In einer sehr intimen Formation präsentierten sich die beiden in Köln beheimateten Musiker Filippa Gojo (Gesang, Shruti-Box, Kalimba, Sansula) und Sven Decker (Bassklarinette, Klarinette, Melodica, Glockenspiel) an diesem Abend in der „Schwarzen Kiste“. In der Ankündigung zum Konzert konnte man nachstehende Zeilen lesen: „Was haben die menschliche Stimme, eine Shrutibox, Kalimba und Sansula mit der Klarinette/Bassklarinette, dem Glockenspiel und der Melodica gemeinsam?
Durch die Erzeugung all ihrer Klänge entstehen Sounds, die den Zuhörer fordern, wie zugleich betören und umarmen können, ihn mitnehmen auf eine Wanderung durch den Kosmos schräger und wohlklingender Akkorde und ihn abstrakte und zugleich zupackende Rhythmen mitfühlen lassen.
“
Filippa Gojo und Sven Decker gaben Klängen, Akkorden, Intervallen und Rhythmen eine besondere Richtung. Dabei changierte Filippa Gojo zwischen scheinbarer Sprachlichkeit und instrumentaler Formulierung. Morpheme und Silben ersetzten über weite Strecken jede Form von lyrischen Versen. Nein, Scat oder auch indischer Rhythmusgesang stand nicht auf dem Programm. Vereinzelt gab es mal eine Anwandlung von Jodler oder Artverwandtem. Zumeist aber ging es um ein harmonisches Zusammengehen zwischen Alt und Sopran der Stimme mit dem satten und sanften Klang der Bass- und der B-Klarinette, die Sven Decker zum Leben erweckte.
„Blues for Bud“ - eine Hommage an den Schauspieler Bud Spencer – gaben die beiden Kölner Musiker ebenso zum Besten wie ein „Sommerlied“, auch wenn es so gar nicht sommerlich war, sondern kühl-nass in Münster. In Entsprechung zu Filippa Gojos Lautmalereien fiel der Song „Quarten waten im Wattenmeer“ aus, zumindest vom Titel her. Quarten sind es, die, so Sven Decker, die Basis der Komposition bilden. Dass man auch bei hochsommerlichen Temperaturen den Probenraum von innen sieht, floss in Sven Deckers Werk „39,3 Grad Celsius“ ein. Neben einigen neuen Songs präsentierte das Kölner Duo auch Bekanntes aus dem Album „daheim“, so das Stück gleichen Titels, aber auch „Train Journey“, Ausfluss einer gemeinsamen Zugfahrt von Passau nach Köln. So scheint dann auch immer wieder mal Biografisches in die Songs eingeflossen zu sein. Auch „Elephant's Walk“ und „Zirbenwald“ waren an diesem Donnerstagabend im März noch zu hören.
Unterdessen, so verriet es mir Sven Decker im Vorgespräch, habe man so viel Material, dass man ernsthaft über ein weiteres Duo-Album nachdenke. Dass die minimalistische Besetzung einhergehend mit einer minimalistischen Instrumentierung durchaus reizvoll sein kann, unterstrich das Konzert von Anbeginn.
Durchaus mit einem Hauch von Blues kam die Hommage für Bud Spencer daher, entstanden auch aus der Erinnerung von Sven Decker an die vielen Western mit dem Haudegen Bud Spencer an der Seite des blauäugigen Terence Hill, Ikonen des legendären Italo-Western, der auch immer mit einem Augenzwinkern einhergeht. Dem Lauf von Filippas Stimme, die sich auch in Dubaduba und Gujadadu „verlor“, folgte Sven Decker mit seinem Holzbläser. Das war nicht lyrisch ausgebreitet, sondern auch immer mit rhythmischen Akzenten versehen, auch beim Lalalolaloloha von Filippa Gojo. Ähnlich wie die Klarinette ließ die aus Bregenz gebürtige Vokalistin ihre Stimme klangvoll fließen, breitete einen weichen Stimmteppich aus, dabei auf Süßlichkeit und kitschige Anmutungen völlig verzichtend.
Zur instrumentalen Reduktion, von der mir Filippa Gojo im Vorgespräch verriet, dass diese für sie essenziell für den kreativen Prozess sei, gehörten für mich auch Kalima und Melodica, wie sie beim „Summer Song“ zu hören waren. Die vibrierende, teils wimmernde Melodica – teilweise auch an ein Akkordeon abseits vom Hamburger Hafenkonzert erinnernd – traf auf Stimmschleier, mal Alt und mal im hohen Sopran. In der Begleitung war eine ostinato Kalimba zu vernehmen, zeigte sich die „Daumenharfe“ in einer gewissen Beharrlichkeit und Klangwiederholung. Pling, Pling und Plong gingen vom Xylophon aus, das ebenso mit im Spiel war. Man vernahm ein Auf und Ab des Vokalen, beinahe als „Kontrapunkte“ zu den gezupften Lamellen der Kalimba zu begreifen.
Dass und wie man mit dem Einsatz eines kleinen Megafons eine stimmliche Verfremdung erzielt, konnten die Anwesenden beim „Quartenstück“ erleben. Ohne Basslastigkeit zeigte sich die Bassklarinette, die Sven Decker als Stimmbegleitung einbrachte. Derweil hörten wir Dadadudadidu und Ähnliches … Dabei war auffällig, dass die Stimmläufe von Filippa Gojo sich jeder verbalen Beschreibung eigentlich entziehen. Teilweise vermeinte man auch ein Ätschibätschi und irgendwelche Kinderabzählverse zu vernehmen, obgleich die Sangeskunst nur aus Silben und Morphemen bestand. Obertöne schien es noch obendrein zu geben. Schnalzen und Klicklaute vervollkommneten den akustischen Eindruck von „Quarten im Wattenmeer“.
Müsste man bei „Hazy Memories“ nicht Getragenes und stimmliche Nebelschwaden erwarten? Gewiss, und so vernahm man auch eine beinahe wehklagende B-Klarinette und einen getragenen Duktus. Auch die Melodica stimmte in dieses Klangbild ein, obgleich man stets erwartete, dass in Schunkelmusik gewechselt werde, blieben diese Momente aus.
Die Trägheit, die ein sehr heißer Sommertag mit sich bringt, fingen Filippa Gojo und Sven Decker bei „39,3 Grad Celsius“ sehr überzeugend ein. Die Klarinette signalisierte dabei durchaus auch das Bild von flirrender Luft, derweil die Shruti-Box in einem wiederkehrenden einsilbigen Tonschwall erstarrt schien. War da aber nicht im weiteren Verlauf auch das Surren eines Ventilators zu vernehmen, mal von wedelnden Fächern ganz zu schweigen?
Dass Filippa Gojo, wenn sie denn Verse vorträgt, dies bevorzugt in ihrer Muttersprache, dem Vorarlberger Dialekt, tut, unterstrich der Titel „daheim“, von dem immer nur einige Sprachfetzen wirklich zu dechiffrieren waren, sodass es zwischen dem lautmalerischen Gesang und diesem „lyrischen Gesang“ für die Zuhörenden kaum eine Unterscheidung gab.
Mit weiteren Songs aus dem Album „daheim“ wurde der Abend abgerundet. Er zeigte, die Bandbreite eines Duos, in dem die Stimme auf verschiedenen Ebenen eine tragende Rolle spielt. So ging ein Konzert zu Ende, das in der Reihe „Bandleaderinnen“ stattfand und bei dem jeder der Anwesenden auf seine Kosten kam, auch wenn es kein Scat Vocal zu hören gab. Es ging ja auch nicht um die „Ladys im Jazz“ wie Ella Fitzgerald oder Bessie Smith, sondern um Flippa Gojo und Sven Decker. Man darf im Übrigen auf deren weiteres Albumprojekt durchaus gespannt sein.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Filippa Gojo
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Sven Decker
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