Für „Cru Sauvage", einem Jazz-Trio jenseits der klassischen Piano-Jazz-Trios hat sich Christian Kappe den Pianisten Burkhard Jasper und Gitarristen Kai Brückner als Mitspieler ausgesucht. Gemeinsam wird weitgehend Musik gespielt, die aus der eigenen Feder stammt. Es ist eine besondere Melange, die zu hören ist und am ehesten mit humorvollem lebendigen, zeitgenössischen Jazz zu umschreiben ist. Während Kappe eine formale Jazz-Ausbildung abgeschlossen hat, ist der als klassischer Pianist ausgebildete Burkhard Jasper in Sachen Jazz Autodidakt. Dass er auch ein Grenzgänger ist, unterstreicht das Mitwirken an "Maija-Riitta-Quintett und dem "Maija-Riitta-Trio", das sich mit finnischer Folklore und finnischen Tangos in neuem Jazz-Gewand beschäftigt. Last, but not least ist der Gitarrist Kai Brückner ein wesentlicher Klangbestandteil des Trios 'Cru Sauvage'. Nicht nur der Unterricht bei John Abercrombie, sondern auch seine Studienzeit bei David Friedman, Jerry Granelli und Michael Gechter prägen Brückners Spiel.
Musikalische Trüffel vom Feinsten
„Cru Sauvage“ – die „Wilden Auslese“ spielt auf, und das Dachtheater ist trotz regnerischem Wetter überaus gut besucht – eher eine Ausnahme bei Jazz live in Warendorf. Vielleicht lag es auch daran, dass der in Münster lebende Christian Kappe in der Region sehr bekannt ist und viele mit seinem Namen einen eher konzertanten und episch angelegten Jazz verbinden.
Fjordsound und finnische Schermut
Gleich das erste Stück des Abends verrät die Nähe des Pianisten Burkhard Jaspers zu finnischer Musik: „Silmät Tuonmat Kuia Yö“ von U. Kempii. Das Thema klingt so, als wäre der Winter vergangen, das Eis gebrochen und das Tauen habe eingesetzt. Am 1. Mai beginnt dann der finnische Frühling und in Helsinki sitzt man bereits auf den Außenterrassen der Cafés, wenn auch noch unter Heizpilzen, weil es doch noch kühl ist. Beschwingt und heiter ist die Weise, die Burkhard Jasper mit einer frischen Frühlingsbrise arrangiert hat. Kraftvoll und energetisch spielt Burkhard Jasper zum lyrisch klingenden Gitarrenlauf. Derweil zaubert Christian Kappe den hohen Norden und die finnische Seenplatte an die Ems. Im 3/4-Takt gehalten ist „Ballad“, der vorletzte Titel auf der jüngsten CD-Einspielung von Christian Kappe & Cru Sauvage. Mit einer leicht melancholisch gestimmten Gitarre beginnt diese Ballade, ehe dann Christian Kappe mit der gedämpften Trompete das Thema aufnimmt, bedächtig und ein wenig klagend. Kai Brückner lässt bei den angestimmten Sequenzen an Philip Catherine und dessen dahinfließende, melodisch-wohlige Gitarrenpassagen denken. Den Musikern auf der Bühne ist die Freude am gemeinsamen Spiel anzumerken. So kommt Christian Kappes Bemerkung auch nicht überraschend: „Jazz in Warendorf, ist das nicht schön.“
Weiter geht es im Programm: „Human Kindness“, auch von der jüngsten CD mit dem Titel „Volume 1“, zieht das Publikum in den seinen Bann. Burkhard Jasper ist der Titel zu verdanken, bei dem wir einem Duett von Klavier und Gitarre lauschen, ehe Christian Kappe seinem samtig klingenden Flügelhorn die ersten und dann weitere Töne entlockt. Zwischendrin verfällt das Klavierspiel in einige Melodiepassagen, die an Tanzschritte denken lassen: „Dumdadumdada, dumdadadum ...“. „ Dancing in the rain“ scheint nicht ganz fern, oder?
Bachjazzo unter dem Dach
Dann ein musikalischer Bruch: Geistliche Musik erfüllt das Dachtheater. Choralartiges wird zum Besten gegeben. Es handelt sich um Arrangements von Burkhard Jasper zu Bach: „Denn das Gesetz“, „So nun der Geist“ und schließlich “Ihr seid aber nicht fleischlich“. Bei diesen Bach-Kompositionen kommt es ganz wesentlich auf das Flügelhorn an, von dem man in jedem Moment denkt, es müsse jetzt nur noch mit „Lobet den Herren“ den Saal erfüllen. Auch in dieser Bearbeitung ist auffallend, das Jasper die weißen und schwarzen Tasten überaus rhythmisch akzentuiert und mit Energie aufgeladen anschlägt. Zart angerissen sind die Gitarrensaiten, deren Klang von den Basslinien des Flügels fast weggedrängt wird. Was aber macht das Flügelhorn? Es jubiliert, jubiliert, jubiliert, oder etwa nicht?
Wie müssen diese Bach-Chorwerke in einem Kreuzgewölbe oder Kreuzgang klingen? Noch voller, noch samtener, noch mehr mit Widerhall und Nachklang? Wenn auch der sakrale Charakter in der Bearbeitung noch zu spüren ist, so ist doch der religiöse Kontext außen vor – und das ist gut so. Bewegt, immer in Bewegung, dynamisch – das assoziiert man mit dem nächsten Titel namens „Perpetuum Jazzable“, Würde man den Titel nicht kennen, könnte man bei Christian Kappes dominantem Spiel auch an eine Primaballerina denken, die unablässig ihre Pirouetten dreht.
Was ist mit der Liebsten?
Nach einer kurzen Pause entführt uns das jazzende Dreigespann schon wieder nach Skandinavien. Diesmal geht es nicht nach Finnland, sondern nach Fünen („Fyn“). Sitzen wir dabei in einem Segler, an dessen Bordwand die Wellen schlagen? Hören wir das Flattern des gesetzten Vorsegels im Wind, so als würden wir vor Fünen kreuzen? All das kann man sich bildlich vorstellen, folgt man dem Themenlauf des Stücks, das auch durch die gekonnten Dialoge von Flügelhorn und Gitarre lebt. Ehe es weiter in den hohen Norden geht, hören wir zunächst „Round“, und dann erfolgt die Bearbeitung eines traditionellen finnischen Volksliedes namens „Kullan Ylistys“, locker übersetzt mit „Loblied auf den Schatz“. In Englisch beginnt diese Volksweise mit „My sweetheart is a beautiful, although 'is kaitaluinen / My sweetheart is a beautiful, although 'is kaitaluinen … .“ Im Original heißt es: „Minun kultani kaunis on, Vaik'on kaitaluinen, Hei luulia illalla, Vaik' on kaitaluinen ...“. Dabei handelt es sich um eine Volksweise, in der die Liebste durch den Kakao gezogen wird. Wer genau zuhört, wird bei dem Trio von Cru Sauvage eine Melodielinie entdecken, die einem Ohrwurm gleicht. Die Reise in den skandinavischen Norden mit Cru Sauvage findet mit der Bearbeitung eines Chorwerks von Sibelius namens „Soi Kunniaksi Luojan“ eine Fortsetzung. Das Original wird in all seiner Melancholie vorgetragen, die wir mit dem Land der Tausenden von Seen und der langen dunklen Winter verbinden.
Chinesisches Mehrgenerationenhaus und finnischer Tango
Zum Abschluss des Konzerts dürfen wir noch einen Abstecher nach China unternehmen und in einem Mehrgenerationenhaus die wild tobenden Kinder und den bedächtig über die Flure schlurfenden Alten erleben, wenn das Dreigestirn diese Komposition des Gitarristen Kai Brückner erklingen lässt. Schon jetzt ist der Abend sehr gelungen, auch wenn es im Dachtheater an einer abgestimmten und behutsam eingesetzten Ton- und Lichtregie mangelt. Das Publikum stört das nicht und klatscht solange, bis Cru Sauvage noch zwei Zugaben darbieten. Dem finnischen Tango „Muista Minua“ („Denke an mich“) heißt es dann wirklich Abschied nehmen, bis zum nächsten Mal mit der „Wilden Auslese“.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Band
Christian Kappe
http://www.christiankappe.com/index.php/de/
Burkhard Jasper
http://www.burkhardjasper.de/
Kai Brückner
http://www.kaibrueckner.de/site/html/
Audio
Christian Kappe & Cru Sauvage: Volume 1, MUSICOM, CD 020123, veröff. 2015
Label
http://www.musiccom.de
Audio of the original songs which were arrange for the mentioned CD Volume 1
Johann Sebastian Bach: So nun der Geist
https://www.youtube.com/watch?v=HTNS5bbsdK0
https://www.youtube.com/watch?v=vjU1wWZ4yp4
Loblied für den Schatz
https://www.youtube.com/watch?v=UxxMmwD4XSE
Jean Sibelius: Soi Kunniaksi Luojan
https://www.youtube.com/watch?v=qXaICIzTWww
Seppo Hanski - Muista minua
https://www.youtube.com/watch?v=53KdrS8jHeM
Topi Sorsakoski & Esa Pulliainen - Muista minua (1992)
https://www.youtube.com/watch?v=OrBwY9FM7yw
Im Interview erwähnt /mentioned in the interview
Dizzy Gillespie
http://www.dizzygillespie.com/
Miles Davis
http://www.milesdavis.com
Count Basie
https://de.wikipedia.org/wiki/Count_Basie
Duke Ellington
http://www.dukeellington.com
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