Am 29. Oktober 2016 war es wieder soweit. Das Felix-Fechenbach-Haus verwandelte sich in ein Mekka der Jazzliebhaber. Das Haus war zwar nicht restlos ausverkauft, aber gut besucht. Den Anfang des Konzertabends machte die Komponistin und Klarinettistin Rebecca Trescher mit ihrem elfköpfigen Ensemble. Der Moderator des Festivals stellte bei der Vorstellung der Band die Frage, ob man denn nun Neue Musik, Kunstmusik oder Jazz erwarten dürfe, zumal ja die Instrumentierung der Band mit Harfe, Cello, Querflöte, Stimme und Marimbafon für ein Jazzensemble eher ungewöhnlich anmute.
Elf konzertante Häupter: das Rebecca Trescher Ensemble 11
Dicht gedrängt standen die Musiker auf der Bühne, teilweise hinter den Notenpulten kaum zu erkennen. In der vordersten Reihe hatten die Holzbläser Aufstellung genommen. Das war zugleich auch ein Statement zu den Hörfarben, die zu erwarten waren. Vor allem die beiden Saxofonisten, Konstantin Herleinsberger und Markus Harm, aber auch der Flötist Hironaru Saito sowie die Bandleaderin Rebecca Trescher hielten das musikalische Zepter über weite Strecken in der Hand. Das bedeutete nun nicht, dass sich die anderen Musiker, ob der Harfenist Anton Mangold oder der Cellist Florian Bischof, nicht solistisch zeigten. Doch die musikalische Dominanz gehörte halt den oben genannten Holzbläsern.
Malachit und eine kleine Spinne
Mit der Komposition „Malachit“ eröffnete das Ensemble den musikalischen Reigen. Malachit ist ein Schmuckstein, der ausschließlich in grüner Farbe vorkommt, die in gebänderten Nuancen zwischen Hellgrün bis Schwarzgrün auftritt. Bereits bei der Ankündigung konnte man also darauf gespannt sein, ob sich die grünen Nuancen in entsprechenden musikalischen Facetten wieder entdecken lassen.
Perlende Klavierpassagen nebst dezentem Spiel am Schlagwerk ließen aufhorchen. Samtene Atemrohrklänge im Tenor verschwammen mit bassigen Klarinettentönen. Hinzukamen zarte Flötentöne und ein Saxofon in Altlage sowie die Harfe. Nur hier und da war aus dem Hintergrund das Vibrafon auszumachen. Ein stark rhythmisch durchsetztes Solo des Tenorsaxofonisten Konstantin Herleinsberger setzte ein erstes Ausrufezeichen. Zwischen der tief gestimmten Klarinette und den „Obertönen“ des Flügels entdeckten die Zuhörer den schillernden Schmuckstein oder eben auch nicht. Bei der Ankündigung von „Seeking Spider“ – sie hatte Rebecca Trescher in ihrem Schlafzimmer entdeckt und daraus die Inspiration zur Komposition gewonnen – fragte man sich, wie man wohl ein achtbeiniges Geschöpf musikalisch einfangen könne. Als Anton Mangold die Saiten seiner Harfe zupfte, konnte man sich das geschäftige Netzspinnen durchaus vorstellen. Nach einer überraschenden kurzen Spielpause war es dann an Hironaru Saito, uns mit den Flötentönen die filigrane Arbeit des Netzspinnens zu vermitteln.
Von einem widerlichen Vermieter
Wer erwartet hatte, dass die Tieftöner des Ensembles – Bassklarinette, Cello und Kontrabass – ihre Sternstunde erleben würden, als das Ensemble „Düsteres Dunkel“ spielte, musste sich eines Besseren belehren lassen. Irritation machte sich breit, denn wirkliches Dunkel war in den Hörfarben nicht beigemischt. Bei „Die Hexe und der Knecht“ vertonte Rebecca Trescher nicht etwa ein modernes Märchen, sondern ihre unschönen Erfahrungen mit einem Vermieter, wie sie kurz erläuterte. Das Cello, mit „dunklem Strich“ gespielt, deutete schon an, dass Zoff und nicht Harmonie auf der Tagesordnung standen. Streit, lautstarken Streit, signalisierten die Phrasierungen des Pianisten. Auch der Kontrabassist und der Drummer beteiligten sich an der Dramaturgie. Die Sängerin Agnes Lepp mischte sich mit „Drdrdrdr“ und „Bödodo“ bzw. ähnlichen Lautmalereien in die angespannte Situation ein. Beharrlich verfolgte der Pianist Andreas Feith seinen Energie sprühenden Spielduktus, der eben Beharren auf der eigenen Position verriet.
Vorhang auf für contrast
Wer an ein klassisches Jazztrio denkt, der denkt an Keith Jarrett oder an Bill Evans. Doch contrast hebt sich in der Spielweise und Konzeption, in der Samples und Effekte ihren nicht unwesentlichen Platz haben, deutlich von den gängigen Trios ab, auch wenn die Besetzung mit Flügel, Kontrabass und Schlagzeug durchaus „klassisch“ zu nennen ist. Ergänzt wurde diese Instrumentierung noch durch zwei Keyboards und ein Allerlei aus dem „elektronischen Wunderkästlein“.
Klänge im Halbdunkel
Die Bühne war in ein rötliches Halbdunkel getaucht. Zwei Papierlampions waren Teil der Bühnenbeleuchtung. Nur schemenhaft waren die drei Musiker auszumachen: Yuriy Sych am Piano und an Synthesizers, Tim Roth am Bass und für Sound Effects zuständig, Martin Standke an den Drums, aber auch für Samples und für Percussion verantwortlich.
Wie mir der aus der Ukraine gebürtige Pianist Yuriy Sych in einem kurzen Vorgespräch verriet, sei der Bandname von ihm ursprünglich für ein Quartett deshalb gewählt worden, weil es in der Musik um kontrastreichen Stilmix geht. Das gelte nun auch für das aktuelle Trio contrast.
Ene Klangbö und folkloristische Beigaben
Im Verlauf des Abends mussten sich die Zuhörer auf vielerlei Hörfarben einlassen. Knattern und Knistern gab es zu hören. Morsezeichen schienen abgesetzt zu werden. TttTttTtt und Tacktack mit dumpfen Beifarben drangen ans Ohr der Anwesenden. Die Bassdrum wurde kräftig angesprochen. Ein Glockenspiel erklang; Klingeltöne wurden eingestreut. Melodische Passagen entlockte Yuriy Sych seinem Tastenmöbel allerdings auch. Auch der Griff in den Flügelleib war Teil der musikalischen Inszenierung. Der gestrichene Bass kam zu Wort, als uns contrast den „Wind“ um die Ohren blies. Gefolgt wurde die klangvolle Windbö von „Slow“: Ein samtener Keyboardsound vermischte sich mit harten Trommelschlägen. Mit einem folkloristischen Beigeschmack – ob vom Balkan sei mal offen gelassen – kam die Komposition „Die Runde“ daher. Die Vorstellung, man wohne einem Rundtanz bei, drängte sich beim Hören durchaus auf.
Ein Schluck Apfelwein
„In the bottle“ sei doch wirklich typisch für Frankfurt, die Stadt der Banken und Hochhäuser, aber auch des Apfelweins. Man habe die Flasche geleert und sie dann in ein Perkussionsinstrument umfunktioniert. Diesen Sound habe man aufgenommen und nutze ihn beim Stück als Sample, so der Pianist der Band. Bei diesem sehr auf die Rhythmen abgestellten Stück wurde dann bildlich der Geist aus der Flasche gelassen. Mit „The Shutter“ sollte eigentlich das Konzert beendet werden. Da aber noch Zeit war, folgten gleichsam als Zugaben zwei kurze Stücke. Wer die Musik von contrast aufmerksam verfolgte, der meinte bisweilen, es handele sich um Kraftwerk und Can reloaded, elektronisch fokussierte Musik, die in der Zeit von Hip-Hop, Rap, Techno und Acid Jazz genau den Zeitgeist widerspiegelt.
Es geht um Farben: Nicole Jo 4tett
Mit dem Quartett um die aus dem Saarland stammende und in Zürich beheimatete Saxofonistin Nicole Johänntgen wurde der erste Abend des Festivals beschlossen. Angesichts der vorgerückten Stunde und der bisherigen Klangerlebnisse hatte allerdings eine Reihe von Festivalbesuchern das Felix-Fechenbach-Haus bereits verlassen. Die Reihen waren merklich ausgedünnt, als Nicole Jo ihr vor Energie ungebändigtes Spiel begann, dabei zeitweilig die schwierige Akustik des Saals außer Acht lassend.
Das Beatige aus Amerika
Vor einiger Zeit konnte ich die Musikerin aus dem Saarland interviewen. Zu ihrer Musik und ihren Wurzeln sagte sie: „Ich habe mich für Jazz erst interessiert, als ich angefangen habe zu studieren. Während meines Studiums habe ich meine Aufmerksamkeit auf Amerika gerichtet, weil von dort her die berühmtesten Saxofonisten stammen. Nordeuropa hat mich aber auch interessiert. Wenn ich an meine letzte CD 'Go On' und an den Song 'Go On' denke, dann merke ich, dass der Song so weit und so sphärisch ist, also an den Norden erinnert. Das ist auch bei der neusten CD 'Colours' der Fall. Ich habe wohl anfänglich mehr auf Dexter Gordon und Cannonball Adderley geschaut. Cannonball war mein erster Heroe auf dem Altsaxofon. Ich erinnere mich aber auch daran – und das ist ganz lustig das Phänomen -, dass mir mein erster Saxofonlehrer in Sulzbach (Saarland) Platten von Jan Gabarek gegeben hat. Da war ich 13. Ich habe die CD aufgelegt und nach dem zweiten Stück ausgeworfen, weil ich überhaupt nichts damit anfangen konnte. Die Musik war irgendwie so weit. Damals war es halt so, dass ich Grooves und Beats brauchte. Mit 19/20 habe ich angefangen Sopransaxofon zu spielen und fand Gabarek dann ganz toll (Lachen aus vollem Herzen). Ich denke, ich brauche beides: das Beatige aus Amerika und das Sphärische aus Skandinavien.“
Genau in diesem Kontext war auch das spätabendliche Konzert angesiedelt, bei dem Titel aus dem Album „Colours“ vorgestellt wurden, angefangen bei „Saturday Rain“ über „Lovely thing“ und „30/50“ bis hin zu „Overnight“.
Ein Klangtsunami
Eine Riesenklangwelle ausgelöst durch das Sopransaxofon rollte bildlich durch den Saal. Dazu gesellte sich Grillen- und Zikadenzirpen, so der Eindruck der eingestreuten Effekte. Durch die Stimmgewalt des Saxofons, sicherlich auch bedingt durch Verstärkung und Hall, war der Zuhörer kaum in der Lage, bei „Saturday Rain“ die klanglichen Nuancen wahrzunehmen, die Stefan Johänntgen an den Keys erzeugte.
Als der Song „Butterfly“ seinen Anfang nahm, hatte man nicht den Eindruck, es werde der leichte Flug eines Schmetterlings nachgezeichnet. Dazu fehlte dem Spiel die zurückgenommene Leichtigkeit. Stattdessen setzte sich im Duktus und in den Klangfarben fort, was sich bereits bei „Saturday Rain“ andeutete: Rotzigkeit, Derbheit, Schwere, Energielast und Atemrohrdominanz.
Ein UFO wurde bespielt
Ein metallicblau schimmerndes „Ufo“ wurde vom Drummer Elmar Federkeil zum Klingen gebracht. Man hörte zu und dachte an Klangschalen und Gongs. Doch es handelt sich bei dem Instrument um eine Abwandlung des Schweizer Klanginstruments namens Hang. Dieses Instrument wurde 2000 von Felix Rohner und Sabina Schärer in Bern erfunden. Es besteht aus zwei miteinander verklebten Halbkugelsegmenten. Auf der oberen Halbschale befinden sich Klangfelder ähnlich der Steelpan. Steelpan ist ein gutes Stichwort, denn während Elmar Federkeil mit den Handflächen die Klangfelder bearbeitete, hatte man den Eindruck, man höre tatsächlich die Beats der Karibik.
Mit „Overnight“, eine über Nacht geschriebene Komposition von Nicole Jo, beendete der Berichterstatter einen langen Konzertabend, der klangbunte Vielfalt bot.
Gitarre trifft auf Horn: Joe Krieg & Hornedition
Der Saal war am Sonntag im Gegensatz zum Vortage viel besser gefüllt. Kein Wunder, denn die Musiker, die die ersten beiden Konzerte bestritten, spielten sozusagen in ihrem Wohnzimmer. Dieses Würzburger Heimspiel zog erfreulicherweise viele junge Besucher unter 30 an!!
Eine Hommage an Pat Martino
Ohne viel Vorrede begann das Konzert des Quartetts um den Gitarristen Joe Krieg. Zu diesem gehörten an diesem Abend der Bassist Friedrich Betz und der erstmals mit der Band spielende Pianist Joachim Kern, der sich extra für dieses Konzert in den Stoff eingearbeitet hatte. Am Schlagzeug agierte mit großem Feingefühl Uli Kleideiter. „Martino“ war die Eröffnungsnummer des Abends. Da war doch was in der Jazzgeschichte? Richtig! Joe Krieg hat diese Komposition dem us-amerikanischen Jazzgitarristen Pat Martino gewidmet. Dabei fiel auf, dass Kriegs Spielansatz durchaus auch Affinität zu den Heroen der Jazzgitarre wie Joe Pass und Jim Hall aufwies. Beim Zuhören mit geschlossenen Augen konnte man sich beim Melodielauf ausgelassen hüpfende Kinder auf der Spielwiese und lachende Elternpaare vorstellen.
Durchaus sehr kommunikativ aufgelegt sagte Joe Krieg nicht allein die Titel an, sondern erzählte auch immer ein wenig über deren Entstehung. Seiner Tochter hatte er seinen Song „Aurelie“ gewidmet. Neben dem Quartett waren bei „Aurelie“ auch die Hörner der Hornedition auf der Bühne anwesend, der Flügelhornist und Trompeter Christoph Lewandowski und der Flötist, Klarinettist und Saxofonist Dirk Rumig. Deren Spiel bewegte sich auf Augenhöhe mit dem des Gitarristen, der erfreulicherweise keine musikalische Hegemonie an den Tag legte. Leichtigkeit und Beschwingtheit umfingen die Zuhörer im Saal. Das Solo von Christoph Lewandowski klang so, als habe er sich eine spannende Geschichte ausgedacht, die Aurelie fesseln sollte.
Bei „Un été voyageur“ („Ein Sommerreisender“) handelt es sich um den Namen des Laden der Cousine von Joe Krieg, die in Südfrankreich Kunsthandwerk aus Marokko verkauft, so erfuhren die Anwesenden. Es sei quasi ein Auftragswerk, so fügte Krieg an. Ohne diese einführende Bemerkung hätte man beim Klang des „samtenen“ Flügelhorns an eine milde Seebrise denken können, an aufgeregt auffliegende Möwen über unseren Köpfen, an Rollerskaters auf der Strandpromenade. Der Pianist Joachim Werner – nicht wie im Programm angegeben Marco Netzband – war, um im gewählten Bild eines Sommers am Meer zu bleiben, für die Figuration der Wellen zuständig. Säuselnden Wind in den Dünen vermittelte der Flötist Dirk Rumig. Nach und nach umfing die Zuhörer ein Gefühl von Karibik und Barcadi Rum. Diesen Vergleich möge mir Joe Kern verzeihen.
Himmelsgucker und Swing
Anschließend wurden wir zu Himmelguckern gemacht: „Regarde le ciel“ stand auf dem Programm, gleichfalls aus Kriegs Feder stammend. Sehr dynamisch war das weitere Programm gestaltet. Bei „Captain Odd“ oder Captain Blaubär oder Captain Cook – so Kriegs eher lakonisch wirkende Anmerkung – stand nur das Quartett auf der Bühne, bei anderen Stücken wieder das Quartett mit der Hornedition. Dadurch ergab sich ein sehr rhythmischer Wechsel der Klangfarben – eine sehr gelungene Dramaturgie.
An diesem Abend wurde auch der Swing zu neuem Leben erweckt, als „Buzis Mood“ zu hören war. Gewidmet ist dieser Song Kriegs Schwager, einem in Wien lebenden Musiker mit einem Faible für klassische Swingmusik. Was wir hörten, klang nach Tanztee für ergraute Swingfreunde, denn es ging rhythmisch sehr gemächlich zur Sache. Von Hop and Drop und Lindy Hop konnte keine Rede sein. Das machte rein gar nichts. Das Publikum spendete herzlichen Beifall und hätte Joe Krieg und seinen Mitmusikern wohl noch viel länger zugehört, aber es wartete ja schon die nächste Band auf ihren Auftritt.
Happiness ist overrated: Bastian Jütte 4tett
Einführende Worte gab es zwar nicht, aber eingestreute ironische Bemerkungen gab der Münchener Schlagzeuger Bastian Jütte schon von sich. So gewann man – man denke sich das Augenzwinkern und ein schelmisches Grinsen – den Eindruck, man habe es mit einer sehr depressiv und melancholisch gestimmten Band zu tun. Denn Fröhlichsein werde ja gänzlich überbewertet! – so heißt jedenfalls das jüngste Album des 4tetts, das überwiegend aus Hochschulprofessoren besteht, nachdem auch der Pianist Rainer Böhm inzwischen zum Professor ernannt wurde. Neben dem Drummer Bastian Jütte, der seit Jahren sowohl in München als auch in Würzburg unterrichtet, gehörten zur Band der bereits erwähnte Rainer Böhm, der Alt-Saxofonist Florian Trübsbach und der Bassist Henning Sievert.
Dem Pianisten des Quartetts hat Jütte „Rainers Metamorphosen“ gewidmet. Sollte damit ein Bild umgesetzt werden, das Wandel und Verwandlung einschließt? Piano und Saxofon bestimmten die Hörfarben, derweil Jütte behutsam am Schlagzeug agierte. Ein Fingertanz auf den Tasten war wahrzunehmen. Dieser verstetigte sich im Verlauf und nahm Fahrt auf. Zeitgleich zeigte sich Jütte auch mit mehr Verve und Drive, ohne zu einer vorantreibenden Kraft zu mutieren. Einem eher gleichbleibenden Singsang fühlte sich Florian Trübsbach am Saxofon verpflichtet. Das wirkte beruhigend und kontemplativ, gleichsam als Gegenpol zu den wahrnehmbaren rhythmischen Verwandlungen innerhalb des Stücks.
Für einen Lacher im Publikum sorgte die Zwischenbemerkung Jüttes: „Niemand darf lachen. Wir müssen alle traurig sein!“ Das bezog sich auf die durchaus eher schwärzlich gefärbten, vielleicht hier und da wehmütig klingenden Songs, die das Quartett präsentierte. Das traf auch auf „The Prisoner“ zu, von dem man am Ende der Komposition nicht wirklich überzeugt war, er habe sein Verlies endlich verlassen können.
Gelebter Traum und ein Raum voller Bitterkeit
„Living The Dream“ sei ihm als Idee gekommen, so Jütte, als er mit Musikern zusammen gewesen sei, die sich in ihrer jeweiligen Trostlosigkeit zu überbieten versuchten. Das Spiel im Diskant von Rainer Böhm traf beim „gelebten Traum“ mit dem samten gestimmten Altsaxofon zusammen, das sich später über „kristalline Strukturen“ legte, die der Pianist aus den Tastenklängen formte.
Schließlich brachte die Band noch „Room of Sadness“ zu Gehör. Überzogen gefühlvoll erscheint das durchaus geeignete Adjektiv, um die getragene Musik, die beinahe an ein Klagelied erinnerte, zu beschreiben. Man sah bildlich einen Raum vor sich, aus dem man nicht ausbrechen möchte, da die Umgebung überaus unwirtlich erscheint so wie an einem Abend im November mit Dauerregen ohne Unterlass.
Guten Abend, Herr Kurt Weill: Julia Hülsmann Trio feat. Theo Bleckmann
Der Abend war bereits fortgeschritten, als die „ungsungenen Songs“ des aus Dessau stammenden, jüdischen Komponisten Kurt Weill auf dem Programm standen. Weill floh vor den Schergen des III. Reiches erst nach Frankreich und dann in die USA. Bei uns wurde er durch die Zusammenarbeit mit Bert Brecht – es sei an die „Dreigroschenoper“ erinnert – bekannt. Songs wie „Mack the Knife“, „The Bilbao Song“, „Surabaya Johnny“ und „Alabama Song“ entstammen der Feder Weills. Man kennt sie vorgetragen von Lotte Lenya und von Gisela May. Aber gerade um diese Songs ging es Julia Hülsmann in ihrem Projekt nicht, auch wenn „Mack the Knife“ auch auf dem Programm stand.
Loops spielte auch eine Rolle
Es ging am späten Sonntagabend um Vertonungen von Kurt Weill, dem sich die Pianistin Julia Hülsmann auf ganz eigene Weise genähert hat, und um Lyrik amerikanischer Poeten, die bei uns weitgehend unbekannt sind. Schließlich ging es auch um Gesang, denn auf der Bühne stand neben dem Trio von Julia Hülsmann auch der Vokalist Theo Bleckmann. Diese Melange musste man mögen. Zudem musste man auch noch die Konzentration aufbringen, aufmerksam den Phrasierungen von Julia Hülsmann am Flügel und dem teilweise durch Loops und Obertonhaftigkeit verfeinerten Gesang von Theo Bleckmann zu folgen. Kein leichtes Unterfangen zur vorgerückten Stunde.
Wer ist schon vertraut mit Lyrik von Ann Ronell („Your Technique“) oder Maxwell Anderson („September Song“), die von Weill vertont und in Arrangements von Julia Hülsmann und ihren Mitstreitern am zweiten Tag des Würzburg Jazzfestivals vorgetragen wurden? Nur teilweise gelang es wohl den meisten Zuhörern, den Texten komplett zu folgen. Man hörte Sequenzen wie „And when my heart is dancing your way ...“ und „Each night I pray I will leave you ...“, als Theo Bleckmann „Your Technique“ vortrug. Hohe Lagen waren für den Sänger dabei überhaupt keine Hürde! Beinahe minimalistisch agierte nicht nur bei „Your Technique“ das Trio.
Für einen Hausmeister
„Great Big Sky“ (Text Langston Hughes) wurde vorgetragen, ein Lied, das in einem Musical von dem darin auftretenden Hausmeister gesungen werden sollte. Da jedoch die Rolle gestrichen wurde, wurde aus diesem Weill-Song ein ungesungenes Lied. Lauschte man Textfragmenten wie „Before the big sun rises in the sky ...“, so vernahm man zugleich einen von Julia Hülsmann bespielten Flügel, der in seinen angespielten Klangreihungen in unseren Köpfen das Bild einer langsam aufgehenden Sonne entstehen ließ. „How do I feel today … who am I anyway …“ waren Bruchstücke aus „Who I am“, einem Song der sich mit Psychoanalyse und Schizophrenie befasst. Der Text stammt von Ogden Nash, dem, so Theo Bleckmann, auch so sinnige Verse eingefallen sind wie „A bit of talkum is always welcome“
Das Publikum honorierte vor allem den Vortrag von Theo Bleckmann immer wieder mit anhaltendem Applaus. Der Funke schien auf die verbliebenen Zuhörer übergesprungen zu sein.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Rebecca Trescher Ensemble 11
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Contrast Trio
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Review
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Nicole Jo Quartett
Interview in Jazz'halo
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Joe Krieg Quartet & Hornedition
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Review
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Bastian Jütte Quartett
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Reviews
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Julia Hülsmann Trio feat. Theo Bleckmann
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