Münster 6.9.2020
Nach langer Zeit konnte unter strengen Auflagen in der Black Box ein Konzert stattfinden. Die Zahl der Zuhörer war begrenzt, sodass das Konzert einen exquisiten Charakter erhielt. Nicht nur Abstände zwischen den Zuhörern, sondern auch zwischen „Bühnen“- und Zuschauerraum war gegeben. Doch intim blieb die Atmosphäre dennoch. Durch Plexiglasscheiben abgeschirmt, nahmen der aus Slowenien stammende Kontrabassist Jošt Drašler und neben ihm sein Bruder, der Drummer Vid Drašler, in der „Bühnenmitte“ Platz. Eingerahmt wurden die beiden durch den Saxofonisten Florian Walter und den Gitarristen Erhard Hirt.
Die beiden Drašler-Brüder aus Ljubljana, gehören zur jüngeren Generation improvisierender Musiker in Europa. Mit Kontrabass und Schlagzeug wären sie im traditionellen Jazz eine Rhythmusgruppe, doch die beiden haben ihre eigene Klangsprache entwickelt. Da wird der Bogen schon mal durch die Saiten des Basses geschoben, wird auch jenseits des Steges gezupft und gestrichen, werden Saiten im Bündel gegriffen, tanzt der Bogen in kurzen Schlägen über die Basssaiten, werden die Wirbel gelockert und gespannt und das während des Spiels. Der Drummer hingegen lässt seine Sticks und Schlägel zwischen den Becken tanzen, die auch mal in die Hand genommen werden.
Doch nach der Vorrede nun zum Konzert im Rahmen der Reihe „Soundtrips NRW“. Zur Klangcollage des Abends passt dann auch die nachstehende Wortcollage. Gebläse breitete sich aus. Atemzüge strichen durch den Trichter des Altsaxofons, das zum Atemrohr moduliert wurde. Tropfiges Saitengeschwirr mit metallischem Beigeschmack entlockte Erhard Hirt seiner Resonatorgitarre, umgangssprachlich als Dobro bekannt. Gestrichenes Blech forderte den Tinnitus. Monoton kam der Kontrabass daher. Ein Schlagstock tippte kurz eines der Bleche an, das kaum nachschwirrte. Schellen rotierten und wurden nachfolgend abgefangen. Im „Stimmbruch“ befand sich zeitweilig die Dobro. Sinuseskapaden füllten die schwarze Box, derweil der Bassist die Saiten mit dem Bogen anschlug. Schlägel gingen auf Snare und Tom nieder. Tiefgründiges vereinte Florian Walter mit langen Atemzügen, während er Altsaxofon spielte.
Ein Maulschlüssel wurde in Schwingen gebracht, dank an Vid Drašler, der sein kleines Drumskit um dieses perkussive Werkzeug erweitert hatte. Mit aufgeblasenen Backen war Florian Walter zu sehen, der seine Atemluft durch das Mundstück presste. War da nicht auch ein Nebelhorn zu hören? Zartes Glockengeläut nahm man als Nächstes wahr. Knarrend und knarzend äußerte sich der Bass zum Klangteppich, den Erhard Hirt knüpfte. Flirrende Motorengeräusche drangen ans Ohr der Zuhörer und dazu flimmerte das Altsaxofon. Ekstatisch war die weitere Entwicklung. Ein Klangorkan kündigte sich an, entwickelte sich und legte sich auch wieder. Man konnte auch an einen Disput denken, der da vor uns ausgetragen wurde, ganz im Beuyschen Sinne, denkt man an sein Projekt „Jajaja -Neeneenee“! Kehllaute vereinten sich mit Schiffssirenen, so konnte man annehmen. Sticks tanzten über Felle und Blech ohne nachhaltiges Nachschwingen. Trocken war der Klang.
Tiefen und Untiefen lotete Jošt Drašler aus, während Erhard Hirt seine Gitarre wimmern ließ. Klangflächen füllte derweil Florian Walter mit seinem Holzbläser. Schlagzeuger und Bassist wurden ein wenig ins Abseits getränkt, weil sich Erhard Hirt und Florian Walter beinahe schlafwandlerisch auf ergänzende Improvisationen einließen und sich wechselseitig ergänzten und forderten. Klacken, Klicken und Prasseln konnte man bei Erhard Hirts Spiel wahrnehmen. Kristallines Frequenzgestöber wurde erzeugt. Einem Wasserfall glich das, was dann Florian Walter seinem Saxofon abrang. Tat Florian Walter nicht auch so, als spiele er Zurna, ein Blasinstrument mit trichterförmigem Schallbecher?
Während des Fortgangs der Improvisation setzte Florian Walter einen Pfropfen in den Saxofontrichter. RRRR bzw. BRRRBRR vernahmen wir. Ein Dielenknarren war auch auszumachen. Und im Weiteren dachte man auch an ein röhrendes Mofa, oder? Und dann war schließlich Stille – und Beifall.
Noch eine weitere Improvisation gab es zu hören, ehe dann Schluss war. Eine Pause und einen zweiten Konzertteil gab es nicht. Rudelbildung vor der Black Box sollte vermieden werden. Die einstündige Improvisation traf, wie dem Beifall zu entnehmen war, auf großen Zuspruch der Anwesenden. Jeder, der eine Konzertkarte bekommen hatte, war froh, endlich wieder Musik live erleben zu können. Für alle anderen wurde das Konzert im YouTube-Kanal des cuba live gestreamt.
Fotos und Text © ferdinand dupuis-panther
Infos
https://www.cuba-cultur.de
http://www.sploh.si/en/about-sploh/artists/vid-drasler
http://www.sploh.si/en/about-sploh/artists/jost-drasler
http://www.erhardhirt.de
https://florianwalter.yolasite.com
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