Das Ensemble No Tango der Kölner Saxofonistin und Klarinettistin Christina Fuchs, WDR-Jazzpreisträgerin 2014, existiert schon seit einigen Jahren. Christina Fuchs hat mit der Kontrabassistin Ulla Oster eine Jazzmusikerin in ihrer Band, die wie sie auch für die Kompositionen verantwortlich ist. Zur paritätischen weiblich-männlichen Besetzung des 4tetts gehören obendrein der Bonner Akkordeonist Florian Stadler und der Kölner Schlagzeuger und Kalimba-Spieler Christoph Hillmann.
No Tango ist Programm
Der Name des Ensembles ist Programm. So vernahm man es von der Bandgründerin Christina Fuchs gleich zu Beginn. Mit anderen Worten: Die Zuhörer durften keinen Tango erwarten, obgleich ja vielfach die Instrumentierung mit einem Akkordeon fälschlicherweise mit dem argentinischen Tango in Verbindung gebracht wird. Um es klarzustellen: Zum Tango argentino und Tango nuevo gehört das Bandoneon. Dabei denke man u. a. an die Tangovirtuosen Astor Piazzolla oder Dino Saluzzi. Das Akkordeon hat m. E. eher einen folkloristischen Beigeschmack, der z. B. in Frankreich mit Musette zu charakterisieren wäre. Nur gut, dass zu Beginn des Konzerts schon einmal deutlich gemacht wurde, was zu erwarten war.
Die Zuhörer wohnten einer Art Pre-Release-Konzert bei, denn vorgestellt wurde das jüngste Programm der Band, die in 14 Tagen für die Aufnahmen des neuen Albums ins Studio gehen wird. Wie stets trafen sich in der Black Box die Kenner des Jazz, die mit Recht auf ein Ensemble gespannt sein durften, das bereits vor einigen Jahren in Münster aufgetreten war. Innerhalb der Band konnte man sich aber nicht darauf einigen, ob es vor drei oder vier Jahren war.
Von Hochseilakrobatik und Kreisen
Bevor wird uns von den Künsten des „Seiltänzers“ faszinieren lassen konnten, fügte Christina Fuchs noch hinzu, dass man nach fünfzehnjähriger Bandgeschichte es in Sachen Tango auch nicht mehr so genau nehme. Inspiration für die Komposition sei ein Bild von Paul Klee gleichen Namens gewesen, fügte die Multiinstrumentalistin Christina Fuchs noch an, bevor dann die ersten Klänge hörbar wurden. Zu Beginn, Akkordeon und Klarinette waren im „musikalischen Gespräch“ zu vernehmen, hatte man schon den Eindruck, es würde in Münster zum Tango gebeten. Das waren jedoch nur verschwindende Momente eines Augenblicks. Behutsam, so mussten wir aus der Melodiestruktur entnehmen, setzte der Seiltänzer Fuß vor Fuß. Mit dem tiefen Dumdumdum des Basses schien, so die mögliche Vorstellung, der Moment eingefangen zu werden, in dem der Seiltänzer in den sicheren Stand kommt, dabei immer mit der Balancestange das Gleichgewicht haltend. Oh, mit schnellen Schritten war der Akrobat unterm Zirkuszelt allerdings gelegentlich auch unterwegs, um ja rasch die sichere Standplattform zu erreichen. Zuvor jedoch gab es noch Pirouetten und waghalsige Sprünge – eine Assoziation des Berichterstatters zum gestrichenen Bass. Sobald dieses dickbäuchige Musikmöbel sich dann hochgestimmt zeigte, meinte man gar, das Grazile der Seilakrobatik vor Augen geführt zu bekommen. Als die Klarinette, gespielt von Christina Fuchs, mit in den Dreiklang von Bass, Akkordeon und Schlagwerk einfiel, näherte sich die Komposition dem Furioso und großen Finale.
Mit leichtem Besenspiel
Nachfolgend stand „Circle“ auf dem Programm. Dazu erläuterte Christina Fuchs kurz, dass ihr Berufswunsch eigentlich mal Architektin gewesen sei, aber nur für runde und nicht für eckige Häuser. Aus dem Komponieren von Architektur wurde dann das Komponieren mit Noten, mit Changes und Bridges. Hörte man dem von Christina Fuchs gespielten Sopransaxofon zu, meinte man eher, spielende Kinder zu sehen, die „Der Plumpssack geht rum“ spielen. Schlagwerk und Akkordeon gaben sich so, als wollten sie musikalische Kreise in den Sand des Strandes zeichnen.
Das Besenspiel von Christoph Hillmann wirkte dabei leicht und spielerisch, wie auch während des gesamten Konzerts. Nie hatte man den Eindruck eines gewollt energetischen Duktus. Organisch waren die Bewegungen zwischen Tom und Hi-Hat. Man nahm als Zuhörer an einem unaufgeregten Schlagzeugspiel teil, jenseits von Attacke-Attacke ein wahres Vergnügen, visuell wie akustisch.
Paul Klee als „Ideengeber“
Paul Klee und dessen Kunst waren auch für weitere Kompositionen „Ideengeber“, so auch für „Schellenengel“. Nein, ein Glockenspiel gab es in der Instrumentierung der Band nicht, aber eine Kalimba, diatonisch wie chromatisch, eine besondere Anfertigung eines Lamellophons, die Christoph Hillmann in Auftrag gegeben hatte. Er eröffnete das Spiel mit dem feinen Klang der „Daumenharfe“. Fast schon etüdenhaft ließ sich nachfolgend die Klarinette vernehmen, ehe dann das Akkordeon eine ausgewiesene Melodieschleife entwickelte. Mit stark rhythmischer Einfärbung wurde das kommende Basssolo von Ulla Oster gestaltet. In der Dramaturgie der Komposition fehlte auch ein Tempowechsel nicht, der mit einem Instrumentenwechsel einherging. Statt der Klarinette griff Christina Fuchs zum Sopransaxofon, dessen fein zerstäubte Klangwolken an Female Vocal denken ließen. „Tonale Wolkensprünge“ waren zudem zu hören, als sich ein Wechselspiel zwischen Saxofon und Akkordeon entwickelte. Noch ein Donnerwetter wie bei einem dramatischen Theaterstück, und dann lauschte man der Kalimba, die in der Klangfarbe hier und da auch einem Vibrafon glich, und am Ende gleichsam wieder zum Anfang zurückführte.
Kein Tango, aber Chacarera
Mit zwei Kompositionen von Ulla Oster, nämlich „Miss 11“ und „Chacarera“, endete der erste Konzertteil. Die Bassistin der Band war überaus mitteilsam – das war auch gut so. Nur so erfuhren die Anwesenden nämlich, dass sie eigentlich mal aus Spaß etwas mit ungewöhnlichen Metren komponieren wollte, was auch eine Superübung für den Geist sei. Sie dachte sich, so Ulla Oster, sie könne mal ein Stuck mit 11 komponieren. Man könne ja mal mitzählen, müsse es aber nicht. Inspiration für diese Komposition sei ein Album von Gerald Clayton gewesen, das sie fasziniert habe. Zugleich sei es Ansporn gewesen, auch mal so etwas Gutes zu schreiben.
Wortgewandt zeigte sich der Bass in den Händen von Ulla Oster. Auch das Akkordeon, gespielt von Florian Stadler, ließ sich nicht zweimal bitten. Verhalten und zurückgenommen setzte Christina Fuchs dazu ihre Bassklarinette ein. Dabei meinte man, auch ein gewisses bluesiges Farbspektakel zu erleben. Dieses Hörerlebnis wurde jedoch durch das rotzige Schlagwerk ganz rasch aufgelöst. Nein, am Ende präsentierte uns Ulla Oster keinen Tango, aber mit „Chacarera“ einen argentinischen Tanz. Er stammt aus den ländlichen Gegenden des Gran Chaco und wird traditionell mit Gitarre, Violine, Akkordeon und Bombo (zweifellige Zylindertrommel) gespielt. Letztere spielt den Rhythmus im 12/8 Takt – nach der 11-Metrik bei „Miss 11“ schon wieder ein anderes ungewöhnliches metrisches Maß.
Die andere Instrumentierung bei No Tango schuf eine gewisse Distanz zur erwarteten Folklore, obgleich sich das Sopransaxofon schon sehr volksliednah gab. Statt Bombo trommelte Christoph Hillmann auf Tom, Snare und Bassdrum und sorgte dabei mit der Verwendung von „Wok-Cleanern“ für eine ganz eigene Note.
Auch ein Vogelkonzert
Den zweiten Teil des Konzertabends eröffnete eine Komposition von Ulla Oster namens „TipToe“. Hier und da konnte man sich vorstellen, dass jemand auf Zehenspitzen durch den Raum schleicht. Zumindest vermeinte man, einige Tippelschritte zu erkennen. Doch auch schlurfende Schritte machten sich breit, als der gestrichene Bass und die Bassklarinette ins musikalische Geschehen eingriffen. Nach der Begegnung mit „Buddha“ erklang eine Hymne auf die Quetschkommode, den Tretschrank, die Schweineorgel, den Heimatluftkompressor – alles Begriffe, die Christina Fuchs für das Akkordeon zusammengetragen hatte. Doch als Titel der Komposition taugten diese Bezeichnungen wohl nicht. Am Ende machte dann doch „Zwitschermaschine“ das Rennen um den Titel. Und schon wieder war es eine Arbeit von Klee, die für das Werk Pate stand. Drei kleine Vögel, die zwitschern, führte uns No Tango vor. Fürwahr Akkordeon und Klarinette zwitscherten, tschilpten, trällerten und trillerten. Hm, gab es da nicht auch ein verfremdetes Gurren zu hören, als Florian Stadler in die Tasten des Akkordeons griff? Schließlich lauschte man bis zum Schluss ganz gebannt dem Zwiegezwitscher von Klarinette und Akkordeon.
Mit „Ad Parnassum“ und „Yalla“ beschloss No Tango den sehr stimmungsvollen und tonfarbenfrohen Abend. Um eine Zugabe ließ sich das 4tett nicht lange bitten – keine Frage bei dem nachhaltigen Applaus. So gab es noch eine ältere Komposition von Christina Fuchs zu hören, die sie ihrer Tochter gewidmet hat. Entstanden ist dieses Tonwerk, als Zoe, die nun elf Jahre alt ist, gerade mal ein Jahr alt war.
Mit Fug und Recht darf man sich nach diesem Abend in der Black Box mehr Abende ohne Tango, aber mit Fuchs-Oster-Hillmann-Stadler oder anderen Jazzern mit aktuellem Jazz auch jenseits von Free wünschen.
Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
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Musiker
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