vorhandenen Agit-Prop. Zugleich vermeinte man, Strukturen eines Chansons herausfiltern zu können, oder? Warme Klangfarben wurden ohne Frage angemischt. Gab es nicht auch Ausflüge in den Blues hier und da?
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Es fand auch die Band „Yellowjackets“ um den Saxofonisten Bob Mintzer Widerhall im Konzert, da Carsten Lindholm eine Komposition für eine Single geschrieben hat, die sich auf jene Band bezieht. Jan Gunnar Hoff hingegen nahm uns musikalisch nach Nordnorwegen mit, wo er lebt: nach Bodø südlich von Tromsø. So ließen wir uns dann noch auf „Fly North“ ein und entschwebten der Bischofsstadt Paderborn.. Sehr persönlich war schließlich der Titel von Carsten Lindholm über die Dankbarkeit und darüber, wie er einen Weg gefunden hat, dankbar zu sein und weniger herumzumeckern, wie er es in einer kurzen Ansage erläuterte. Damit ging ein Abend der musikalischen Kontemplation zu Ende. Nein, er hatte nichts Meditatives, aber schon hier und da Besinnliches und Entspannendes. Die schönen Melodien, die im Fokus standen, waren gewiss dafür verantwortlich.
Text und Fotos: © Ferdinand Dupuis-Panther / Anne Panther
Jazzclub Paderborn
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Line-up
Jan Gunnar Hoff, piano (NO)
Jasper Somsen, bass (NL)
Carsten Lindholm, drums (DK)
Interview with Carsten Lindholm
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