Die Sparda Jazz Lounge - Leon Plecity Quintett

Kunsthalle Recklinghausen 8. März 2024



Das Leon Plecity Quintett debütierte 2019 mit dem Album „Otherworld“ (JazzHausMusik) und gastierte u.a. im Jazzclub Minden, der Jazzschmiede Düsseldorf sowie bei den Jazz Nights Langnau in der Schweiz. Die Band war Finalist des Jungen Deutschen Jazzpreises 2019 und spielte 2021 im Rahmen des Sparda Jazz Awards auf der Jazz Rally Düsseldorf. Das waren die kurzen Infos im Vorwege der Veranstaltung.

Auf der Homepage der Band lesen wir unter anderem: “Leon Plecity gründet 2017 in Köln zusammen mit Felix Ambach am Schlagzeug, Roger Kintopf am Bass und Niklas Roever am Piano sein Quartett, mit dem er sich ausschließlich auf eigene Kompositionen fokussiert. Nach zwei Touren erweitert sich die Band mit Julius Gawlik am Tenorsaxophon zum Quintett und nimmt 2018 in den Topaz Studios Köln ihr Debütalbum „Otherworld“ auf, das 2019 bei Jazzhausmusik erscheint.“



 
Ingo Marmulla, artistic director & Kerstin Weber, deputy director of the Kunsthalle Recklinghausen




Das aktuelle Konzert-Line-up sah allerdings einen anderen Schlagzeuger als oben genannt auf der Bühne der Kunsthalle, nämlich Alexander Parzhuber. Und auch am Bass hörten wir statt Roger Kintopf Luca Müller. Schließlich komplettierte Julius van Rhee am Altsaxofon die Band, sprich es waren nur zwei Musiker der Originalbesetzung in der Kunsthalle Recklinghausen zu hören. Das tat dem Hörgenuss jedoch keinen Abbruch. Das mag wohl allerdings der Grund dafür gewesen sein, dass vor allen Musikern Notenständer standen, auf denen die Notenblätter lagen. Der eine oder andere schaute auf diese durchaus intensiv. Auffallend war dies beim Schlagzeuger, aber nicht nur bei diesem. Übrigens, Niklas Roever spielte beim Konzert kein E-Piano, sondern ein Wurlitzer Rhodes, teilweise mit Verzerrungen und statt eines klaren Tons ein Tonschwirren. Zumindest war das der Höreindruck im ersten Konzertteil.


© ap


Nicht bis auf den letzten Platz war die Kunsthalle besucht. Zugegen war ein sehr interessiertes und aufmerksam der Musik lauschendes Publikum. Gut für alle Beteiligten. Sonst erlebt man ja auch schon mal während des Konzerts quasselnde Anwesende. Diesmal zum Glück nicht. So konnte man sich ganz und gar dem melodiösen Spiel des Quintetts hingegeben. In diesem hatte jeder der Musiker frei zu bespielende Räume. Leon Plecity stand also keineswegs ausschließlich im Fokus. Mal gab es „Duetts“ zwischen Altsaxofonisten und Gitarristen, mal auch ein intensives Zusammengehen zwischen dem Mann am Wurlitzer Rhodes und dem am Schlagzeug. Immer wieder wendeten sich die Musiker zueinander, ließen auch durch Haltungen die Interaktion erkennen. Dass alle am gemeinsamen Spiel Spaß hatten, zeigte das breite Grinsen und Lächeln in den Gesichtern. Da wurde eben nicht ein Programm heruntergespielt und abgeliefert, sondern differenzierter Spielwitz entfaltet. Dies zog die Zuhörer in den Bann, die, dass mal vorweggesagt, am Ende durch herzlichen Applaus auch für eine Zugabe sorgten.

  
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Gespielt wurden neue, aber auch ältere bereits veröffentlichte Stücke des Quintetts. Die Titel der Stücke zu finden, sei, so Leon Plecity, ein Prozess im Nachgang des Komponierens. Nur bei „Ondine“ sei das anders gewesen, basiert der Titel doch auf einem Film, in dessen Mittelpunkt ein irischer Fischer steht, der in seinem Netz eine (Meerjung)frau fängt. Diesen hatte der Gitarrist gesehen, bevor er das Stück vollendete.

Mit „Arkight“ wurde der frühe Abend in der Kunsthalle eröffnet. Vordergründige Akteure waren das Zweigespann Gitarrist-Saxofonist. Was Leon Plecity seinem Saiteninstrument entlockte,. glich einer farbenfrohen Klang-Gouache bisweilen auch einer Klang-Aquarellierung. Kristallines vereinte sich mit klanglichem Feingespinst. Und beim Zuhören hatte man den Eindruck, dass im Geiste auch Wes Montgomery und Attila Zoller anwesend waren, vor allem aber viel Leon Plecity. Auch wenn zu Füssen des Gitarristen ein „Effektboard“ platziert war, gab es keine Effekthaschereien, die das Spiel bestimmten. Der Klang einer puren Jazzgitarre ganz in der Tradition der Granden dieses Instruments war zu hören.

  
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Im Hintergrund bearbeitete der Schlagzeuger bisweilen wie ein Berseker Felle und Becken. Kaskadierende Klänge, teilweise mit Verzerrungen, steuerte der Pianist in einem Solo bei. Klangen da nicht mit jedem Tastenschlag immer mehrere statt einer Frequenz je Taste mit? Dabei musste man beim Zuhören zudem daran denken, dass die Klänge auch einem Synth oder einem Fender Rhodes entsprungen sein könnten. Doch nein, ein elektromechanisches Wurlitzer Rhodes bzw. Piano mit 64 Tasten statt der 88 eines konventionellen Pianos war im Spiel mit zwei Händen, bisweilen auch einhändig gespielt. Fordernd war im weiteren Verlauf das Schlagwerkspiel, auch wenn Beckenschwirren aufkam und die Standing Tom dröhnte.

  
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Zum melodischen Ansatz, den das Quintett pflegte, gehörten die weichen Sequenzen, die der Altsaxofonist zum Ganzen beisteuerte. Auch der Drummer durfte sich in einem Solo präsentierten. Doch stets fand das Quartett zurück in das motivische Thema. Getragen war die Saxofonstimme, die sich ab und an mit den Klangsprüngen des Wurlitzer Pianos vereinte. Im Hintergrund auf der Bühne stehend, sorgte der Bassist für ein gewisses stabiles Grundgerüst, in dem sich seine Mitmusiker bewegen konnten. Im Laufe des Spiels hatte man den Eindruck, die Musiker wandelten sich zu Geschichtenerzählern, ließen uns teilhaben an einer Fahrt im Coupé durch sattgrüne, wellige Landschaften, derweil die Sonne am Himmel lachte. Letzteres bezog sich vorrangig auf den zweiten Track des Abends namens „Waves Of Light“.

  
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Mit „Further Than They Appear“ wurde das Programm fortgesetzt. „Beckenschneegestöber“ traf auf glockenhelle Sequenzen, die Niklas Roever auf den Tasten erzeugte. Mit gekonntem Fingerspiel ohne Plektronnutzung brachte der Gitarrist Leon Plecity seine E-Gitarre zum Klingen. Da gab es kein Wimmern und kein Jaulen, sondern pure Saitenklänge, wahrlich ein akustischer Hochgenuss. Samten und eher an ein Flügelhorn erinnernd, so erklang das Altsaxofon. Zu diesem gesellte sich der Gitarrist gleichsam als zweite Stimme. Doch im Verlauf sollte ein Gitarrensolo folgen. Gelegentlich wurde aus dem Quintett ein Quartett. Dann schwieg der Pianist für einen Moment. Drumming mit Stakkatos auf gedämpften Fellen war Teil der musikalischen Inszenierung, zu der eben auch das „Fragmentieren“ des Ensembles gehörte. Tänzelnd in Wellenbewegungen so gestaltete sich das Saitenspiel des Gitarristen im Weiteren. Zirkuläres nahmen wir obendrein wahr, dank an Leon Plecity. Beim Zuhören traten Bilder von der urbanen Hektik in den Vordergrund. Doch auch ruhende Pole inmitten der Unrast ließen sich ausmachen. Schließlich gab es Erinnerungsmotive an eine Stadt im Feierabendmodus ohne Partygänger. Schlug da nicht auch eine Turmuhr, derweil die Zeit voranschritt?

  
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Hätte Leon Plecity den Film „Ondine“ nicht kurz erwähnt, man hätte beim Hören des Stücks durchaus an aufspritzende Wogen ähnlich wie in japanischen Holzschnitten denken können. Jedenfalls war Plecitys Saitenspiel so ausgefeilt, dass es zu einem derartigen Bild passte. Der stete Bass im Tiefgang ergänzte das Gitarrenspiel und ließ an das Röhren des Meeres denken. Für zarte Klangverwischungen sorgte der Altsaxofonist. Sollten wir dabei an eine laue Brise über dem Wellental des Meeres denken?

Wie es zu dem Titel „Halcyon Bird“ für das nachfolgende Stück gekommen ist, verriet ist Leon Plecity leider nicht. Übersetzt man den Titel, dann wäre Baum-Eisvogel im weitesten Sinne richtig. Es sind Vögel, die in verschiedenen Arten in Afrika vorkommen. Übrigens auch der „Lachende Hans“ aus Australien gehört zu der Familie der Eisvögel. Aber diesen konnte man beim musikalischen Vortrag nicht hören. Stattdessen vermischte sich tonales Flirren, auf dem Wurlitzer-Piano erzeugt, mit dem Schlägelspiel des Drummers. Bei den Passagen, die Julius van Rhee zu Gehör brachte, konnte man durchaus an die musikalische Umsetzung eines Vogelflugs denken, vielleicht auch an das pfeilschnelle, senkrechte Eintauchen eines Eisvogels ins Wasser, um anschließend mit einer Beute im Schnabel wieder aufzutauchen. Schwebend und gleitend bewegten sich die Saxofonklänge durch den Raum.


© fdp

Im zweiten Teil des Konzertes hatte man mehr und mehr den Eindruck, auch Fusion  und Jazz Rock sei mit im Spiel. Auf alle Fälle wurde die Musik rockiger, unter anderem auch bei „Clarity“. Dieses Stück sollte, so die Ankündigung dann der Schlussakkord des Konzerts sein. Doch da hatten die Musiker nicht mit der Begeisterung des Publikums gerechnet. Mit rhythmischem Klatschen forderte dieses eine Zugabe. Und die gab es dann schließlich, an einem Tag von historischer Bedeutung.

Es war der Internationale Frauentag. An diesen erinnerte Leon Plecity kurz, indem er auf die mangelnde Präsenz von Musikerinnen nicht nur im Jazz verwies. Nur 20 % der Jazzmusiker seinen weiblich und von dieses 20% seien 26 % Vokalistinnen. Doch das ändere sich mit der nächsten Generation, die an den Hochschulen ausgebildet werde. Die Zahl der Instrumentalistinnen wachse und auch die Zahl der unterrichtenden Musikerinnen an den Hochschulen. Doch es könnten ja noch immer mehr sein. Bemerkenswert war dieses Statement, denn häufig sind Musiker/innen auf der Bühne eher wortkarg und verweisen auf ihre Klangpräsenz.

Übrigens und das zum Schluss: Ohne die Kulturstiftung der Sparda Bank West wäre die Konzertreihe in der Kunsthalle Recklinghausen, aber auch andere Veranstaltungen  nicht möglich! Und das alles ist in Recklinghausen eintrittsfrei (!!) zu erleben.

© fotos und text anne panther/ferdinand dupuis-panther




https://leonmariaplecity.de/quintett/

Line-up
Leon Maria Plecity, Gitarren & Komposition
Niklas Roever, Wurlitzer Rhodes
Julius van Rhee, Tenorsaxophon
Luca Müller, Kontrabass
Alexander Parzhuber, Schlagzeug

Tracklisting
- Arkight
- Waves Of Light
- Further Than They Appear
- Ondine
- Halcyon Bird
- Otherworld
- Dawn
- Clarity
plus Encore


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